Robert

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Felicia schmunzelte als sie zu dem Mann neben sich schielte, während sie mit einem Glas Sekt vor dem gemieteten Weingut auf das Brautpaar warteten. Er trug eine graue Chino mit einem weißen Hemd, darüber graue Hosenträger mit ledernen Elementen und einer dazu passenden Fliege, wobei sich die Farbe des Leders seiner Hosenträger in seinen cognacfarbenen Schuhen wiederfand. Besonders verblüffte sie jedoch, dass er tatsächlich seine feine silberne Brille trug, welche das Outfit einfach perfekt abrundete. „Na gefällt dir was du siehst, Felicia", witzelte er mit einem verführerischen Lächeln. „Der fast perfekte Nerd", erwiderte sie keck, fuhr kurz über seine Brust, griff nach dem Hosenträger und ließ ihn amüsiert an seinen Oberkörper schnalzen, was Kolja schmunzelnd den Kopf schütteln ließ. Und ja es gefiel ihr was sie sah, sogar ausgesprochen gut.
„Kolja?", hörte sie eine weibliche Stimme hinter ihnen. Irritiert drehte sie sich um und erblickte eine dunkelblonde, sportliche Frau, vielleicht Ende 30. Sie trug ein eng geschnittenes hellblaues Kleid, welches ihre eisblauen Augen förmlich untermalte. Eine außerordentlich attraktive Frau, die nun auch sie akribisch musterte. „Muriel", erwiderte Kolja knapp, lächelte leicht. Was? Das war Muriel, das war seine Ex-Freundin? Sie lächelte charmant, trat einen Schritt auf Kolja zu: „Du hast dich nicht verändert", stellte sie mit angenehmer Stimme fest und hauchte ihm ein Küsschen links und rechts auf die Wange. „Zumindest optisch", fuhr sie mit einem umwerfenden Lächeln fort. Flirtete sie grade mit ihm? Kolja hob eine Augenbraue, auch er schien irritiert zu sein. „Du bist alleine hier?", hakte sie Felicia vollkommen ignorierend nach. „Wie du siehst nicht", erwiderte er ruhig und warf einen Blick zu ihr. Sie lächelte selbstsicher und trat einen Schritt auf die ihr gegenüberstehende Frau zu: „Felicia", stellte sie sich vor.: „Muriel", ergriff sie ihre Hand, während sie sie überrascht musterte. Damit hatte sie offensichtlich nicht gerechnet. Suchend sah sich ihre Gegenüber um: „Robert müsste auch irgendwo sein".


„Mein Freund", erklärte Koljas Ex-Freundin, während sie sich weiterhin nach ihm umsah. „Er sollte eigentlich nur ein Glas Sekt besorgen" fuhr sie irritiert fort. Koljas Mundwinkel zuckten: „Pass besser auf, die Kellnerinnen hier sind unglaublich hübsch", witzelte er. Muriels Augen blitzten auf: „Weiß deine Freundin, was du für ein Arschloch bist?" „Ich bin zwar nicht seine Freundin", hörte er augenblicklich Felicias charmante Stimme neben sich. „Aber ja, ich weiß, dass er ein Arschloch ist", konterte sie lässig. Verwundert betrachtete er die Frau neben sich, wie sie selbstverständlich da stand in ihrem kurzen rosefarbenen Sommerkleid, welches mit seiner Spitze eher verspielt wirkte, aber dennoch eine gewisse Eleganz besaß, ihre Haare offen, wobei sie die vorderen Strähnen pfiffig nach hinten gebunden hatte und seine Ex-Freundin vollkommen unbeeindruckt ansah. Er schluckte kurz. Weshalb fühlten sich ihre Worte so seltsam an?
Ein Klopfen auf seine Schulter zog ihn aus seiner Starre, neben ihm stand Emil mit einem breiten Grinsen: „Da kommen sie", sprudelte es aus ihm heraus, während er auf die anrauschende grüne Ente deutete. Er schmunzelte. Typisch Edgar!
„Herzlichen Glückwunsch, Pa", lächelte Kolja und schloss seinen Stiefvater herzlich in die Arme. Er wusste zwar nicht, was Edgar an seiner Mutter fand, aber offensichtlich machte sie ihn glücklich und war es nicht das, was zählte? Nachdem er sich von seinem Stiefvater gelöst hatte, wandte er sich seiner Mutter zu: „Glückwunsch Marit", bemerkte er ruhig, während er auf sie zutrat. Zu seiner Überraschung zog sie ihn fest in ihre Arme. Vollkommen verdutzt erwiderte er die ungewohnt innige Umarmung. „Lass uns heute nicht streiten mein Junge", bemerkte sie mit brüchiger Stimme. Er nickt knapp, kämpfte ebenfalls mit Tränen die sich ungewollt in seine Augen schlichen. Er konnte sich nicht erinnern, wann seine Mutter ihn das letzte Mal so herzlich umarmt hatte.


Felicia sah sich erneut um. Diese Location war einfach ein Traum, ein großer Innenhof eines steinernen Weingutes geschmückt mit bunten Lampions von dem man über einen kleinen Pfad in einen traumhaften Garten gelangte, der dazu noch an einen kleinen Weiher grenzte. Die rustikalen, aber schön hergerichteten Holztische, waren verteilt im Hof aufgestellt, umrandeten eine kleine freie Fläche, die Platz für die Musiker bot, welche für eine angenehme musikalische Untermalung sorgten. Es passte alles!
Neben Kolja und Emil saßen noch seine zwei Cousins Björn und Henrik mit ihren Familien an ihrem Tisch. In Henriks Frau hatte sie eine nette Gesprächspartnerin gefunden, während Kolja sich angeregt mit Björn und Henrik unterhielt.
„Möchtest du auch noch etwas trinken?", fragte sie ruhig, während sie ihren Stuhl zurückschob und aufstand. Kolja hob eine Augenbraue: „Du kannst auch bestellen", grinste er amüsiert. „Bei den hübschen Kellnerinnen?", witzelte sie „Nein, danke. Ich vertrete mir gerne kurz die Beine", fuhr sie fort und ließ ihre Hand zaghaft über seine Schulter gleiten. „Ich nehme einen Whisky", ergänzte er schmunzelnd.
„Einen Gin-Tonic und einen Whisky bitte", orderte sie beim Barkeeper und lehnte sich entspannt an die Bar, welche etwas abseits in einer kleinen Nische des Steingebäudes aufgebaut war. „Eine Dame, die Whisky trinkt?", hörte sie eine männliche Stimme neben sich. Sie sah zur Seite und erblickte einen Mann, vermutlich Koljas Alter, mit schwarzen lockigen Haaren und grünen Augen, welcher ihr dazu noch höflich seine Zigarettenpackung entgegenstreckte: „Dazu eine Zigarette?" „Der Whisky ist zwar nicht für mich, aber die Zigarette würde ich dennoch annehmen", lächelte sie verschmitzt und zog eine Zigarette aus der Packung. Aufmerksam zückte er sein Feuerzeug, steckte die Zigarette zwischen ihren Lippen an und musterte sie eingehend. „Vielen Dank", erwiderte sie mit ihrer gewohnt charmanten Art. „Robert", stellt er sich vor und zog ebenfalls an seiner frisch entzündeten Zigarette. Robert? Felicia hob eine Augenbraue, lächelte jedoch höflich: „Felicia". „Hochzeiten haben doch irgendwie etwas Reizvolles an sich.", stellte er ruhig fest, sah sie eindringlich an „Was meinen Sie?" Felicia schmunzelte, eine offensichtlichere Anmache gab es wohl kaum. „Wir könnten uns irgendwo unterhalten, wo wir ungestört sind", flüsterte er mit einem verführerischen Grinsen auf den Lippen, während er seine Hand zaghaft auf ihre Taille legte, sie etwas näher an sich zog. Felicia sah ihn mit einem überlegenen Grinsen an: „Sie sollten ganz schnell ihre Finger von mir nehmen, nicht, dass mir ausversehen meine Hand ausrutscht.", entgegnete sie leise, jedoch mit einem Nachdruck, den auch ihr Nebenmann verstehen musste. Seine Mundwinkel zuckten provokant, während er seine Hand weiter nach unten wandern ließ und auf ihrem Hintern zum Liegen kam. Felicia zog erneut ihre Augenbraue hoch, sah sich unauffällig um, vergewisserte sich, dass niemand in Sichtweite war. Sie wollte kein Drama, aber sicherlich auch nicht einfach betatscht werden. In einer fließenden Bewegung verpasste sie ihm eine schallende Ohrfeige, griff nach den zwei Gläsern vor sich. „Ich habe Sie gewarnt", bemerkte sie taff und ließ Robert, der sich schmerzverzerrt die Wange rieb, fassungslos allein an der Bar zurück. Arschloch!
Entgeistert stellte sie den Whisky an Koljas Platz, welcher sich nicht mehr am Tisch befand. Was bildeten sich manche Männer eigentlich ein? Gab es tatsächlich Frauen, die auf solche Typen hereinfielen? Suchend sah sie sich im Hof nach Kolja um, erblickte ihn wie er sich angeregt mit einer Gruppe Männer unterhielt. Sie schmunzelte, nahm ihren Gin-Tonic und machte sich auf den Weg zum Weiher. Ein paar ruhige Minuten würden ihr guttun.
„Du solltest häufiger mitkommen", hörte sie eine ruhige Stimme hinter sich, welche sie schnell Edgar zuordnen konnte. Lächelnd drehte sie sich um und sah ihn fragend an. „Kolja ist so ungewohnt ruhig, er wirkt in deiner Gegenwart richtig gelöst und entspannt", fuhr er erklärend fort. Sie spürte wie ihre Mundwinkel zaghaft zuckten. „Du magst ihn sehr, oder?", hakte er weiter nach. Felicia schluckte, schwieg jedoch und nahm stattdessen einen Schluck aus ihrem Glas. Edgar lachte: „Verstehe, du scheinst ihn jedenfalls ganz gut im Griff zu haben.", zwinkerte er, richtete den Blick auf den Weiher vor ihnen und nahm ebenfalls einen Schluck aus seinem Glas. „Was meinte Marit damit, dass er schon immer schwierig war.", ergriff sie nach kurzem Schweigen das Wort. Edgar überlegte, zögerte einen Moment, bevor er sprach: „Es steht mir eigentlich nicht zu darüber zu sprechen. Ich verrate es dir nur, weil ich weiß, dass er nicht darüber spricht und ich dich wirklich sehr gerne an seiner Seite sehe.", begann er zaghaft. „Er galt lange als verhaltensauffällig bis nach einer langen Odyssee festgestellt wurde, dass er besonders begabt ist, er dauerhaft unterfordert war und sich einfach auf andere Dinge fokussiert, als auf zwischenmenschliche Beziehungen" „Er ist hochbegabt?", hakte sie überrascht nach, worauf Edgar die Schultern hob und lächelte. „Er kann nichts für seine Art." „Danke", bemerkte sie mit einem ehrlichen Lächeln. Es war schön etwas über Kolja zu erfahren, seine Hintergründe zu verstehen, auch wenn sie es nicht von ihm selbst erfuhr, sondern von seinem Stiefvater, der augenscheinlich eine ganz besondere Beziehung zu seinem eher spät dazugewonnenen Sohn hatte. „Gerne", zwinkerte er, nahm einen Schluck aus seinem Glas „So, ich glaube ich gehe mal wieder zu meiner Frau. Nicht dass sie noch denkt ich wäre mit dir durchgebrannt.", lachte er, drehte sich um, verschwand wieder Richtung Innenhof und ließ sie allein am Weiher zurück. Nachdenklich sah sie auf das Wasser vor sich, ließ einzelne Situationen revuepassieren. Sie schmunzelte, als sie an die Tage in Dubai zurückdachte. Der wandelnde Reiseführer.


Kolja erblickte Felicia mit ihrem leeren Gin-Tonic-Glas in der Hand an dem kleinen Weiher im Garten. „Ich dachte schon du hättest das Weite gesucht", witzelte er als er neben sie trat und den Rauch seiner Lungen in die Dunkelheit blies. „Glaub mir, das hättest du mitbekommen", bemerkte sie amüsiert, klaute ihm selbstverständlich die Zigarette aus seinen Fingern und zog genüsslich daran. „Das hast du nicht nötig", grinste er herausfordernd „Und das weißt du", fuhr er fort, nahm seine Zigarette wieder an sich und klemmte sie zwischen seine Lippen. „Stimmt", erwiderte seine Gegenüber mit einem bezaubernden Lächeln, hob die Schultern und trat auf ihn zu. „Ich wäre einfach gegangen", flüsterte sie und zog erneut die Zigarette aus seinen Lippen. Bevor sie jedoch daran ziehen konnte, griff er blitzschnell danach, nahm einen tiefen Zug und warf sie auf den Boden, wo er sie provokant austrat. „Schluss mit den Spielchen", flüsterte er, griff in ihren Nacken und zog sie in einen leidenschaftlichen Kuss, der sie überrascht aufkeuchen ließ. Ohne sich von ihr zu lösen, griff er das leere Glas ihn ihrer Hand und ließ es neben sich ins Gras fallen um seine Hände nur wenige Augenblicke später über ihre Taille, ihre Hüfte bis hin zu ihrem Hintern gleiten zu lassen, wo er beherzt zupackte. Felicia stöhnte an seinen Lippen, während sich ihr Griff in seinem Nacken verstärkte. Atemlos löste sie sich von ihm: „Bist du verrückt? Nicht hier", hauchte sie. Kolja schmunzelte, schob sie zurück, drückte sie mit dem Rücken gegen einen Baum dicht am Wasser. „Besser?", feixte er unmittelbar an ihrem Gesicht. Statt einer Antwort schob sie sich näher an ihn heran, ließ ihre Zunge über seine Lippe gleiten. „Ich brauche mal einen kurzen Moment Ruhe", hörte er eine Stimme, welche sich eindeutig dem Weiher näherte. Echt jetzt? Widerwillig löste er sich von Felicia, hauchte ihr noch einen vielversprechenden Kuss auf die Lippen: „Wir sind noch nicht fertig".
„Kolja", entfuhr es Muriel überrascht, als sie ihn und Felicia entdeckte. Überrascht wechselte sie den Blick zwischen den Beiden. „Du hast dich wirklich nicht verändert, Kolja", bemerkte sie kopfschüttelnd. „Das ist dann wohl Robert?", lächelte er amüsiert ohne auf ihre Bemerkung einzugehen und deutete auf den Mann neben ihr. „Das ist Robert", bestätigte sie triumphierend. Kolja schmunzelte, hielt ihm höflich seine Hand entgegen: „Kolja".


Felicia sah Robert eindringlich an, lächelte jedoch höflich, während auch sie ihm ihre Hand anbot: „Wir kennen uns ja bereits", bemerkte sie charmant. Muriel sah Robert irritiert an „Was?", entfuhr es ihr argwöhnisch. „Wir haben uns nur nett unterhalten", versuchte er sich zu erklären, worauf Felicia eine Augenbraue hochzog: „Nett unterhalten?", hakte sie nach. „Vielleicht wäre es angebracht Ihrer Freundin die richtige Geschichte zu erzählen.", forderte sie und sah ihn erwartungsvoll an. Er grinste herausfordernd: „Dass Sie mir eindeutige Angebote gemacht haben?" Felicia trat ihm selbstbewusst gegenüber: Was? War das sein Ernst? „Vielleicht eher, dass Sie eine Ohrfeige von mir kassiert haben, weil sie mich ungefragt an meinem Hintern angefasst haben?" „Moment! Sie haben was? ", entfuhr es Kolja neben ihr. „Hätte ich dafür etwa auch schon bezahlen müssen?", lachte er spöttisch, sah Kolja herausfordernd an, welcher fest die Zähne aufeinanderbiss und tief durchatmete. Wenn das mal keine Beherrschung war. „Du bist ein widerliches Arschloch", schrie Muriel und stieß Robert mit voller Wucht von sich. Er stolperte, taumelte nach hinten bis er letztlich das Gleichgewicht verlor und nach Kolja griff. Nur einen winzigen Augenblick später, vernahm sie ein lautes Platschgeräusch....


Zwei Leben - Eine GeschichteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt