Ein Stein ist hart zu brechen

Kapitel 47: Colin

Noah atmet scharf die Luft ein. Er sieht mich an wie ein Hirsch, der auf einer Landstraße erschrocken in die Lichter eines heran rasenden Autos sieht.
Aber das Gespräch mit meiner Mutter hat mir das gerade ganz deutlich gezeigt: Wir müssen Menschen haben, die uns sagen, dass wir gut sind wie wir sind. Menschen, denen wir vertrauen, und die da sind und uns beschützen.
Er schluckt schwer. Der Blick, mit dem er mich ansieht erinnert mich daran, wie ich mich fühle, wenn ich vor einer schier unlösbaren Mathematikaufgabe stehe.
Ich strecke meine Hand aus, und streiche über seine Wange. Mein Daumen zieht eine zarte Bahn über seinen Mund und über sein Kinn. Er sitzt einfach nur da, ohne sich zu rühren.
"Hast du einen Schlaganfall?"
Er blinzelt.
"Ah, okay. Reflexe. Ich war kurz verwirrt."
Er lacht nicht.
"Was ist passiert?", fragt er mich nochmal. Dieses Mal klingt er ernst.
"Nichts schlimmes", sage ich sanft. "Ich habe meiner Mum von uns erzählt. Und... Als sie das einfach als eine schöne Info angenommen hat, und mir gesagt hat, dass sie mich liebt, da..." Ich halte inne. Ich kann sehen, wie Sorge regelrecht körperlich von ihm abfällt, wie seine Schultern sich entspannen.
Ich weiß nicht, wie ich das sagen kann, ohne ihn zu verletzen. "Tut mir leid", flüstere ich leise.
Er lächelt jetzt leicht.
"Warum? Das ist gut so. Und richtig. Es ist, wie es eigentlich sein sollte. Das sollte dir nicht leid tun."
"Aber ich dachte in dem Moment... Wie schlimm es gewesen sein muss, dass du das mit deinem Vater so anders erlebt hast. Ich will einfach, dass du weißt, wie wichtig du bist. Für mich. Für die Welt."
Er schmunzelt. Ich sehe da eine gewisse Traurigkeit in seinen Augen, und ich denke das ist okay. Denn es ist traurig, dass ihm dieses Gefühl gegeben wurde.
"Nur um das klar zu stellen, Colin Thewes", sagt er schließlich, und grinst. "Ich bin auch ganz schrecklich in Sie verliebt."