Kapitel 12: Noah

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Ich wollte nicht lügen. Er soll wissen, was diese Mail mit mir gemacht hat. Angst. Das hat sie mir gemacht. Die Vorstellung, dass ich zum Einstein zurück komme, und Colin plötzlich nur noch im Unterricht oder im Flur treffen würde, macht mir so eine scheiß Angst. Und oben drauf setzt sich noch lachend die Eifersucht, wenn ich mir vorstelle, dass da ein anderer Typ anstelle von mir mit ihm das Zimmer teilt. Am besten noch einer der neuen Mitschüler. Komme ich im schlimmsten Fall doch noch zur Erfüllung meiner Surferboy Fantasie!
Endlich antwortet er.
"So geht es mir auch..."
Und schon kurz darauf:
"Ich hoffe das ist okay."
"Klar", ist alles, was ich in dem Moment als Antwort hinbekomme, dabei will ich eigentlich sagen: Es würde mein Herz brechen, wenn es anders wäre!
Ich fahre mir über die Haare. Mein buzz cut wandelt sich langsam in einen under cut. Bis ich mir die Haare aber wenigstens wieder zusammen binden kann, wird es wohl sicher bis zum Winter dauern. Wer Fehler macht, muss eben manchmal ein bisschen Geduld an den Tag legen, bis er sie wieder bereinigt hat, und wenn man sich einen cut erlaubt, dann dauert es mitunter, bis die Dinge wieder wachsen. Das ist vielleicht mit Haaren wie mit Menschen.

Die letzten Wochen habe ich viel darüber nachgedacht, wie das mit Colin und mir weitergehen soll, und ich bin zu der Erkenntnis gekommen, dass ich ihm gerne ein paar Dinge sagen würde. Ich will ihm wenigstens in Teilen erklären, wer ich bin, warum ich ihn abgeblockt habe, bei jeder Annäherung die er mir entgegen gebracht hat. Denn ein Gedanke hat mich die letzte Zeit nicht losgelassen, und zwar der, dass er anfangen könnte an sich zu zweifeln. Dass er meinetwegen denken könnte, mit ihm sei etwas nicht in Ordnung. Außerdem ist Colin einfach jemand, der Dinge gerne begreift. Ein Weltversteher. Und mich hat er vermutlich nicht so richtig verstanden. Was ich ihm nicht verübeln kann. Ich werde ihm dafür vermutlich ein bisschen was über mich und über diese Familie erzählen müssen, und ich weiß noch nicht, zu wie viel Details ich da bereit bin, aber Hauptsache ist für mich, dass er sich nicht von mir abgelehnt fühlt. Denn wie sich das anfühlt, weiß ich selbst viel zu gut.

Ein Stein ist hart zu brechenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt