Kapitel 42: Noah

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Colin sitzt auf meinem Bett. Vor sich eine offene Packung Chocolate Chips Cookies und eine mit Gummibärchen. Ich habe uns in der Küche noch zwei Gläser Kakao geholt, und stelle diese auf dem Nachttisch ab, dann setze ich mich im Bett ihm gegenüber. Ich greife nach einem der Gläser und halte es ihm unter die Nase. Er nimmt es lächelnd entgegen.
"Danke Mama", sagt er grinsend.
"Wenn schon dann Daddy", sage ich und zwinker ihm zu, wobei er sich fast kurz an seinem Kakao verschluckt.
Er räuspert sich, und fegt ein paar Kekskrümel von meiner Bettdecke.
"Ich habe einen Artikel gelesen, indem queere Jugendliche und junge Erwachsene zu den negativen Erfahrungen mit der eigenen Familie interviewt wurden", sagt er dann und schaut mich an.
"Da berichtet zum Beispiel eine Frau, dass sie, obwohl sie irgendwann mit ihrer Familie gebrochen hat, weil sie sie nicht akzeptiert haben, heute als Erwachsene im Restaurant immer noch Angst hat die Hand ihrer Verlobten zu halten."
Ich schaue ihn an, und weiß nicht, was ich ihm dazu sagen soll. Also greife ich nach seiner Hand und zieh sie an meine Lippen. Er beobachtet aufmerksam, wie ich jedem seinem Finger einen sanften Kuss gebe.
"Ich werde deine Hand immer halten, solange du das möchtest", und dann umschließe ich flink seinen Mittelfinger mit meinem Mund und sauge einmal daran.
Er atmet mit einem zischenden Geräusch ein, und dann lehnt er sich plötzlich vor, greift in meinen Nacken und küsst mich. Ich kann den Kakao auf seinen Lippen und seiner Zunge schmecken, und beginne daran zu saugen. Er atmet tief an meinem Mund, als ich seine Zunge langsam aus meinem Mund gleiten lasse. Dann lehnt er sich wieder zurück, und entzieht sich mir.
"Irgendwie habe ich das Gefühl, du versuchst mich abzulenken."
"Funktioniert es?", frage ich grinsend.
Zur Antwort wirft er mich mit einem Gummibärchen ab, das ich mir schnappe und in den Mund schiebe.
"Hast du dich schon mal geoutet?", fragt er mich schließlich. "Ich meine, ich habe da noch gar nicht so richtig drüber nachgedacht. Als ich Julia von dem Kuss erzählt habe, da kam das einfach als eine ganz normale Info von mir. Aber jetzt denke ich schon drüber nach. Ich bin mir ziemlich sicher, dass meine Eltern zum Beispiel kein Problem damit hätten. Aber die Vorstellung, dass wenn ich mit einem Jungen zusammen bin, früher oder später immer wieder Outings durchleben muss. An der Uni, bei neuen Freund*innen. Das nervt mich."
Ich bin erleichtert, als er sagt, dass seine Eltern vermutlich kein Problem damit haben werden, und im selben Atemzug hoffe ich, dass sie mich auch mögen werden.
"Ich denke, dass es oft vielmehr dort ein outing im klassischen Sinne ist, wo man auf Leute trifft, für die queeres Leben noch etwas ist, mit dem sie nur wenig in Berührung gekommen sind. Du wirst also nicht immer in so eine Situation kommen, dass es sich wie was gezwungenes oder eigenartiges anfühlt."
"Ein Grund mehr, dass es hoffentlich bei immer mehr Menschen einfach als vollkommen normal angesehen wird."
Ich nicke, und streiche ihm kurz mit meinem Daumen gedankenverloren über die Unterlippe.
"Du überlegst es deinen Eltern zu erzählen?", frage ich schließlich.
Er nickt. "Ja. Sie kommen im September zum Herbstfeuer. Ich würde ihnen gerne vorher von dir erzählen, wenn das ok für dich wäre. Ich würde ihnen auch sagen, dass sie das erstmal für sich behalten sollen, wenn das deine Sorge ist."
Dass Colin solche Gedanken hat schmerzt mich mehr als erwartet. Ich will nicht, dass er sich durch mich eingeschränkt fühlt.

Ein Stein ist hart zu brechenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt