Wo bleiben die beiden bloß? Ein Blick auf mein Handy verrät, dass Pascale und Tom schon mindestens elf, vielleicht zwölf Minuten „kurz" losgegangen sind, um die zweite Runde an der Bar zu holen. Bitte lass die beiden keinen Quickie auf der Toilette schieben. Ich bin einmal unfreiwillig Zeugin davon geworden, wie sich ein Paar in der Nebenkabine vergnügte, und das war eine traumatisierende Erfahrung, die ich niemandem wünsche.
Mein Blick wandert zum gefühlt hundertsten Mal ziellos durch den Raum. Es ist mittlerweile so voll, dass die Menschen dicht an dicht stehen und sich kaum bewegen können. Von Pascale und Tom fehlt jede Spur.
Doch dann tritt eine Gruppe Mädels zur Seite, und plötzlich sehe ich ihn.
Was zum...?!
Mein Magen zieht sich schmerzhaft zusammen, und ich rutsche tiefer in meinen Stuhl.
Man sollte meinen, in einer Millionenstadt wie München könnte man problemlos Menschen aus dem Weg gehen – besonders denen, die man am liebsten komplett aus seinem Gedächtnis löschen will. Aber das Schicksal liebt es offenbar, mir einen Strich durch die Rechnung zu machen. Zum dritten Mal innerhalb weniger Wochen steht er nur ein paar Meter von mir entfernt: Elias. Ernsthaft?! Karma-technisch muss ich irgendwas verdammt falsch gemacht haben.
Elias lehnt lässig an der Bar, vertieft in ein Gespräch mit jemandem, der mir den Rücken zuwendet. Die dunklen Haare kommen mir bekannt vor. Ist das etwa Lukas? Na super. Das könnte Pascale und Toms Plan gehörig durchkreuzen. Doch dann schießt mir ein anderer Gedanke durch den Kopf: Wenn Elias und Lukas hier sind, ist Erik vielleicht auch nicht weit. Mein Blick scannt die Menge auf der Suche nach einem braunen Lockenkopf, doch meine Augen werden magnetisch von einem zerzausten, hellbraunen Haarschopf angezogen.
Die Mädels, die mir den Blick auf Elias freigegeben hatten, schieben sich wieder in mein Sichtfeld. Aber ich kann nicht anders, als meinen Hals verrenken – ganz vorsichtig, damit sie mich bloß nicht entdecken. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich hier hinten nach mir umsehen, ist zwar gering, aber das Desaster wäre vorprogrammiert.
Zum Glück liegt ihre ganze Aufmerksamkeit gerade woanders. Die Mädelsgruppe hat sie ins Visier genommen, umzingelt sie wie eine Horde hungriger Löwinnen, die nach Tagen endlich Beute wittert. Okay, ich kann ihre Gesichter von hier hinten nicht genau erkennen, aber so müssen sie aussehen. Wenig überraschend – Elias und Lukas sind die heißesten Typen hier drin.
Die Dunkelhaarige mit der Lederjacke flirtet mit Lukas, während die beiden anderen Elias anschmachten. Die Blonde zieht ihr Shirt so straff, dass ich mich frage, ob ihre Brüste gleich herausfallen. Ihre Freundin, groß und schlank, betatscht immer wieder Elias' Oberarm – rein zufällig natürlich. Ich schnaube leise. Typen wie Elias genießen diese Art von Aufmerksamkeit wohl in vollen Zügen – das dämliche Grinsen auf seinem Gesicht spricht Bände. Wahrscheinlich fantasiert er sich gerade einen heißen Dreier zusammen, der, so wie es aussieht, nicht mehr lange auf sich warten lässt.
Verärgert wende ich den Blick ab. Wo bleibt Pascale bloß mit den Drinks?
„Leeeena, juhu!", höre ich plötzlich. Mit zerzaustem Haar und geröteten Wangen kämpft sich Pascale die letzten Meter an unseren Tisch, Tom im Schlepptau. Ich kneife die Augen zusammen. Also doch ein Quicke.
„Da seid ihr ja endlich!", rufe ich erleichtert, wobei ich gegen den Lärm aus Musik und Stimmengewirr ankämpfen muss. Als mir auffällt, dass sie mit leeren Händen kommen, lege ich den Kopf schräg. „Wolltet ihr nicht etwas zu trinken holen?"
Pascale macht ein zerknirschtes Gesicht, doch ihre Augen blitzen. „Äh, ja... wir wurden aufgehalten." Ich nicke langsam. Klar.
„Du, Lena...", fängt sie an. Oje, das klingt nicht gut. „Es ist ja schon recht spät, und Tom muss morgen früh raus, also... ich würde ihn jetzt gleich nach Hause begleiten."
Pascale zwinkert Tom verschwörerisch zu, der wenigstens so viel Anstand hat, so zu tun, als täte es ihm leid. „Also nur, wenn das für dich okay ist", fügt sie hastig hinzu, und ihre Augen wechseln zwischen eindringlich (Wehe, du hast was dagegen, Bitch!) und flehentlich (Bitte, ich brauche den Sex heute Abend!) hin und her. Ich stöhne innerlich auf. Natürlich endet der Abend so. Pascales Sexualtrieb: 1, Lena: 0.
„Schon okay", seufze ich und will gerade nach meiner Jacke greifen.
„Tom holt dir aber noch einen Gin Tonic, versprochen!" Bevor ich protestieren kann, hat sich Tom bereits Richtung Bar aufgemacht. „Wenn ich schon eine schlechte Freundin bin und dich hier sitzen lasse, dann sorge ich wenigstens dafür, dass du nicht vor Mitternacht im Bett bist", fügt Pascale hinzu. „Zumindest nicht in deinem eigenen Bett und ohne Begleitung." Sie zwinkert mir zu und lächelt übertrieben unschuldig.
„Außerdem lernt man nirgends so gut Leute kennen wie im Irish Pub. Ich spreche aus eigener Erfahrung" Ja, ganz toll. Ich verdrehe die Augen. Eine Frau allein mit ihrem Gin Tonic in der hintersten Ecke der Bar – ich kann die lange Schlange von Verehrern schon vor mir sehen.
Als Tom mit meinem Drink zurückkehrt, stellt er ihn mit einem entschuldigenden Lächeln vor mir ab. Pascale drückt mich noch einmal fest. „Danke, Lena, du bist die Beste!" Ich erwidere ihre Umarmung. Wenn ich mich beeile, werde ich trotzdem noch vor Mitternacht im Bett sein.
„See ya, Girl!" flötet sie zum Abschied, und schon sind die beiden in der Menge verschwunden.
Kritisch beäuge ich meinen Gin Tonic. Jetzt sind es also nur noch du und ich.
Ich hebe das Glas. Na dann, auf uns.
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Between Heartbeats
Romance***Band 1 abgeschlossen*** Lena dachte, mit 25 hätte sie ihr Leben im Griff - falsch gedacht. Ein Jogging-Unfall bringt sie nicht nur ins Krankenhaus, sondern mitten in eine Achterbahn der Gefühle. Elias, der arrogante, aber faszinierende Assistenza...