Kapitel 52: Noah

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*** 4 Wochen später ***

"Noah!" Julias Stimme lässt mich kurz zusammen fahren. Dieses Mädchen kann echt streng sein, wenn es um ihre Deko geht. Die vergangenen Wochen durften wir schon Blumen sammeln und kopfüber zum trocknen im Geräteschuppen aufhängen, irgendwelche alten Stoffe zurechtschneiden und Sitzbänke zusammen schreinern.
Aktuell stecke ich bis zu den Oberarmen in einem Kürbis. Alles an mir riecht danach, meine Hände sind orange und mein T-Shirt gesprenkelt mit Fruchtfleisch.
Es wird gefühlt eine Tonne Kürbissuppe gekocht. Außerdem Kürbis Flammkuchen, Kürbiskekse und Kürbisbrot gebacken. Wenn dieses Herbstfest vorüber ist werde ich das Zeug nicht mehr sehen können.
Colin grinst mich von zwei Tischen weiter amüsiert an. Er sortiert Kerzen in alte Einmachgläser. Das nenne ich mal unkomplizierte Arbeit.
Auch wenn diese Wochen mit dem Feierkommitee anstrengend waren, ich freue mich auf das Herbstfeuer, und eigentlich auch darauf, Colin's Eltern kennen zu lernen. Aber da sitzt auch ein kleiner nölender Mann in meinem Ohr, der mir ständig vorbetet, dass sie mich nicht mögen werden.
Colin und ich halten uns nach wie vor zurück, was Nähe in der Öffentlichkeit angeht, aber die Tatsache, dass wir vor unseren Freunden offiziell ein Paar sind fühlt sich gut an, und ich erwische mich immer wieder bei Gedanken an eine Zukunft. An eine Zeit nach der Schule, wenn wir hoffentlich noch zusammen sind und vielleicht gemeinsam in eine Wohnung ziehen oder studieren gehen. Jetzt, wo wir uns immer mehr der Oberstufe nähern, fangen diese Themen an langsam Bedeutung zu bekommen. Manche von uns haben ganz klare Visionen von dem was sie mal vorhaben. Ich selbst bin diesbezüglich planlos. Aber noch setzt mich das nicht unter Druck. Vielmehr bin ich neugierig auf das Leben nach der Schule. Colin und ich, wir leben hier wie in einer Art Kokon. So ein Internat ist ein Kosmos für sich. Ich will aber so gerne wissen, wie das Leben danach weiter geht. Wenn Colin und ich uns vor niemandem mehr verstecken, uns niemand verbieten kann im selben Zimmer zu schlafen, wir unser eigenes Geld verdienen, und ich mich endlich von meinem Vater lossagen kann. Ich kann's nicht erwarten, dass dieses Leben beginnt.

Ein Stein ist hart zu brechenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt