S i e b e n u n d v i e r z i g

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Die Tür zur alten Stadtvilla knarzt. Als ich eintrete, strömt mir ein vertrauter Hauch von Holzpolitur und Lavendel entgegen. Die dunklen Holzdielen knarren unter meinen Stiefeln. An den Wänden hängen goldgerahmte Landschaftsbilder, die ich die mir bei meinem letzten Besuch gar nicht aufgefallen sind: verschneite Gebirgsketten, stürmische Küsten, ein ruhiger See – jedes wirkt wie ein Fenster zu einer anderen Welt.

„Meine Oma ist nicht da, aber ich soll dir liebe Grüße ausrichten", sagt Elias, bevor er meine Jacke abnimmt und sie an den Garderobenständer hängt.

Ich stehe in Majas Flur und lasse das vertraute Bild auf mich wirken. Als Elias mich gestern gefragt hat, ob ich bereit für sein nächstes Überraschungs-Date bin, habe ich nicht lange überlegen müssen. Was aber nichts daran ändert, dass mein Magen nervös Purzelbaum schlägt.

„Du erinnerst dich ans Wohnzimmer, oder?" Elias geht voran, ich folge ihm.

„Klar", murmele ich mit einem schiefen Grinsen. „Auch wenn ich letztes Mal mehr Zeit über der Toilettenschüssel verbracht habe als irgendwo sonst."

„Keine Sorge, das ist nicht Teil des Plans." Er greift nach meiner Hand – so selbstverständlich, dass ich unwillkürlich nach Luft schnappe, und führt mich durch das Wohnzimmer in die Küche.

Die Küche ist genauso gemütlich eingerichtet wie der Rest des Hauses – die großen Keramikfliesen an den Wänden sind mit blauen Mustern verziert, an den Wänden hängen Kupfertöpfe, die im warmen Licht der Deckenlampe schimmern. Und auf dem massiven Holztisch in der Ecke steht eine bunte Auswahl an Zutaten: Schokolade, Ananas, frische Erdbeeren, Weintrauben, Bananen und Himbeeren.

„Machen wir... Obstsalat?", frage ich belustigt.

„Nicht ganz." Er zieht einen kleinen Fondue-Topf aus dem Schrank, gefolgt von ein paar Teelichtern, die er grinsend vor mir abstellt. „Wir machen Schoko-Fondue." Seine blaugrauen Augen funkeln mich herausfordernd an. „Und während wir darauf warten, dass die Schokolade schmilzt, spielen wir Wahrheit oder Wahrheit."

Ich schnaube belustigt. „Wahrheit oder Wahrheit?"

„Es ist wie Wahrheit oder Pflicht, aber ohne die Pflicht." Er zwinkert mir zu. „Im Grunde ist es nur ein Vorwand, um dir ein paar Geheimnisse zu entlocken."

„Du hast Glück, dass Schokolade bei mir als Bestechung funktioniert."

Er lacht leise, während er die Kerzen anzündet und sich auf den Stuhl gegenüber von mir sinken lässt. 

„Aber ich fange an!", rufe ich und schnappe mir eine Weintraube. „Was war das Peinlichste, das dir je auf einem Date passiert ist?"

Seine blaugrauen Augen funkeln amüsiert. „Wow, gleich so gnadenlos, Lena?"

„Die Regeln sind die Regeln", gebe ich mit übertrieben unschuldiger Mine zurück.

„Na gut, du hast es so gewollt." Er seufzt theatralisch. „Ich war fünfzehn, stand total auf dieses Mädchen aus meiner Klasse und hab sie ins Kino eingeladen. Dummerweise hat meine Oma am Tag vorher irgendeinen Eintopf gekocht. Ich dachte, das passt schon, 24 Stunden vor dem Date. Spoiler: Es hat nicht gepasst." 

Meine Mundwinkel zucken, und ich bemühe mich, ernst zu bleiben. Elias verzieht das Gesicht. „Wir sitzen also im Kino, mitten in einer Szene, wo die Hauptdarstellerin um ihren sterbenden Freund weint. Der ganze Saal ist totenstill. Und dann ..."

„Nein."

„... hat mein Magen beschlossen, alle darauf hinzuweisen, dass Bohnen im Eintopf keine gute Idee waren. Das Geräusch war laut genug, dass sie sich zu mir gedreht und gefragt hat: ‚Hast du Hunger?' Ich war so nervös, dass ich einfach ‚Ja' gesagt habe."

Between HeartbeatsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt