Singledasein

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„Kann ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?", fragte Kolja aufmerksam, zog sein Jackett aus und hing es sorgfältig über seinen Schreibtischstuhl. „Ein Wein?", erwiderte seine Gegenüber lächelnd, während sie es sich auf seinem Sofa gemütlich machte. „So schnell wird man also ersetzt", stellte sie schmunzelnd fest. Er nahm zwei Gläser aus dem Regal und lachte: „Wer hätte auch ahnen können, dass sie ihn tatsächlich noch für einen Drink auf sein Zimmer begleiten möchte" „Ich jedenfalls nicht", zuckte Felicia mit den Schultern und nahm das Glas Wein entgegen, welches er ihr höflich anbot. „Schönen Frauen gebe ich gerne Asyl", bemerkte er charmant und ließ sich erschöpft neben ihr auf dem Sofa nieder. So angenehm die Tage in Dubai auch gewesen waren, so schwierig war es gewesen sie mit seiner Arbeit in Einklang zu bringen. Er hatte keine der Nächte mehr als zwei oder drei Stunden geschlafen und genau das machte sich langsam bemerkbar. „Sie sehen müde aus", bemerkte Felicia, ihre Stimme unerwartet sanft. Sie war unglaublich achtsam, schien ihre Umwelt konstant zu beobachten. Das kannte er von den Menschen, vor allem von den Frauen, in seiner näheren Umgebung nicht, sie achteten nicht auf persönliche Befindlichkeiten. „Gegebenenfalls habe ich die letzten Nächte nicht besonders viel geschlafen", erwiderte er mit einem knappen Lächeln, bevor er einen Schluck aus seinem Glas nahm. „Sie arbeiten außerordentlich viel.", stellte sie fest, lehnte sich gemütlich zurück und schlug ihre Beine übereinander. „Sie waren viel am Handy". Was sollte er dazu sagen, sie hatte natürlich Recht. Dieses kleine Gerät war sein ständiger Begleiter, er war immer verfügbar und war er es nicht, erwartete ihn eine Flut von E-Mails, Nachrichten, Anrufen. „Ist das der Grund, weshalb Sie keine Freundin haben?", fragte sie ruhig. Irritiert über ihre Frage sah er sie schweigend an. „Oliver hat Recht, Sie könnten doch jederzeit eine Beziehung haben", setzte sie nach. Für einen kurzen Moment dachte er nach. Warum stellte sie diese Frage? „Ich könnte vermutlich, ja", erwiderte er ehrlich „Aber weshalb sollte ich mein ohnehin schon durch meine Arbeit eingeschränktes Leben noch weiter einschränken wollen?" Nachdenklich begutachtete ihn Felicia: „Sie sehen eine Beziehung als eine Einschränkung?" „Ja", antwortete er, ohne zu zögern. „Zumindest habe ich sie bisher als genau das wahrgenommen. Das konventionelle Beziehungsmodell passt einfach nicht zu meiner Einstellung und meinem Lebensstil.", fuhr er erklärend fort und zuckte mit den Schultern.


Irritiert, dennoch fasziniert musterte Felicia den Mann vor sich. Seine Sichtweise war durchaus interessant. „Wie ist es denn bei Ihnen? Sind Sie in einer Beziehung?", fragte er ruhig, während er sich nun ebenfalls entspannt zurücklehnte und sie aufmerksam musterte. Sie zögerte, sie sprach mit Kunden nicht über ihr Privatleben. Aber war Kolja nur noch ein Kunde? „Verstehe", schmunzelte er. Sein direktes Verständnis verwunderte sie, er schien tatsächlich Erfahrung mit Frauen ihrer Branche zu haben. „Ganz objektiv", begann er „Sie müssten einen Mann haben, der Ihnen optisch gefällt, einen Mann, der Ihnen intellektuell etwas entgegenzusetzen hat, einen Mann, der Ihre Schlagfertigkeit abkann, einen Mann, der Ihren Beruf akzeptiert und Sie dennoch auf sexueller Ebene langfristig erfüllt." Sprachlos sah sie Kolja an. Besser hätte er es nicht zusammenfassen können. „Sie sind eindeutig Single", zog er sein Fazit, sah ihr fest in die Augen und nahm einen Schluck aus dem Glas in seiner Hand. Sie schluckte fest, er hatte Recht. Sie hatte noch keinen Mann gefunden, welcher genau die Punkte erfüllte, die er genannt hatte und es waren genau die Punkte, die für sie ausschlaggebend waren. Sie lächelte: „Gut erkannt", entgegnete sie knapp. „Entschuldigen Sie mich kurz?", bat sie höflich. „Selbstverständlich" erwiderte er, bevor sie sich für einen Moment ins Badezimmer zurückzog.
Ein Schmunzeln huschte über ihre Lippen, als sie nach wenigen Minuten das Wohnzimmer betrat und Kolja auf dem Sofa erblickte. Er hatte den Kopf in seine Hand gestützt, die Augen geschlossen, während er ruhig atmete. Er war tatsächlich eingeschlafen. Für einen Augenblick sah sie ihn einfach nur an, bevor sie einen Schritt auf ihn zutrat und zaghaft mit den Fingerspitzen durch seine Haare fuhr. Noch nie war ihr ein Mann wie er begegnet, er faszinierte sie. Er reizte sie nicht nur körperlich, sondern auch was seine Einstellung anging.
Sie atmete tief durch. Dieses Interesse war nicht gut.


Zwei Leben - Eine GeschichteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt