Kapitel 61: Colin

1.2K 65 0
                                    

3 Monate später...

Ich glaube Noah war ein bisschen überfordet, als er gestern über die Türschwelle meines Elternhauses getreten ist. Zu meiner Verteidigung sei gesagt, dass ich ihn vorgewarnt hatte, dass diese Familie echt auf Weihnachten steht! Na gut, ich habe das ganze vielleicht nicht im Detail erläutert. Und als er dann den großen Baum, die Girlanden, den lebensgroßen Santa, die Lichterketten, Plätzchenberge, Weihnachtsmützen und die Partnerschlafanzüge sah, da hatte er vielleicht kurz bereut, dass er Weihnachten mit mir nach Hause gefahren ist.
Gestern Abend war er erschöpft auf dem Sofa im Wohnzimmer eingeschlafen, nachdem ihm erst das Weihnachtsknusperhaus meiner Eltern vermutlich eine Reizüberflutung beschert hat, und dann auch noch ein späteres Telefonat ihn einfach für den Tag über aufgebraucht hatte.
Ich habe ihn erstmal schlafen lassen, und mich mit meiner Mutter in die Küche gesetzt. Dort haben wir auf meinem Laptop "tatsächlich Liebe" angeschaut. Sie hat nebenbei einen Christstollen gebacken, und ich habe Noahs Geschenk verpackt. Ich habe ihm einen kleinen Beamer gekauft. So kann er seine Horrorfilme wie in einem kleinen Kino an die Wand projizieren.
Später, als es schon dunkel war, habe ich ihn dann geweckt, und wir sind nach oben in mein Zimmer.
Lange lagen wir einfach still beieinander, ich eng an ihn gekuschelt in seinem Arm. Sein Daumen strich ruhige Kreise auf meinem Rücken.
"Letzte Weihnachten lag ich hier und habe ständig über dich nachgedacht. Über den neuen in meinem Zimmer, der mich immer abblockt, wenn ich mit ihm spreche", sagte ich schmunzelnd. "Niemals hätte ich zu der Zeit vermutet, dass ich mich dabei war in dich zu verlieben. Und noch weniger erwartet hätte ich wohl, dass du nur ein Jahr später hier neben mir liegst. Als mein Freund."
Er schweigt.
"Und als ich im Sommer hier war, nachdem ich dich geküsst hatte, da dachte ich manchmal ich verliere den Verstand wegen dir. Einerseits hattest du mir einen Korb gegeben, andererseits hast du dann manchmal Nachrichten geschrieben, die mir Schmetterlinge im Bauch gemacht haben
Ich wusste einfach nicht, was du fühlst."
Ich seufze bei der Erinnerung daran. Inzwischen fühlt sich diese Erfahrung so weit weg an.
"Ich wusste glaube ich schon eine Weile, was ich fühle, ich habe nur damit gestruggelt es mir einzugestehen", sagt Noah leise in die Dunkelheit um uns herum. "Du warst eher wie ein geheimes Zimmer, ein Raum den nur ich kannte und zu dem nur ich Zugang hatte. Du warst meine erdachte Zuflucht, aber eben auch eine unerreichbare Phantasie. Alles was ich mir in diesem Zimmer erträumt hatte, von mir und dir, das war so weit entfernt von einer möglichen Realität, dass ich jetzt manchmal noch zweifle, ob all das wirklich wahr ist."
Ich drehe mich noch näher an ihn heran. Inzwischen ist mir alles an ihm so vertraut. Sein Geruch und das Gefühl seiner Haare an meinem Gesicht. Die Art wie mein Kopf direkt in die Kuhle seines Halses zu passen scheint, und wie seine Lippen schmecken.
"Dieses Zimmer von dem du gesprochen hast", sage ich schließlich. "Wenn ich überlege, wie oft ich mir abends erlaubt habe in eine Traumwelt abzudriften, um dir dort einfach nahe zu sein. Ich glaube, wir haben uns diesen Raum schon damals miteinander geteilt, nur ohne es zu wissen."

Ein Stein ist hart zu brechenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt