...nur Worte

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Felicia betrachtete den Mann, welcher nun oberkörperfrei, in einer Shorts bekleidet neben ihr im Bett lag. Er hatte sich tatsächlich auf eigene Verantwortung entlassen. „Du hättest noch im Krankenhaus bleiben sollen", bemerkte sie ruhig, während sie das großflächige Pflaster an seinem Oberkörper wahrnahm. Kolja grinste: „Die Krankenschwestern waren schon fast aufdringlich", witzelte er, während Felicia jedoch ernst blieb. „Ich habe mir wirklich Sorgen um dich gemacht, Kolja", gab sie leise zu. Augenblicklich schossen ihr Bilder in den Kopf, wie er mit blutdurchtränktem, offenen Hemd röchelnd, nach Luft ringend, vor ihr gelegen hatte, sie versucht hatte ihn zu beruhigen, indem sie mit ihm sprach, immer wieder sanft über seine Wange streichelte. Sie erinnerte sich an die Worte der Ärzte, die vor der Notoperation deutlich an positiven Prognosen gespart hatten. Ihr Gegenüber lächelte zaghaft: „Es geht mir gut, Felicia". Eine Weile schien er zu überlegen, bis er erneut das Wort ergriff: „Was hat es mit diesem Roger auf sich?", fragte er ernst. Felicia sah ihn irritiert an. „Du sagtest, er verfolgt dich. Warum?" Sie schluckte, das war eine gute Frage. „Ich hätte an diesem Abend eigentlich einen Termin mit ihm gehabt.", begann sie ruhig. „Er konnte nicht wissen, dass ich nach München gehe, er muss uns tatsächlich gefolgt sein." Kolja sah sie schlagartig an: „Gibt mir sofort dein Handy." forderte er bestimmt. „Was?", entfuhr es ihr verwirrt. „Hatte er zu irgendeinem Zeitpunkt Zugriff auf dein Handy?" Felicia sah ihn weiterhin irritiert an: „Was? Nein, also ich weiß nicht." „Hatte er, oder hatte er nicht?", hakte er weiter nach. Felicia überlegte, sie konnte es nicht ausschließen, sie war sicher mal im Bad gewesen, ihr Handy in ihrer Handtasche. „Ich weiß es nicht", gab sie ehrlich zu, stand auf, nahm das Handy aus ihrer Tasche und reichte es Kolja, der sich, wenn auch etwas schwerfällig aufsetzte. Zielsicher und konzentriert tippte er sich durch ihr Handy. Wonach suchte er? „Dieser Drecksack", entfuhr es ihm. „Was?", wollte Felicia unverzüglich wissen. Kolja schüttelte fassungslos den Kopf: „Er hat dir eine Spionage-App installiert. Er hatte Zugriff auf deine Anrufprotokolle, deine Nachrichten, deine E-Mails und deinen Standort, einfach alles." Felicia wurde schlecht. „Er konnte alles sehen?" Kolja nickte ruhig, schaltete das Handy aus. Geschockt beobachtete sie ihn „Kannst du das nicht runterwerfen, Kolja?". Er legte das ausgeschaltete Handy zur Seite: „Natürlich kann ich das, aber zuerst geht es an die Polizei. Sie müssen das wissen.", erklärte er beruhigend. „Ich verstehe das nicht", begann sie verständnislos, während sie sich neben ihm auf dem Bett niederließ „Er war immer nett, immer höflich, er war sympathisch, ein schüchterner introvertierter Typ".


„...und hat, wie es scheint eine krankhafte Obsession", fügte Kolja schulterzuckend hinzu „Man kann Menschen nicht in den Kopf schauen". Seine Gegenüber schwieg einen Moment, schien nachzudenken, bis sie es sich erneut neben ihm gemütlich machte, ihn mit zuckenden Mundwinkeln musterte. Dieser verführerische Blick. „Bei dir würde ich es gelegentlich gerne können". „Was?", schmunzelte er. Felicia lächelte verschmitzt, er war froh, dass sie offenbar ihren Humor wiederfand: „Na dir in den Kopf schauen". „Jetzt grade?", fragte er provokant, während er sich neben sie legte, sein Gesicht unmittelbar vor ihrem. Sie hob erwartungsvoll eine Augenbraue: „Na los", forderte sie mit ihren Lippen dicht an seinen. „Ich bin unglaublich frustriert", flüsterte er, berührte ihre Lippen kaum merklich mit seinen. „Warum?", hakte sie nach, während sie wissend grinste, ihre Zunge spielerisch über seine Lippe gleiten ließ. „Ich will es hören Kolja", hauchte sie, lockte ihn förmlich mit ihrer Zunge, spielte mit ihm. „Du machst mich wahnsinnig", stellte er atemlos fest. „Warum", wiederholte sie kaum hörbar. „Ich will dich Felicia", er schluckte schwer, lächelte zaghaft „...und ich kann nicht". Sie genoss es ihn zu quälen. „Tja mein Lieber", begann sie mit einem triumphierenden Lächeln „Dann musst du dich wohl zur Abwechslung einfach mal mit einer Frau unterhalten", feixte sie an seinen Lippen, bevor sie ihn kurz, jedoch außergewöhnlich intensiv küsste. Sprachlos sah er sie an. „Fehlen dir die Worte, Kolja?", grinste sie herausfordernd und platzierte ihren Kopf mit etwas Abstand auf seinem Kopfkissen. Ihm fehlten tatsächlich die Worte!


Amüsiert betrachtete Felicia den vollkommen perplexen Gesichtsausdruck ihres Gegenübers, von dem eine Antwort weiterhin ausblieb. Erwartungsvoll hob sie eine Augenbraue: „Nun", begann sie fast schon beiläufig, lächelte verführerisch: „Wie alt ist deine Schwester?" Kolja atmete tief durch, schüttelte ungläubig den Kopf: „Das kann nicht dein Ernst sein", bemerkte er grinsend, woraufhin sie einen liebreizenden, unschuldigen Blick aufsetzte: „Ich weiß nicht was du meinst". Kolja lachte: „Das wirst du büßen, warte, bis ich wieder fit bin". „Ich freue mich darauf, Kolja", konterte sie keck, während sie leicht mit der Zunge über ihre Lippen fuhr. „Kannst du dich einfach nur mit einer Frau unterhalten?", fuhr sie herausfordernd fort. Kolja erwiderte ihren Blick: „Sie ist 24", erwiderte er ruhig, ohne auf ihre provokante Bemerkung einzugehen. Anouk war also grade einmal ein Jahr jünger als sie selbst. „Ihr scheint euch sehr nahe zu stehen", hakte sie weiter interessiert nach. „Das tun wir tatsächlich.", lächelte Kolja. „Sie hat eine Weile bei mir gelebt." Fragend sah Felicia ihren Gegenüber an. Es war das erste Mal, dass er über sich sprach. Er überlegte: „Wir sind Halbgeschwister.", erklärte er. „Anouk ist aus einer Affäre meines Vaters entstanden. Das Verhältnis innerhalb der Familie ist entsprechend angespannt, da war es für eine Weile die beste Lösung, sie einfach zu mir zu nehmen." „Hast du noch Kontakt zu deinen Eltern?", fragte sie ruhig. „Zu meinem Vater nicht, zu meiner Mutter gelegentlich, aber sehr distanziert. Das ist recht kompliziert." Felicia lächelte, schob sich gemütlich in sein Kopfkissen: „Erklär es mir", bat sie. Perplex sah er sie an, ihr ehrliches Interesse schien ihn zu irritieren, sodass er kurz zögerte, sie eingehend musterte, bevor er weitersprach: „Ich bin meinem Vater in vielerlei Hinsicht sehr ähnlich. Ich kann sein damaliges Verhalten nicht gutheißen, aber aus heutiger Sicht kann ich es zumindest ein wenig nachvollziehen. Für meine Mutter natürlich ein Schlag ins Gesicht." „Du hast deinen Vater also in Schutz genommen?". Kolja schüttelte zaghaft den Kopf „Ich wollte ihr lediglich aufzeigen, dass eine Medaille zwei Seiten hat, sie darüber nachdenkt, dass vielleicht auch er seine Gründe hatte." Felicia sah ihn aufmerksam an: „Weil du in der gleichen Situation warst?". Er nickte knapp. „Dass ich ihrer Wunschschwiegertochter das angetan habe kann sie bis heute nicht fassen, wie ich den gleichen dummen Fehler machen konnte, wie mein Vater damals. Die wenigen Treffen, die es zwischen uns noch gibt, enden grundsätzlich im Streit. Muriel ist Thema, mein Vater ist Thema, mein unterirdisches Verhalten ist Thema. Kompliziert trifft es ganz gut."


Kolja hatte sich selbst überrascht. Wieso hatte er all das erzählt? Er konnte sich nicht daran erinnern, wann er das letzte Mal mit Jemandem über seine Vergangenheit und seine damit verbundene familiäre Situation gesprochen hatte. Er sah zu Felicia, welche ihm offensichtlich aufmerksam gelauscht hatte. Sie überlegte: „Murliel ist die Ex-Freundin?", versuchte sie weiter zu folgen. Diese Frau war unglaublich. Wie sie da selbstverständlich nur in Unterwäsche neben ihm lag, die Decke bis zur Hüfte gezogen, den Kopf in sein Kissen gegraben und ihn dabei konzentriert betrachtete. Er nickte lächelnd. „Wie lange wart ihr zusammen?", hakte sie weiter nach. „Ungefähr zwei Jahre", schätzte er. Felicia lächelte verschmitzt: „Rätst du grade?". Er zuckte lachend mit den Schultern: „Ich weiß es tatsächlich nicht mehr", gab er ehrlich zu. „Weißt du denn genau, wie lange deine letzte Beziehung war?", hakte nun er nach und sah sie erwartungsvoll an. Sie lächelte verschmitzt: „1 Jahr und 4 Monate." Er nutzte seine Chance. „Woran ist sie gescheitert?", wollte er neugierig wissen. „Du drehst den Spieß grade um", stellte sie grinsend fest. Kolja zuckte lediglich mit den Schultern: „Habe ich nicht das Recht auch etwas über dich zu erfahren?". Seine Gegenüber schwieg einen Moment, bis sie das Wort ergriff: „Es haben viele Faktoren eine Rolle gespielt", begann sie. „Eifersucht, Unverständnis, sexuelles Desinteresse." „Sexuelles Desinteresse seinerseits?", hakte er verständnislos ein. Felicia lachte: „Nein, von meiner Seite. Mir hat der Reiz gefehlt". Kolja hob eine Augenbraue. „Wenn mich meine Kunden mehr reizen, als mein eigener Partner läuft etwas schief", fuhr sie erklärend fort. „Hat ein ich sage mal normales Sexleben neben deinem Job überhaupt Platz?", fragte er direkt. Felicia hob die Schultern: „Natürlich" begann sie selbstverständlich. „Nicht jeder Kunde möchte Sex und nicht jeder Sex ist befriedigend. Ich kann keineswegs sagen, dass mich mein Beruf in sexueller Hinsicht so ausfüllt, dass ich privat darauf verzichten würde. Im Gegenteil, ich lege im privaten Bereich vermutlich sogar noch mehr wert darauf." Er zögerte kurz: „Ist das der Grund, warum du dich privat mit mir triffst?", stichelte er mit einem Schmunzeln. Felicia schob sich näher an ihn heran. „Grade wohl eher nicht", grinste sie überlegen, überwand den kleinen Abstand zwischen ihnen und legte ihre Lippen mit einer unfassbaren Sinnlichkeit auf die Seinen.


Zwei Leben - Eine GeschichteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt