Ich sitze wieder an einem der PCs in der Bibliothek. Daneben liegt mein tablet, ein Block und mehrere Bücher, die sich zu einem wackeligen Turm stapeln.
Plötzlich taucht Noah neben mir auf, zieht den benachbarten Stuhl zur Seite, dreht ihn um, und setzt sich so darauf, dass die Lehne vor seinem Körper ist. Er stützt beide Arme darauf ab und sieht mich erwartungsvoll an. Ich lächle kurz, wende mich dann aber wieder dem Bildschirm vor mir zu.
"Ich habe nachgedacht", sagt er, mit einem gewissen Triumph in der Stimme.
"Über? Klimawandel? Ob wir im Universum alleine sind? Strategien zum Weltfrieden?", frage ich und schaue ihn grinsend an.
"Nein. Darüber, dass wir uns viel häufiger küssen sollten. Beinah immer wenn uns danach ist."
Ich muss kurz auflachen.
"Okay?!"
Mit seinem Schuh stupst er gegen mein Stuhlbein.
"Was sagst du dazu?"
"Zum küssen? Willst du hoch aufs Zimmer gehen? Ich könnte eh eine Pause hiervon gebrauchen."
Er rollt mit den Augen.
"Dafür, dass du der klügste Mensch bist den ich kenne, stehst du manchmal ganz schön auf dem Schlauch. Ich rede doch gerade davon, uns zu küssen wenn wir wollen. Also zum Beispiel auch in Bibliotheken", er hebt den Kopf und schaut sich theatralisch um. "Oder im Aufenthaltsraum. Nicht im Matheunterricht, das wäre komisch. Aber bei Spaziergängen. Oder im Kino."
"Häh? ", frage ich einfallsreich.
"Wow, das mit dem auf dem Schlauch stehen nimmst du heute aber ausgesprochen ernst, oder?"
"Ich. Ähm. Ich denke ich weiß schon, was du meinst. Ich bin nur...Überrascht?"
"Ist das eine Frage? Weil ich kann dir nicht sagen, wie du dich fühlst. Fühlst du dich überrascht?"
Ich muss grinsen.
"Dir macht das hier irgendwie Spaß, kann das sein?"
Er nickt, und lehnt sich schmunzelnd nach vorne, setzt sein Kinn auf den Händen ab, die noch immer auf der Stuhllehne aufgestützt sind. Sein Gesicht ist nur noch wenige Zentimeter von mir entfernt. Ich habe die letzten Tagen häufig darüber nachgedacht, ob wir das mit uns nicht wenigstens bei unserem Freundeskreis im Einstein offiziell machen könnten. Dass dieser Vorschlag allerdings von ihm kommt...Ja, das überrascht mich schon.
Ohne darüber nachzudenken ob jemand in der Bibliothek von uns Notiz nehmen könnte, streife ich sanft über die kurz rasierten Haare in seinem Nacken. Kurz schließt er genüsslich die Augen. Ich weiß, er mag es im Nacken oder am Hals berührt oder geküsst zu werden.
"Hast du dir das gut überlegt?", frage ich zart.
"Ich sagte doch. Ich habe NACHGEDACHT." Er öffnet die Augen, sieht mich verstohlen an und grinst.
"Wir sollten trotzdem gewisse Regeln festlegen."
"Super, Regeln. Da bin ich gut drin", sagt er und reibt sich die Hände.
"Bist du nicht!"
"Nein, bin ich nicht."
"Wir sollten ein bisschen zurückhaltend sein."
Jetzt sieht er beinah verletzt aus.
"Wegen unseres Zimmers", sage ich schnell.
"Wir sind nunmal zwei Jungs die sich ein Zimmer teilen. Wenn die Schulleitung das von uns mitbekommt, dann vermute ich mal, dass sie uns in getrennte Zimmer packt."
"Oh." Ihm scheint gerade aufzugehen, dass er das nicht auf dem Schirm hatte.
"Das heißt aber nicht, dass wir uns nur in unserem Zimmer küssen können. Aufenthaltsraum? Ja. Kino? Yes. Bibliothek?"... Ich schaue mich um, und bis auf eine einzelne Schülerin, die über einem dicken Atlas hängt ist niemand hier.
Und ohne noch einen Gedanken daran zu verschwenden, ob irgendwo auf dieser Welt Menschen existieren, die ein Problem damit haben könnten, was Noah und ich sind, oder was wir füreinander empfinden, greife ich fester in seinen Nacken, lehne mich ihm entgegen und lege meine Lippen auf seine.
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Ein Stein ist hart zu brechen
RomanceDas ist eine queere Fanfiction zu Colin und Noah aus der kika Serie Schloss Einstein. Man kann die Geschichte aber auch ohne Serienwissen lesen. Noah kam in diesem Schuljahr neu auf das Internat. Er ist ziemlich geheimnisvoll zu Beginn und verschlos...