Eine zweite Chance

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Nicht wundern, da sind einige Zeitsprünge dabei.
Hoffe es gefällt euch und viel Spaß ❤️                 

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                             ~Ein Jahr später~

Ich trat aus der Tür und spürte sofort die kühle, frische Morgenluft auf meiner Haut. Es war ein Herbsttag, wie er schöner kaum sein konnte, die Sonne war gerade über den Horizont gestiegen, ihre ersten, zarten Strahlen malten goldene Muster auf das welke Laub, das den Gartenboden bedeckte. Ich atmete tief ein und der Duft von feuchter Erde, abgestreiften Blättern und dem leichten Hauch von Morgentau füllte meine Lungen. Der leichte Wind bewegte die Äste der Bäume sanft und immer wieder rieselten Blätter herab, die sich leise auf dem Boden niederließen.

Langsam ließ ich den Blick durch den Garten schweifen, bewunderte die warmen Rot, Orange und Gelbtöne der Blätter, die im Sonnenlicht fast zu glühen schienen. Ein leises Rascheln durchbrach die morgendliche Stille und ich konnte das entfernte Zwitschern eines Vogels hören, als er sich ein sonniges Plätzchen in den Bäumen suchte. Die Luft war kühl, aber nicht unangenehm, sie hatte etwas Belebendes, als würde sie alles Überflüssige forttragen und nur das Wesentliche zurücklassen.

Eine Weile verweilte ich so, schloss die Augen und genoss den Moment in vollen Zügen. Jeder Atemzug füllte mich mit einer tiefen Ruhe und ich fühlte mich eins mit der Natur, ganz im Einklang mit dem Wechsel der Jahreszeiten.

Wir hatten seit einem Jahr versucht, nach meiner Fehlgeburt wieder schwanger zu werden. Jeder Monat begann mit einem Funken Hoffnung, einem leisen Optimismus, dass es vielleicht dieses Mal klappen könnte. Doch oft endete jeder Zyklus in Enttäuschung, die schwerer wog, als ich zugeben wollte. Immer wieder sah ich den Teststreifen in meinen Händen, das leere Ergebnis, das Schweigen der Hoffnung. Die Erinnerungen an den Verlust mischten sich mit meiner Sehnsucht nach neuem Leben, eine Sehnsucht, die tief in mir brannte und manchmal schmerzhafter war, als Worte es beschreiben könnten.

Manchmal saß ich nachts wach, stellte mir vor, wie es wäre, dieses kleine Leben in mir zu tragen, das ich mir so sehr wünschte. Ich stellte mir vor, wie es sich anfühlen würde, die ersten Bewegungen zu spüren, das neue Herzschlagen zu hören, das erste Mal das kleine Gesicht zu sehen. Diese Träume hielten mich am Leben, sie gaben mir Kraft und trösteten mich, auch wenn sie gleichzeitig eine schwere Last waren. Jeder Moment war erfüllt von Geduld, doch die Warterei zehrte an mir.

Es war kein einfacher Weg hier hin, es hatte uns viel nerven und Kraft gekostet. Viele Tränen sind geflossen, Streit gehörte zu unserer Routine.
Dieser Prozess war schwer aber es hatte sie gelohnt.
Sanft legte ich meine Hand an meinem Bauch, welches bereits etwas herausragte, ich strich behutsam über die kleine Wölbung.
Unser zweites Wunder wuchs in mir, ich war im vierten Monat, es war, wie auch davor, eine Risikoschwangerschaft und Barış hatte mir gefühlt alles verboten.
Nicht Mal ins Stadion durfte ich, er war viel vorsichtiger als bei der ersten Schwangerschaft, er sorgte sich noch viel mehr.

Ich konnte ihn verstehen, dennoch war es manchmal kaum auszuhalten.
Heute hatte ich eins der wichtigen Termine in meiner Schwangerschaft, das Geschlecht würden wir heute erfahren.
Aylin und Gözde wollten unbedingt eine Gender reveal Party organisieren aber ich wollte es ganz klassisch beim Arzt erfahren und das nur mit Barış.
Für mich war es etwas Intimes, etwas Besonderes und ich wollte diesen Moment nicht mit anderen teilen, egal wie sehr ich sie liebte.

Barış schlief noch, als ich das Bett verließ und mich in den Garten begab, langsam ging ich auch schon wieder zurück in das Haus und schloss die Tür zu.
In diesem einem Jahr, hatte ich innerhalb von zwei Monaten auch meine Katzen verloren, sie waren alt und ich war mehr als nur froh, dass sie mich so lange begleiten konnten.
Mein Herz tat weh, als ich an sie dachte, sie fehlten mir so unglaublich sehr.
Als ich die Treppen hoch lief, hörte ich bereits den Wecker von Barış und musste lächeln, es klingelte immer noch, er schlief noch tief und fest.

Benim evim || Barış Alper YılmazWo Geschichten leben. Entdecke jetzt