Hirngespinst Hollywoods

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Felicia atmete tief durch. Noch am Vorabend hatte sie eine Nachricht ihrer Chefin erhalten, dass sie sie um 10 Uhr in der Agentur sprechen wollte. Das verhieß nichts Gutes. Nervös warf sie einen Blick auf die Uhr, bevor sie zaghaft an die hölzerne Tür vor sich klopfte und auf eine Rückmeldung ihrer Chefin wartete. „Komm rein", ertönte Gwens ruhige Stimme. „Guten Morgen", grüßte Felicia, während sie sich auf dem Stuhl vor dem Schreibtisch niederließ, auf den ihre Gegenüber nun freundlich deutete.
„Wie geht es dir?", stieg sie aufmerksam in das Gespräch ein. Felicia lächelte zaghaft: „Mir geht's gut, danke. Ich glaube ich habe den Schreck gut verdaut", erwiderte sie möglichst selbstsicher. „Und wie geht es Herrn Weyland?", hakte Gwen weiter nach, wobei sich ihr Ton merklich verändert hatte. Felicia hatte eine Ahnung, worauf dieses Gespräch hinauslaufen würde, damit hatte sie rechnen müssen. „Es geht ihm gut", antwortete sie bemüht neutral. Die ihr gegenüber sitzende Frau zögerte kurz, bevor sie erneut das Wort ergriff: „Kannst du mir erklären, was sich da zwischen euch abspielt?", wollte sie sachlich wissen. Felicia schluckte: „Nein, das kann ich vermutlich nicht.", entgegnete sie mit fester Stimme. „Was?", entfuhr es Gwen überrascht. „Ich kann es dir nicht erklären, Gwen", wiederholte sie ihre Worte ruhig. „Du triffst dich privat mit einem unserer Kunden, kannst mir aber nicht erklären, was das soll?", fasste ihre Chefin irritiert zusammen, worauf Felicia schulterzuckend nickte. „Er ist nicht mehr mein Kunde", bemerkte sie bedacht, fast schon beiläufig. Gwens Blick veränderte sich: „Natürlich nicht, du vögelst ihn ja gratis." Felicias Kiefermuskeln spannten sich an: „Für dich war es in Ordnung, dass ich ihn als Kunden ablehne". Gwen schüttelte den Kopf: „Da wusste ich auch nicht, dass du dich privat mit ihm triffst." „Hätte er Interesse an einer anderen Frau unserer Agentur, würde er sie einfach buchen, davon hält ihn niemand ab, schon gar nicht ich. Was also spielt es für eine Rolle?", hakte Felicia verwirrt nach und sah ihre Chefin erwartungsvoll an, welche tief durchatmete: „Es ist unprofessionell sich privat auf seine Kunden einzulassen.", bemerkte diese nun nüchtern, ohne weiter auf ihre Frage einzugehen. „Was erwartest du von mir Gwen?", begann Felicia herausfordernd. „Soll ich auf die Knie fallen und um Verzeihung bitten? Soll ich reumütig kündigen oder möchtest du das lieber übernehmen? Sag es mir!", sprudelte es nur so aus ihr heraus. Was zum Teufel wollte sie hören? Gwen sah sie nachdenklich an: „Seht ihr euch noch?". „Ich weiß es nicht", gab Felicia ehrlich zu und zuckte mit den Schultern. „Es ergibt sich, oder eben auch nicht". Erneut schwieg die adrett gekleidete Dame vor ihr für einen Moment, sah sie prüfend an. „Ich wäre unglaublich dumm dich rauszuwerfen", sagte sie ruhig, wobei ihre Mundwinkel zaghaft zuckten. Felicia atmete erleichtert auf „Aber", fuhr ihre Chefin mahnend fort „Kunden sind für privates Vergnügen künftig tabu. Die sollen schön dafür zahlen", zwinkerte sie verschmitzt.
Gwen beobachtete sie aufmerksam, bevor sie erneut das Wort ergriff: „Du magst ihn", lächelte sie wissend. Verdutzt sah Felicia sie an, woraufhin Gwens Lächeln zaghafter, fast schon wehmütig wurde: „Glaubst du, du bist die erste Frau in diesem Job, der das passiert?" Felicia stockte: „Ist es dir passiert?", wollte sie ruhig wissen. Ohne auf ihre Frage einzugehen, fuhr Gwen fort: „Ich weiß, was für ein enormer Reiz von diesen Männern ausgeht" Felicia sah sie fragend an: „Einen meiner ersten Kunden habe ich geheiratet, er hat mich betrogen.", erzählte sie mit ruhiger Stimme. „Du kannst diese Männer nicht ändern, du kannst sie auch nicht kontrollieren. So sehr sie dich reizen, so schubsen sie dich ebenso in einen Abgrund, den du nicht kommen siehst". Sie schmunzelte: „Pretty Women ist nur ein Hirngespinst Hollywoods". Schweigend sah Felicia ihre Chefin an, ließ ihre Worte auf sich wirken. Sie hatte Recht und vermutlich war es auch genau deshalb die richtige Entscheidung gewesen erneut eine gewisse Distanz zwischen Kolja und sie zu bringen. Alles auf Anfang und jeder auf seinem eigenen Weg, in seinem eigenen Leben ohne jegliche Erwartungen. Sie würde ihn wiedersehen, dessen war sie sich sicher, aber fürs Erste brauchte sie den Abstand.


„Kolja", hörte er Denzils mahnende Stimme. „Du hörst mir überhaupt nicht zu". „Was?", sah Kolja auf. „Du hörst mir nicht zu", beschwerte sich sein Berater genervt. Kolja zuckte mit den Schultern: „Der Vortrag ist vorbereitet, beginnt morgen um 08 Uhr. Marcel will bereits 15 Minuten vorher da sein, weil er noch etwas besprechen möchte", wiederholte er unbeeindruckt Denzils vorherige Ausführungen. Sein Gegenüber musterte ihn perplex: „Ich hätte schwören können, dass du nicht zugehört hast.". Kolja zuckte erneut mit den Schultern, atmete tief durch: „Habe zugehört". „Was ist eigentlich los mit dir?", hakte Denzil weiterhin irritiert nach. Kolja sah ihn lediglich fragend an: „Was meinst du?". „Du bist abwesend, du wirkst so gar nicht fokussiert...", begann er, wurde jedoch jäh von Kolja unterbrochen. „Ich habe dir zugehört, oder?", fuhr er ihn gereizt an. „Genau das meine ich.", entgegnete Denzil herausfordernd. „Felicia?", wollte er nun vorsichtig wissen. Koljas Kiefermuskel spannten sich unbewusst an, was seinem Gegenüber nicht zu entgehen schien: „Frauen haben einfach keinen Platz in meinem Leben", stellte er kühl fest, bevor er den Unterlagenstapel an sich heranzog. „Können wir bitte fortfahren?". Denzil schüttelte den Kopf: „Hat sie dich etwa zwei Mal angerufen?", stichelte er. „Können wir jetzt bitte fortfahren", entgegnete Kolja verbissen. „Was zur Hölle stimmt nicht mit dir, Kolja?", fuhr Denzil unbeirrt fort. „Denzil", ermahnte er ihn bestimmt. „Lass es jetzt.". Sein Berater zog einen Stapel Unterlagen an sich, hob eine Augenbraue: „Volltreffer", flüsterte er und schaute über den oberen Rand seiner Brille: „Für eine Frau ist immer Platz, wenn man das denn will", bemerkte er fast schon beiläufig, woraufhin Kolja ihm einen weiteren, diesmal warnenden Blick zuwarf, „Schon gut", hob sein Freund beschwichtigend die Hände und widmete sich den Unterlagen vor sich.


Zwei Leben - Eine GeschichteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt