Kapitel 35: Noah

1.8K 72 11
                                    

Ich bin froh, dass ich kurz ein bisschen Abstand zwischen uns bringen kann, solange Colin duscht. Nur noch mit schwarzen trunks bekleidet, setze ich mich auf den Schreibtisch vor dem Bad, und stelle meine kalten Füße auf einem der zwei Stühle davor ab.
Dann lasse ich meinen Kopf zwischen meine Hände sinken. Dieser Kuss glüht noch in mir nach, immer noch kann ich ihn an meinen Lippen spüren. Ich fühle mich einerseits so erleichtert, weil dieser Wunsch in mir schon so lange präsent war. Gleichzeitig kämpfen sich aber auch Erinnerungsbilder in mein Gedächtnis. Bilder, die mir Angst machen.
Ich weiß nicht, ob Colin und ich in naher Zukunft das sein können, was er sich vermutlich erhofft.
Ich höre, wie das Wasser ausgestellt wird. Nur wenig später öffnet sich die Badezimmertüre, und Colin tritt aus einer Dampfwolke, die nach Zitrone und Bergamotte duftet hinaus. Er trägt nur ein Handtuch um die Hüften, und ich würde lügen, wenn das in meinem Kopf keine Phantasien in Gang setzen würde.
Er lächelt unsicher. "Das tut echt gut. Du kannst dich auf was freuen."

Wenig später komme auch ich frisch geduscht aus unserem Bad. Ich laufe, ebenfalls mit einem Handtuch um die Hüften, in Richtung unseres Kleiderschranks. Beim vorüber gehen sehe ich Colin in einem Jogginganzug auf dem Bett liegen und aus dem Dachfenster schauen. Ich ziehe mir auch schnell frische Boxer, eine Jogginghose und ein Shirt über, dann gehe ich in unsere kleine Ecke mit den Betten. Er blickt mich an, und nur kurz überlege ich, ehe ich auf sein Bett zusteuere. Er rutscht lächelnd zur Seite, und ich lege mich neben ihn. Beide schauen wir den Regentropfen dabei zu, wie sie auf unserem Dachfenster tanzen. Der Regen hat inzwischen nachgelassen, aber noch immer nicht aufgehört.
Plötzlich spüre ich Colin's Hand an meiner, und fühle mich zurück versetzt in einen Moment im letzten Schuljahr, als wir in einer ähnlichen Position nebeneinander in den Himmel geschaut haben. Damals habe ich ihn noch abgewiesen. Heute nehme ich seine Hand in meine, und drücke sie kurz. Dann streiche ich mit meinem Daumen sanft über seine Haut.
Ich weiß, dass die Zeit, die vor mir, und letztlich auch vor ihm liegt, vermutlich nicht leicht wird. Spätestens, wenn ich mit ihm über meinen Vater und den Grund für meinen damaligen Schulwechsel spreche. Aber dennoch hat dieser Kuss vorhin etwas in mir verändert. Die Tatsache, dass ich mich getraut habe, das zu tun, was sich normal und richtig angefühlt hat, hat in mir ein Gefühl von Zuversicht zurück gelassen. Ich habe erkannt, dass es nur zu Teilen das Einstein selbst ist, das sich für mich wie ein sicheres Zuhause anfühlt. Viel mehr noch, ist es der Junge neben mir, der für dieses Gefühl verantwortlich ist.

Ein Stein ist hart zu brechenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt