How can you just walk away from me?

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How can you just walk away from me?

When all I can do is watch you leave

Cause we've shared the laughter and the pain

And even shared the tears

You're the only one who really knew me at all

[Phil Collins - Against all odds]


Die nächsten Tage zogen dahin, in denen Magdalena wieder viel Zeit bei Sergio verbrachte. Wann immer Sergio beruflich unterwegs war, kümmerte sich die junge Frau um Odie und Sergios Haus. Sie fühlte sich nach wie vor wohl in Sergios Zuhause und sie konnte nach und nach die unangenehmen Gefühle verdrängen. Allerdings kamen diese immer wieder auf, sobald Sergio wegen eines Auswärtsspieles wegfliegen musste. So wie an diesem Nachmittag. Draussen schien die Sonne, doch mittlerweile war es relativ kühl geworden draussen. Der Herbst war da, bald würde der Winter eintreffen. Doch daran wollte Magdalena noch nicht gross denken. Sie mochte den Winter nicht unbedingt. Sie fühlte sich mit Wärme und Sonne viel wohler, doch sie war nun mal in Madrid und Madrid war nicht Sevilla. Hier gab es Schnee und Kälte, damit würde sie bestimmt klarkommen. Jedenfalls nahm sie es sich fest vor.

„Süsse, morgen Abend bin ich wieder da. Wünsch uns Glück." Sergio war zu seiner Freundin getreten, welche in der Küche vor dem Kühlschrank stand und hinein starrte. „Mhm", war alles was sie sagte. Nicht einmal für einen Kuss drehte sie sich um. Sie wollte es, aber sie konnte nicht. Sie fand die Kraft dazu nicht. Denn nun hatte sich das unangenehme, undefinierbare Gefühl wieder in ihre Magengegend geschlichen und sie wusste nicht, wie sie es wieder loswerden sollte. Einen kurzen Augenblick lang stand Sergio hinter seiner Freundin, musterte stirnrunzelnd ihren Hinterkopf. Warum war sie jetzt so abwesend? Er konnte es sich nicht erklären. Kurz schüttelte er den Kopf, dann schlang er seine Arme um ihre Taille und drehte sie herum, damit sie ihn ansehen musste und er sich von ihr verabschieden konnte. Sanft strich er ihr über die Wange, bevor er ihr einen zarten Kuss auf die Lippen hauchte. „Ich melde mich, wenn wir angekommen sind." Diese Worte sagte er immer. Jedes Mal, wenn er mit Real Madrid ein Auswärtsspiel zu bestreiten hatte. Und jedes Mal nickte Magdalena darauf und sagte: „In Ordnung." Noch ein letzter Blick, dann war er verschwunden und Magdalena mit Odie alleine bei ihm zu Hause.

Sergio ging Magdalenas Reaktion nicht mehr aus dem Kopf. Während dem ganzen Flug nach Sevilla, um dort ein Spiel zu bestreiten, noch auf dem Rückflug. Dazwischen hatte er versucht, sich aufs Spiel zu konzentrieren, doch gelungen war es ihm nicht wirklich. Dementsprechend mies hatte er gespielt und eine Moralpredigt des Trainers über sich ergehen lassen müssen. Ausserdem hatten ihn seine Mannschaftskollegen immer wieder versucht, auszuquetschen. Doch er hatte eisern geschwiegen. Jetzt allerdings war er fest dazu entschlossen, Magdalena zur Rede zu stellen. Er wollte wissen, weshalb sie ihm immer so abweisend gegenüber trat, sobald er für ein Auswärtsspiel aufbrechen musste. Und weshalb sie in letzter Zeit immer wieder still und teilnahmslos war. Sergio war davon überzeugt, irgendetwas war nicht in Ordnung.

~

„Magdalena? Kann ich kurz mit dir sprechen?" Sergios Stimme klang bestimmt und Magdalena, die nach dem gemeinsamen Abendessen bei ihm begonnen hatte, die Geschirrspülmaschine zu füllen, erhob sich und schritt langsam ins Wohnzimmer, wo Sergio bereits auf der Couch sass und leicht auf den noch freien Platz neben sich klopfte. Ein Zeichen, dass sie sich zu ihm setzen sollte. Mit klopfendem Herzen tat sie, was er von ihr verlangte. Insgeheim fragte sie sich, was das sollte. Warum Sergio mit ihr reden wollte. „Was ist denn?"

„Was ist? Das frage ich dich! Warum...bist du so abweisend, sobald ich ein Auswärtsspiel habe? Was ist los, dass du mit einem Mal oft so still bist? Bedrückt dich etwas? Du weisst, du kannst mit mir darüber reden." Sergio hatte nach Magdalenas Händen gegriffen und hielt sie nun fest in seinen. Die junge Frau starrte ihre Hände in denen von Sergio einen Moment lang an, bevor sie sich ihm wieder entzog. Mit einem Mal war ihr kalt und sie versuchte, tief durchzuatmen. Er hatte also bemerkt, dass etwas nicht stimmte bei ihr. Und so eindringlich wie er sie jetzt ansah, würde er garantiert nicht lockerlassen um zu erfahren, was los war. Also musste sie es ihm wohl oder übel erzählen. „Sergio, ich..." Sie hielt wieder inne und dachte nach. Wollte sie ihm das wirklich erzählen? Er würde womöglich sauer werden. „Magdi, jetzt komm schon! Was ist los mit dir?", drängte Sergio weiter, fest entschlossen, jetzt rauszufinden, was mit seiner Freundin nicht stimmte. „Ich fühle mich nicht mehr so wohl wie vorher!", platzte es da unkontrolliert aus ihr heraus und sogleich biss sie sich auf die Lippen. Fragend sah Sergio sie an. „Wie...meinst du das?" Er klang ehrlich erschrocken und Magdalena bereute es in diesem Moment, etwas gesagt zu haben. „Seit...du in Deutschland warst, da...fühle ich mich...unbehaglich. Ich kann es selbst nicht genau erklären, Sergio. Es ist einfach so."

Unerwartet sprang der Fussballer vom Sofa auf und funkelte seine Freundin an. „Du hast mir doch verziehen! Und da ist gar nichts gelaufen, wofür ich mich jetzt rechtfertigen müsste! Was soll das?" Magdalena schnaubte und verschränkte die Arme vor der Brust. „So leid es mir tut, ich kriege dieses Gefühl nicht mehr weg! Es ist einfach da! Und jedes Mal, wenn du ein Auswärtsspiel hast, muss ich daran denken, dass du wieder in einen Club gehen und wieder ein Mädchen aufreissen könntest, ohne dass ich davon Wind bekomme – wenn keine Fotografen in der Nähe sind! Kannst du dir überhaupt vorstellen, wie das für mich ist?" Mittlerweile stand auch sie vor dem Sofa, funkelte Sergio ebenso erbittert an wie er sie. „Ach, glaubst du, ich hab ständig Zeit, mir über jeden Schritt den ich gehe, Gedanken zu machen, damit du dich besser fühlst? Ich kann nicht immer Rücksicht nehmen!" Seine Worte trafen die junge Frau. Er hörte sich an, als ob er sie nicht mehr lieben würde. Schwer schluckte sie bevor sie nickte. „Okay. Wenn das so ist..."

Mit diesen Worten griff sie nach ihrer Jacke und schritt zur Haustür. Sie hatte keine Lust, sich weiterhin solche Dinge anzuhören. Sie hatte das Gefühl, bald zu ersticken und wollte nur noch raus. „Magdi, jetzt warte! Verdammt, warum haust du immer ab?", konnte sie Sergio noch rufen hören, doch sie blieb weder stehen noch sah sie zurück. Sie rannte aus der Wohnung, rannte bis sie sich irgendwann an eine Hausmauer lehnen musste um zu Atem zu kommen. Keuchend stützte sie sich mit den Händen auf ihren Knien ab, bevor sie sich wieder etwas aufrichtete und den Kopf in den Nacken legte. Verzweifelt versuchte sie, tief und ruhig zu atmen. Ihr Herz raste wie verrückt und sie hatte Angst, es könnte ihr jeden Moment aus der Brust springen. Warum hatte sie der kleine Streit mit Sergio jetzt dermassen aus der Bahn geworfen? Sie konnte es sich nicht erklären. Beruhige dich, ermahnte sie sich selbst, bevor sie sich endlich wieder in Bewegung setzte und die Gran Vía entlang schlenderte. Wobei ihr Herz noch immer raste, versuchte sie gelassen zu wirken. Was war nur mit ihnen passiert? Warum gerieten sie wegen noch so Kleinigkeiten immer wieder aneinander?

Zu Beginn ihrer Beziehung hatten sie sich abgöttisch geliebt, hatten sich immer verstanden und immer Verständnis für den jeweils anderen gehabt. Seufzend schlang die junge Frau die Arme um ihren Oberkörper und senkte ein wenig den Kopf. Denn Tränen waren ihr in die Augen geschossen und sie wollte nicht, dass irgendjemand ihre Tränen sehen konnte.

Im Endeffekt wusste Magdalena nicht mehr, wie lange sie durch Madrid geirrt war ohne genaues Ziel. Doch mit einem Mal – als sie endlich wieder mal den Kopf hob – erblickte sie die Eingangstür zu einer Bar. Sie sah sich um, doch kaum ein Mensch war auf den Strassen. Ohne dass sie es bemerkt hätte, war es langsam dunkler geworden. Ja, der Herbst war wirklich dabei, seine Arme über die Stadt zu legen und alles dem Winter etwas näher zu bringen.

Wieder entwich der jungen Frau ein tiefer Seufzer. Sie zog ein wenig die Schultern hoch und murmelte: „Ach, was soll's." Mit diesen Worten stemmte sie Tür zur Bar auf und trat ein.


Bad RomanceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt