E l i a s

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Der Fiat tuckert davon, sein Motor knattert einmal, bevor er um die Ecke verschwindet. Ich bleibe stehen, die Hände tief in den Taschen meiner Jacke vergraben, und starre den roten Rücklichtern hinterher, bis sie nicht mehr zu sehen sind. Die kalte Oktoberluft kriecht durch meine Jacke, aber ich spüre die Kälte kaum.

Was mache ich hier eigentlich?

Ich schüttele langsam den Kopf. Für einen Moment dachte ich, da wäre etwas gewesen. Irgendetwas in ihrem Blick, ein Flackern, das mir Hoffnung gegeben hat. Sie wirkte fast, als hätte sie verstanden, was ich ihr zwischen den Zeilen sagen wollte – aber mal wieder zu feige war, laut auszusprechen. 

Ich stöhne. Was habe ich erwartet? Dass sie den Wagen anhält, aussteigt und mir sagt, dass sie dasselbe fühlt wie ich? Dass sie sich öffnet? Mir sagt, was sie wirklich denkt? 

Nein, natürlich nicht. Dafür ist schon zu viel passiert. Dafür habe ich zu viel kaputt gemacht. 

Und Erik hat den Rest erledigt.

Ich weiß noch immer nicht, wie sie die letzten Wochen verkraftet hat. Nachdem sie erfahren hat, dass Erik derjenige war, der... Ich beiße die Zähne so fest aufeinander, dass mein Kiefer schmerzt.

Wie oft habe ich ihre Nummer eingetippt, die ich mir aus ihrer Akte besorgt habe, wollte sie anrufen, einfach nur hören, wie es ihr geht. Wissen, ob sie... okay ist. Aber alles, was ich zustande gebracht habe, war dieser eine, erbärmliche Anruf.

Es spielt keine Rolle, wie viele Nächte ich wach liege und mir ausmale, wie ich ihr helfen könnte, ohne sie zu erdrücken – am Ende weiß ich besser als jeder andere, dass Lena niemanden braucht. Niemanden brauchen will.

Und trotzdem habe ich ihr gesagt, dass sie sich jederzeit bei mir melden könne. Sie hat sich nicht gemeldet. Message angekommen.

Aber als ich sie heute gesehen habe, konnte ich mich nicht davon abhalten, zu ihr zu gehen. Habe dem Schicksal dafür gedankt, dass sich ausgerechnet Lena vor meinen Golf gestellt hat.

Lena, die hier war, um ihre Schwester abzuholen. Nicht, um Sebastián zu sehen. Vor Erleichterung hätte ich beinahe laut aufgelacht.

Ich habe zufällig mitbekommen, wie er einem Kollegen von seinem Date mit Lena erzählt hat. Seine Stimme war so locker, so selbstverständlich, als wäre es die normalste Sache der Welt. Als hätte er nicht die geringste Ahnung, was es mich kostet, mir das anhören zu müssen. Der Gedanke daran, wie er sie ansieht, wie er vielleicht Dinge sagt, die ich niemals über die Lippen bringen würde... es bringt mich um den Schlaf.

Ich schnaube leise, mein Atem malt kleine, zornige Wolken in die kühle Luft. Verdammt, ich kann es ihr nicht einmal verübeln. Mit Sebastián ist es einfach. Sicher. Er ist... jemand, bei dem sie sich fallen lassen könnte, ohne Angst haben zu müssen. Genau der Typ, den Lena an ihrer Seite haben sollte.

Was auch immer wir jemals hatten, es war nie einfach, nie sicher.

„Verdammt, Lena", murmele ich leise.

Sie macht mich wahnsinnig – im besten und im schlimmsten Sinne. Sie ist die Einzige, die mich aus der Fassung bringt, die mich dazu bringt, mein verdammtes Innerstes zu entblößen, obwohl ich genau weiß, dass sie es niemals wirklich sehen will.

Denn wenn sie mich ansieht, sehe ich mich selbst. Zwei Sturköpfe, die keine Schwäche zeigen können, selbst wenn sie daran zerbrechen.

Zwei Seiten derselben Münze, zwei Menschen, die genauso gut zusammenpassen könnten, wie sie sich gegenseitig ruinieren würden.

Ich schließe die Augen und sauge tief die kalte Nachtluft ein. Es bringt nichts, darüber nachzudenken. Sie hat Sebastián gewählt. Oder wählt ihn gerade. 

Das sollte Grund genug sein, um auf Abstand zu gehen.

Und trotzdem kann ich es nicht.

Weil da diese Momente sind, in denen sie mich ansieht. Wirklich ansieht. Und ich mir sicher bin, dass sie dasselbe fühlt wie ich.

Vielleicht irre ich mich. Vielleicht sehe ich nur, was ich sehen will.

Oder vielleicht... habe ich recht.

Ein Auto hupt in der Ferne, und ich zucke zusammen. Irgendwo da drin gibt es Patienten, die auf mich warten, und Kollegen, die sich fragen, warum ich hier draußen in der Kälte herumstehe wie ein Idiot.

Doch selbst als ich die Tür zum Krankenhaus aufstoße, bekomme ich sie nicht aus meinem Kopf. 

Ihren Blick.

Dieses leise Zittern in ihrer Stimme, als sie „Danke" gesagt hat.

Lena.

Sie ist alles, was ich nicht haben kann.

Und trotzdem.

Ich weiß, dass ich nicht aufgeben werde. Nicht jetzt.

Nicht, solange sie mich ansieht, wie sie es manchmal tut.

Nicht, solange sie sich nicht endgültig entschieden hat.

Between HeartbeatsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt