Eskalation

210 16 0
                                    

Felicia rieb sich verschlafen die Augen, als sie das Wohnzimmer betrat und Kolja in einem perfekt sitzenden Anzug vor seinem Laptop erblickte. Schon allein deswegen wäre er besser noch ein paar Tage im Krankenhaus geblieben. Dieser Mann war unglaublich, konnte sich kaum bewegen, arbeitete aber schon wieder hochkonzentriert. Schmunzelnd trat sie neben ihn, lehnte sich lässig gegen den Tisch und betrachtete ihn aufmerksam. Neugierig hob er den Blick, musterte sie eingehend, wie sie selbstverständlich in ihrer Unterwäsche neben ihm stand. „Frühstückst du mit mir?", ergriff sie mit einem unwiderstehlichen Lächeln das Wort, wusste, dass sie so seine Aufmerksamkeit für sich gewinnen würde. Er war nicht der Typ Mann, der sich etwas vorschreiben oder sich auch nur ansatzweise bevormunden lassen würde. Felicia lächelte siegessicher. Sie wusste wie sie ihn von seiner Arbeit wegbekam und das war sicher nicht über belehrende Worte. Schweigend sah er sie an, während seine Mundwinkel verführerisch zuckten. Er hob langsam eine Hand, fuhr mit seinen Fingerspitzen sanft über die Haut ihres Oberschenkels. Ein süffisantes Grinsen trat auf ihre Lippen: „Finger weg", wies sie ihn an, schlug ihm spielerisch auf die Finger. „Was?", entfuhr es ihm überrascht, während er sie regelrecht taxierte. Zielsicher griff sie in seinen Nacken, beugte sich zu ihm vor: „Du bist derjenige, der später wieder frustriert ist", raunte sie, bevor sie zaghaft in seinen Hals biss, ihm ein wohliges Stöhnen entlockte. „Ich ziehe mir etwas an und du machst Frühstück", bemerkte sie weiter, während sie sich von ihm löste. Ihr Gegenüber lächelte verschmitzt: „Vielleicht solltest du Frühstück machen, ich bin schließlich schwer verletzt", witzelte er. Felicia sah ihn herausfordernd an, grinste selbstsicher: „Wer arbeiten kann, kann auch Frühstück machen", konterte sie lässig, hauchte einen Kuss auf seine Wange und verschwand wieder im Schlafzimmer.


Kolja sah Felicia perplex nach. Wow! Sie schaffte es immer wieder aufs Neue ihn zu überraschen. Doch mit einer Sache hatte sie tatsächlich Recht. Er wäre erneut derjenige gewesen für den das Ganze frustrierend geendet hätte, wobei er nicht behaupten konnte, dass er es zu diesem Zeitpunkt nicht schon war. Bereits ihr leicht bekleideter Anblick, ihr selbstsicheres Auftreten, ihre schlagfertige Art reizten ihn ungemein. Er schüttelte lächelnd den Kopf, klappte seinen Laptop zu und machte sich auf den Weg in die Küche. Sie hatte gewonnen!


Felicia schmunzelte, als sie den vor sich sitzenden Mann beobachtete. Er hatte tatsächlich Frühstück gemacht. Es gab immer einen Weg du bekommen was man wollte. „Kommst du mit zur Polizei?", fragte Kolja ruhig, während er an seinem Kaffee nippte. Irritiert sah sie ihn an. „Dein Handy abgeben", rief er ihr ins Gedächtnis. Felicia nickte: „Ich würde gerne mitkommen", antwortete sie ruhig. „Meinst du, er hat tatsächlich alles mitverfolgt?", hakte sie beinahe unsicher nach. Der Gedanke, dass jemand all ihre privaten Nachrichtenverläufe kannte, ihre Aufenthaltsorte, gefiel ihr ganz und gar nicht. Ihr Gegenüber atmete tief durch, bevor er seine Tasse vor sich abstellte: „Ich weiß es nicht", gab er ehrlich zu „Vielleicht hat er es immer verfolgt, vielleicht aber auch nur, wenn er sich unsicher gefühlt hat, was dich angeht. Aber ausschließen würde ich es nicht." „Kannst du herausfinden, wann er diese App installiert hat?" Kolja schien zu überlegen, nickte jedoch zaghaft: „Das müsste machbar sein, aber erst einmal soll die Polizei einen Blick darauf werfen. Ich habe da noch den ein oder anderen guten Kontakt." Fragend sah sie ihn an, woraufhin er nur schmunzelte: „Wir Informatiker helfen uns gelegentlich gegenseitig aus."


Kolja hielt dem Polizeibeamten Felicias Smartphone entgegen: „Er hat eine Überwachungs-Software installiert". Fragend sah der Beamte ihn an: „Und das wissen Sie genau woher? Diese Apps findet man nicht einfach so" Kolja hob eine Augenbraue: „Ich entwickle hochkomplexe Sicherheitssysteme für Unternehmen und Behörden, da werde ich eine kleine Überwachungssoftware wohl ausfindig machen können." „Ich weiß nicht, was das in Ihrem Fall für eine Rolle spielen sollte", hakte der Polizist skeptisch nach. „Er ist ein Stalker und wenn ich richtig informiert bin, ist auch Stalking gemäß § 238 StGB inzwischen ein Straftatbestand, welchem Sie durchaus Beachtung schenken sollten." Der Beamte vor ihm stockte, bevor er das Handy entgegennahm: „Ich werde es weitergeben", erwiderte er, ohne auf seine Anmerkung einzugehen. „Sie geben es bitte an Andrej Kollmar weiter.", forderte er nachdrücklich. „Er ist informiert".


„Felicia" rief eine männliche Stimme über den Flur der Polizeidienststelle, ließ sie sofort herumfahren. Roger. „Felicia, sag ihnen doch einfach, dass ich dir einfach nur geholfen habe". Sprachlos betrachtete sie den verzweifelt wirkenden jungen Mann, welcher von einem Polizeibeamten begleitet wurde. Auch Kolja hatte sich ihm zugewandt, musterte Roger beherrscht. „Du musst unsere Beziehung nicht mehr leugnen", fuhr Roger eifrig fort, lächelte fast schon. „Ist das grade sein Ernst?", hörte sie Koljas verbissene Stimme neben sich. Sie atmete tief durch, trat einen Schritt auf Roger zu: „Roger", begann sie ruhig. „Es gibt keine Beziehung, es gab nie eine und es wird auch nie eine geben. Du warst nur ein Kunde". Ihr Gegenüber schluckte, wurde unruhig: „Du liebst mich", korrigierte er hektisch. „Nein", antwortete sie selbstbewusst. Dieser Mann brauchte Hilfe. „Wir lieben uns", betonte er inständig, während auch der Polizist neben ihm langsam unruhig wurde, den Griff an seinem Arm verstärkte. „Wir sollten jetzt gehen", wies er Roger bestimmt an. „Nein", entfuhr es ihm, riss sich aus dem Griff des Polizeibeamten los und stürmte auf sie zu. Bevor er sie jedoch erreichen konnte, packte sie jemand am Arm, zog sie außer Rogers Reichweite. Sein Blick verfinsterte sich: „Wieso lebst du noch du Wichser?", schrie er Kolja wutentbrannt an: „Du wolltest sie vergewaltigen, ihr wehtun! Ich weiß es. Warum bist du nicht einfach verreckt!" Nun war es Kolja, der einen Satz nach vorne machte. Noch während der Polizist Roger zu fassen bekam, ihn sicherte, schlug Kolja ihm mit voller Wucht ins Gesicht, wurde jedoch augenblicklich selbst von dem Beamten hinter ihm gepackt. Unsanft verdrehte er ihm den Arm auf dem Rücken, drückte ihn grob nach vorne. „Fuck", schrie er auf, während er sich mit schmerzverzerrtem Gesicht unter dem Griff wandte. Felicia griff intuitiv nach dem Beamten vor sich: „Bitte, lassen Sie ihn los", forderte sie vehement. „Er ist frisch operiert, verdammt". Der Polizist sah erst sie, dann Kolja prüfend an, bevor er den Griff lockerte und ihn nach hinten schubste, um einen größtmöglichen Abstand zwischen den Beiden herzustellen. Er wollte wohl sichergehen, dass er nicht noch einmal auf Roger losgehen würde. „Sie hören von meinem Anwalt", keuchte Kolja, welcher sich noch immer vor Schmerzen krümmte.


Zwei Leben - Eine GeschichteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt