E l i a s

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Ein Stich schlechten Gewissens durchzuckt mich. Bin ich zu hart zu ihr gewesen? Habe ich mit meinen letzten Worten übertrieben?

Verärgert über mich selbst runzle ich die Stirn und beschleunige meinen Schritt.

Nein, sie hat es verdient, eine Lektion erteilt zu bekommen. Nach allem, was sie mir angetan hat. Beinahe hätte ich mir einen neuen Ausbilder suchen müssen, und das nur, weil Madame mich verpfiffen hat. Ob sie das aus einer boshaften Laune heraus gemacht hat oder weil sie eine persönliche Vendetta gegen mich führt, weiß ich nicht. Es interessiert mich auch nicht.

Jedenfalls habe ich es ihr heute Abend heimgezahlt. Ich sollte Genugtuung empfinden. Warum fühle ich mich dann so... schmutzig?

Der kühle Nachtwind streicht mir durchs Haar, mein Schritt verlangsamt sich.

Doch als ich vorhin zu ihr gegangen bin... Wie erleichtert ich war, als ich gemerkt habe, dass sie nur betrunken ist. Dass Erik ihr nichts in den Drink gekippt hat. Dieser Mistkerl. Ich kenne Lukas' Mitbewohner lange genug, um zu wissen, dass er gerne Frauen abfüllt und sich ihnen aufdrängt, wenn sie wehrlos sind. Einmal habe ich sogar das Gerücht gehört, dass er KO-Tropfen benutzt. Wenn ich nur Beweise hätte... Ich balle meine Hände zu Fäusten. Nein, ich darf nicht darüber nachdenken. Als ich bemerkt habe, dass er Lena im Visier hat, da habe ich rot gesehen. Bin Erik in die Küche gefolgt und ihm verdeutlicht, dass er seine dreckigen Finger von ihr lassen soll. Dann bin ich ins Wohnzimmer gegangen, um nach ihr zu sehen. So der Plan – bis mich meine Emotionen überkommen haben. 

Diese braunen Rehaugen... wie sie mich angesehen hat, als ich ihr meinen Spruch gedrückt habe. Als hätte ich etwas in ihr zerbrochen. Mit aller Macht musste ich mein höhnisches Grinsen aufrechthalten, obwohl ich sie am liebsten in meine Arme gezogen hätte. Ihr gesagt hätte, dass es nicht so gemeint war. Dass ich es nicht so gemeint habe.

Gut, vielleicht habe ich doch übertrieben. Aber ich konnte ja nicht ahnen, dass sie wirklich scharf auf mich ist.

Ich bin kein Idiot. Ich weiß, welche Wirkung ich auf Frauen habe. Aber normalerweise sage ich ihnen, was ich suche, was sie von mir erwarten können – oder eben nicht. Mit Gefühlen spiele ich nicht. Doch genau das habe ich heute getan.

Nach ihrer Ansage vor ein paar Wochen habe ich angenommen, dass sie mich nicht ausstehen kann. Das hat sie mir mehr als einmal deutlich klargemacht. Was konnte es also schaden, sie ein bisschen anzuflirten und dann fallen zu lassen? Hätte ich gewusst, dass sie etwas für mich empfindet...

Hast du wirklich geglaubt, dass ich dich auch nur mit der Zange anfassen würde?

Meine höhnischen Wörter hallen mir im Kopf.

Dabei könnten sie nicht entfernter von der Wahrheit sein. Sie mag nicht die klassische Schönheit sein, aber ihr Gesicht gefällt mir. Sie hat eine weibliche Figur, diese süßen, leicht zerzausten Locken. Überhaupt ist vieles süß an ihr. Wie sie sich auf die Unterlippe beißt, wenn sie nervös ist. Oder wie ihre Augen blitzen, wenn sie wütend ist, als könnte sie mich mit einem einzigen Blick in Flammen aufgehen lassen.

Aber das spielt keine Rolle. Allein aus Stolz hätte ich nie etwas mit der Frau angefangen, die beinahe meine Karriere ruiniert hätte.

Trotzdem... Was ich über unser Aufeinandertreffen im Krankenhaus gesagt habe, stimmt. Als sie damals hingefallen ist und ihr schwarzer Spitzenslip aufblitzte... Sie hat hinreißend ausgesehen. Auch wenn es ihr natürlich furchtbar peinlich war. Überhaupt hat sie die seltsame Angewohnheit, krebsrot zu werden, als hätte sie zu lange in der Sonne verbracht, wenn ich auch nur in ihre Nähe kam.

Ich beiße die Zähne aufeinander. Heute habe ich ihr einen echten Grund gegeben, rot zu werden. Aber stattdessen wurde sie ganz blass...

Verdammt.

Ich bereue es schon jetzt.

Ich seufze, blicke nach oben in den schwarzen Nachthimmel und biege in die nächste Straße ein.

Between HeartbeatsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt