•einundneunzig•

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Ich war so verblüfft über die Anwesenheit der Frau, dass ich meine Mimik nicht mehr im Griff hatte. Mein Mund stand leicht offen und meine Augenbrauen zusammengezogen. Das verbesserte sich auch nicht, als sie sich dicht neben den König stellte, der daraufhin seinen Arm um ihre Hüfte legte.
"Ich befürchte, nicht jeder würde deiner Aussage zustimmen, meine Liebe."
Ich fühlte mich etwas fehl am Platz, als der König seinen Kopf drehte, bis er seine Nase an dem Hals der Frau reiben konnte. Starr richtete ich meinen Blick auf einen Punkt an der Wand.
"Das ist dann wohl der Grund, warum du kein vollkommen gerechter Herrscher sein kannst", entgegnete sie und schreckte nicht im Geringsten davor zurück, dem König im Beisein aller Widerworte zu geben.
"Ich richte den Großteil meiner Liebe nun einmal dir, da bleibt nicht viel Platz für alle anderen."
Die Frau lachte. "Das klingt sehr nach einer Ausrede."
Statt einer Antwort hauchte er ihr einen Kuss auf den Mund. Das war der Moment, in dem ich entschied, dass ich meinen Blick auf etwas vollkommen anderes richten sollte, das mir nicht das Gefühl gab, in etwas Intimes hereinzuplatzen.

Es fiel mir leicht, eine Wahl zu treffen. Ich schaute stattdessen einfach zu Kian. Dem ging es wohl ähnlich wie mir. Sein Kopf war ebenfalls gesenkt. Ich sah ein leichtes Grinsen in seinen Mundwinkel, als amüsierte ihn das Verhalten der beiden sehr.
Als der König sich nach ein paar Sekunden räusperte, hielt ich es für sicher, wieder zu ihm zu sehen. Er als auch die Frau blickten mich an, wobei letztere lächelte.
"Es freut mich sehr, dich wiederzusehen." Sie kam auf mich zu und streckte mir die Hand hin, die ich etwas verblüfft ergriff.
Ich war nicht die Einzige, die von ihrem Verhalten äußerst schockiert war.
Der König schien nicht überrascht von ihrer Geste. "Dann muss ich Ihnen meine Frau, die Königin, wohl nicht näher vorstellen."
Ich schluckte schwer. Heilige Scheiße. Ich hatte mich unbewusst mit der Königin unterhalten gehabt. Ich hätte ja mit allem gerechnet, aber sie ausgerechnet hier wieder zu treffen, überstieg selbst meine Fantasie.

Ein leichtes Ziehen an meiner Hand ließ mich den Blick zu Kian wenden. In seinem Gesicht konnte ich mehrere Fragezeichen erkennen, auf die ich allerdings nur mit einem Schulterzucken reagieren konnte.
"Wir waren gerade dabei, über Ms Kelmans Zukunft zu sprechen", informierte der König seine Frau, die meine stumme Konversation mit Kian interessiert verfolgt hatte.
"Ganz recht", stimmte Yadier ihm zu. "Lilith hatte uns gerade erzählt, weswegen sie eine Gefahr für uns darstellte."
Idiot.
"Geht es ihm besser? Demjenigen, für den du Hilfe gesucht hattest?", fragte die Königin und überging Yadier damit völlig.
Ich konnte nicht anders, als zu lächeln, während ich an Cody dachte und dass ich gestern mit ihm draußen gewesen war. Wir hatten uns endlich mal wieder auf einen etwas längeren Spaziergang gewagt. Zwar waren wir nicht sehr schnell unterwegs gewesen, aber ich hatte keine Eile.
"Ja, vielen Dank."

"Ich möchte die Gelegenheit nutzen, um etwas deutlich zu machen, wenn ich dürfte." Rick hatte wohl aus seinen Fehlern gelernt und sprach erst weiter, als der König ihm mit einem Kopfnicken die Erlaubnis gab, weiterzureden. "Lilith wird nicht gegen uns vorgehen. Sie wird Sie nicht hintergehen. Ich kann verstehen, wenn Sie ihren Worten nicht trauen können. Deshalb garantiere ich dafür, dass Lilith Ihnen treu bleibt."
Ich runzelte die Stirn. Mir war klar, dass Rick sich gerade für mich quasi ins Feuer warf, doch mir gefiel seine Formulierung überhaupt nicht.
"Wenn mit Treue gemeint ist, dass ich Ihnen nicht schaden werde, dann stimme ich dem zu. Obwohl ich selbst dann niemanden benötige, der auf mich aufpasst. Zu mehr werde ich allerdings nicht zustimmen. Deswegen bin ich hier. Um Ihnen das deutlich zu machen."
"Sehen Sie?", meinte Yadier eindringlich zum König. "Sie hat nicht vor, mit uns zusammenzuarbeiten. Wahrscheinlich wartet sie nur darauf, uns schaden zu können."
Dann platzte mir der Kragen. "Hören Sie sich eigentlich selbst reden? Ich habe doch vor zehn Sekunden erst gesagt, dass ich das nicht tun werde. Warum sind Sie bloß so besessen davon, mich schlecht da stehen zu lassen? Ich habe Ihnen doch nie etwas getan."

Zwischen Liebe und LügenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt