Die feuchten Gipsstreifen fühlen sich unangenehm kühl auf meiner Haut an. Der schmächtige Assistenzarzt, der immer wieder unsicher zu mir hochschielt, trägt Lage um Lage, Schicht um Schicht auf. Bald werden sie erhärten, und mein Fuß wird für sechs Wochen unbeweglich sein. Und Duschen geht dann nur noch mit Plastiktüte. In anderen Worten: Der Sommer ist gelaufen.
„So, geschafft." Sichtlich erleichtert atmet er auf. „Dr. Vega kommt später nochmal vorbei zur Nachkontrolle."
Der Name lässt mich beinahe zusammenzucken. Ich kann es mir nicht genau erklären, aber der Gedanke, ihm wieder zu begegnen – zum ersten Mal seit der OP – weckt gemischte Gefühle in mir.
Meine Erinnerungen enden damit, dass ein Paar kastanienbrauner Augen mich im OP-Saal davor bewahrt hat, in Panik zu verfallen. Danach? Nichts. Nada. Niente. Die Minuten, vielleicht sogar Stunden nach der Operation liegen unter einem dichten Nebel. Kompletter Filmriss. Meine erste klare Erinnerung ist die, dass ich allein in meinem Zimmer aufgewacht bin. Nicht mal Karl-Heinz war da.
Leider werde ich das dumpfe Gefühl nicht los, dass die fehlenden Stunden etwas mit Sebastián zu tun haben.
Andererseits, je eher Sebastián nach mir sieht, desto schneller kann ich nach Hause und mich mit meinem Sofa vereinen.
„Ich gebe Ihnen schon mal die hier", reißt mich der Assistenzarzt aus meinen Gedanken und hält mir umständlich ein Paar Krücken hin. Ich nehme sie entgegen und höre nur halb zu, wie er mir die Kaufoptionen erläutert. Als ob ich die Dinger nicht schnell genug loswerden wollte.
Nachdem ich ihm versichert habe, dass ich darüber nachdenke, flüchtet er aus dem Behandlungszimmer, sichtlich froh, seinen Job erledigt zu haben.
Ein älterer Pfleger mit schwarzer Nickelbrille holt mich mit dem Rollstuhl ab und bringt mich zurück in mein Zimmer, wo Karl-Heinz mich freudestrahlend empfängt.
Gut, vielleicht nicht freudestrahlend. Zumindest empfängt er mich zur Abwechslung mal nicht mit einem abfälligen Blick. Es sind die kleinen Dinge. Vielleicht ist er aber auch zu sehr damit beschäftigt, die Zigarette in seiner Hand verschwinden zu lassen, bevor der Pfleger sie bemerkt. Der Dunst im Zimmer ist unverkennbar. Während mir der Pfleger ins Bett hilft, schnuppert er in der Luft.
„Herr Borchert, also wirklich! Wie oft soll ich es Ihnen noch sagen? Das hier ist ein Krankenhaus. Rauchen ist hier verboten!"
„Das hier ist ein Krankenhaus", äffte Karl-Heinz ihn nach. „Ha! I wusst ned, dass des hier au die Spaßpolizei isch." Ich unterdrücke ein Grinsen.
Der Pfleger, offenbar an Karl-Heinz' Level an Höflichkeit gewöhnt, verdreht nur die Augen, öffnete das Fenster und durchsuchte erfolglos den Nachttisch nach weiteren Zigaretten.
Karl-Heinz macht ein unschuldiges Gesicht, bis der Pfleger seine Suche zähneknirschend aufgibt und das Zimmer verlässt. Kaum ist die Tür zu, zieht Karl-Heinz selbstgefällig eine Zigarette und ein Feuerzeug hervor – Gott weiß, wo er die versteckt hatte –, zündet sich genüsslich eine an und inhaliert tief. Langsam lässt er den Rauch ausströmen und seufzt zufrieden.
„Haben Sie denn gar keine Angst?", platzt es plötzlich aus mir heraus.
Wo kam das denn her? Eigentlich mische ich mich nie in die Angelegenheiten anderer ein.
Ist klar, Lena...
Karl-Heinz ist über meinen Ausbruch wohl ebenso überrascht wie ich. Halb irritiert, halb amüsiert hebt er die Augenbrauen.
„Mädle, wenn du erscht mal so alt bisch wie i, dann hättsch a koi Angschd mehr."
„Potenziell ein Bein zu verlieren, macht Ihnen also gar nichts aus?"
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Between Heartbeats
Romance***Band 1 abgeschlossen*** Lena dachte, mit 25 hätte sie ihr Leben im Griff - falsch gedacht. Ein Jogging-Unfall bringt sie nicht nur ins Krankenhaus, sondern mitten in eine Achterbahn der Gefühle. Elias, der arrogante, aber faszinierende Assistenza...