S i e b e n

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„Bereit, Frau Ritter?" Theresa Lohmeier (wie ich mit Blick auf ihr Namensschild herausgefunden habe) lächelt mir aufmunternd zu, während sie die Wegfahrsperre meines Krankenbetts löst.

„Lena", korrigiere ich sie sanft. Immerhin habe ich es ihr zu verdanken, dass ich meinen Artikel schlussendlich doch noch fertigbekommen habe. Aber der Versuch, ihr Lächeln zu erwidern, scheitert kläglich.

„Lena", wiederholt sie. „Du musst dir wirklich keine Sorgen machen, weißt du." Ich bin wohl nicht besonders gut darin, meine Angst zu verbergen. „Dr. Vega ist einer der Besten!" Ehrlich dankbar nicke ich.

„Erwartest du heute noch jemanden?", fragt sie neugierig.

Ich muss sie verständnislos angesehen haben, denn sie fährt fort. „Vielen Patienten hilft es, wenn im Aufwachraum ein bekanntes Gesicht auf sie wartet. Nach der Narkose ist man ja meist ein bisschen durcheinander."

Oh. Daran habe ich noch gar nicht gedacht. Pascale anzurufen und sie bitten vorbeizuschauen, wäre viel zu kurzfristig. Und überhaupt... es gibt sonst niemanden. Klar, ich verstehe mich mit meinen Kolleginnen und Kollegen ganz gut. Aber keinem von ihnen würde ich mich so verletzlich zeigen. Und andere Freunde habe ich nicht.

„Nee, es kommt niemand", gebe ich gedehnt zurück. „Aber das passt schon."

Zweifelnd sieht sie mich an. „Gibt es wirklich niemanden, den ich für dich anrufen kann? Freunde? Familie?"

„Es ist okay, ehrlich", winke ich ab. „Meine Familie weiß nicht, dass ich hier bin."

Und selbst wenn, bezweifle ich, dass es sie interessieren würde.

Theresas Blick wird weich. Sie mustert mich schweigend, fast mitleidig.

Einen Moment später bemerke ich meinen Fehler. Mist, habe ich den letzten Teil etwa laut ausgesprochen? Erschrocken, ihr so etwas Privates über mich verraten zu haben, suche ich ihren Blick.

„Ich verstehe", sagt sie leise. Es sieht kurz so aus, als ob sie noch etwas hinzufügen möchte, doch ich komme ihr zuvor.

„Geht es jetzt endlich los?"

Ihrer gekränkten Miene nach zu urteilen, habe ich schroffer geklungen als beabsichtigt.Was mir sofort leid tut. Bisher ist sie die Einzige in diesem Krankenhaus, die nichts als nett zu mir gewesen ist. Nicht zu vergessen, dass ich ihr meinen Artikel zu verdanken habe. Naja, mit Ausnahme von Sebastián natürlich. Aber das zählt nicht (unter Umständen bin ich voreingenommen).

„Natürlich", murmelt Theresa, tritt hinter mein Bett und schiebt mein Bett zur Tür hinaus. Einmal scharf rechts. Den Flur herunter, vorbei am Aufenthaltsraum für das Pflegepersonal, wie mir der Duft nach Filterkaffee verrät.

Ein kurzer Zwischenstopp am Fahrstuhl.

Während der ganzen Fahrt hat Theresa kein Wort mehr gesagt. Ich beiße mir auf die Unterlippe. Ich hoffe, ich habe sie nicht allzu sehr gekränkt und suche gerade nach den richtigen Worten, um mich für mein forsches Verhalten von vorhin zu entschuldigen – 

Meine Gedanken werden hinfortgerissen, als mein Blick an einem bekannten Gesicht hängenbleibt. Vermeintlich lässig lehnt er an neben dem Fahrstuhl, die Oberarme vor der Brust verschränkt, doch seine Schultern verraten mir, dass er angespannt ist. Und in Gedanken versunken. 

Ich will schon aus dem Bett springen, aufstehen und wegrennen. Theresa zurufen, dass sie umdrehen soll. Da ist es schon zu spät. Theresa rollt mich in sein Blickfeld. Und ich sehe, wie ein Paar blaugrauer Augen auf mir liegt, sich zu Schlitzen verengt.

Ich kann ihm nicht einmal verübeln, dass er bei meinem Anblick keine Freudensprünge macht. Eine Erpressung kann man einem schon mal nachtragen. Die rohe Feindseligkeit in seinem Blick trifft mich aber dennoch unvorbereitet. Ich schlucke schwer. Ein „Schwamm drüber, wir vergessen das Ganze" kann ich dann wohl vergessen.

Between HeartbeatsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt