E l i a s

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Unmöglich. Diese Frau ist einfach unmöglich. Wütend knalle ich den Spind zu, so heftig, dass ein Assistenzarzt im Jahrgang unter mir, Lukas, glaube ich, erschrocken zusammenzuckt. Er wirft mir einen nervösen Blick zu.

„Was gibt's da zu glotzen?", fahre ich ihn an. „Sorry", murmelt er kaum hörbar, zieht den Kopf ein und verschwindet endlich. Wenn er weiter so den Schwanz einzog, wird er hier nicht lange durchhalten.

Und ich auch nicht, wie mir klar wird. Nach der Nummer heute kann ich froh sein, wenn ich unter Dr. Vega jemals wieder ein Skalpell halten darf. Das Tragische: Trotz seines jungen Alters ist er einer der Besten, hat es sogar zum Stationsarzt geschafft. Dafür bewundere ich ihn insgeheim.

Ich weiß nicht, was ich mehr bereue: Dass es mit Steffi endgültig vorbei ist oder dass ich Dr. Vega als meinen Ausbilder verloren habe. Ich seufze.

Als er vorhin ins Zimmer der Assistenzärzte gestürmt ist und mich gegen den Spind gedrückt hat, wusste ich sofort, dass er es wusste. Kurz dachte ich, er würde mir wirklich eine runterhauen. Ich hätte es ihm nicht verübelt. Doch dann hat er mich abrupt losgelassen und mich wie eine Kakerlake angesehen.

Ich knirsche mit den Zähnen. Ich habe es verbockt. Alles. Zum hundertsten Mal verfluche ich mich für meine Dummheit, mit der Verlobten meines Vorgesetzten etwas angefangen zu haben.

Zu meiner Verteidigung: Damals wusste ich nicht, wer sie war. Als ich in meinem ersten Monat im Marienhospital nach einer langen Schicht in der Bar um die Ecke einen Drink nahm, stand sie plötzlich vor mir. Selbstbewusst. Sexy. Älter als ich. Sie stellte sich als Steffi vor. Wir flirteten hemmungslos, eins kam zum anderen und wir landeten im Bett. Erst am nächsten Morgen gestand sie mir, dass sie auch im Marienhospital arbeitete. Dass sie mit Dr. Vega verlobt war. Dass sich das nicht wiederholen durfte. Doch natürlich wiederholte es sich. Und wieder. Und wieder...

Die Wahrheit ist: Ich mag Steffi. Mit ihr ist es aufregend und herrlich unkompliziert. Sie hat mir von Anfang an klargemacht, dass es zwischen uns nur um Sex geht, keine Gefühle. Jackpot. Doch warum sie das Risiko einer Affäre gerade mit mir eingegangen ist, mit einem Assistenzarzt, der im selben Krankenhaus arbeitet wie sie und ihr Verlobter, darüber haben wir nie gesprochen. Vielleicht war es der Nervenkitzel.

Der Gedanke an den letzten Bereitschaftsdienst lässt mir wieder die Hitze in die Wangen steigen. Der Sex war so gut, dass ich die Affäre nie beendet habe, obwohl ich es längst hätte tun sollen. Doch jetzt ist es zu spät. Dank ihr.

Allein der Gedanke an sie macht mich so wütend, dass ich am liebsten eiskalt duschen würde. Wie sie mich vorgeführt hat. Erst erpresst sie mich, dann sorgt sie dafür, dass meine Karriere das Klo heruntergespült wird.

Ich lasse meinen Kopf gegen den Spind sinken und schließe entnervt die Augen. Ich hätte sie einfach auf den Badezimmerboden stürzen lassen sollen. Aber ich konnte nicht. Meine Reflexe haben übernommen. Weil ich wusste, dass ein weiterer Sturz bei ihrer frisch operierten Luxationsfraktur böse hätte enden können. Trotzdem... Wie sie mich danach angesehen hat, als wäre sie wütend auf mich, dass ich sie gerettet habe. Undankbares Stück.

Ein anderer Gedanke verdrängt die Wut. Ein schwarzes, knappes Stück Stoff. Ich kann die eiskalte Dusche wirklich gut gebrauchen... Sie hat wohl eine ziemlich hohe Meinung von sich, so eine Unterwäsche im Krankenhaus zu tragen. Nicht dass ich mich über den Anblick beschwere – aber ich vermute eiskaltes Kalkül hinter dieser Nummer. Ich habe ganz genau gesehen, wie sie Dr. Vega angesehen, nein, angehimmelt, hat. Malt sie sich Chancen bei ihm aus?

Nun, jetzt weiß sie immerhin, dass er verlobt ist.

Mein schadenfrohes Grinsen verschwindet so schnell wie es gekommen ist. Vielleicht bald nicht mehr... So wütend wie Dr. Vega war, bezweifle ich stark, dass die beiden in näherer Zukunft in den Sonnenuntergang reiten. Andererseits: ich kenne Steffi und ihre Überzeugungskraft. Sie kriegt immer, was sie will.

Ich seufze. Wenn ich tatsächlich dafür verantwortlich sein sollte, dass die Verlobung in die Brüche geht, und Lena Ritter und Dr. Vega am Ende zusammen glücklich werden... Ein bitterer Geschmack breitet sich in meinem Mund aus.

Nein, sie verdient es nicht, glücklich zu sein – nicht nachdem sie mir meine Karriere ruiniert hat. Dafür würde ich schon sorgen.

Between HeartbeatsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt