3. Der Ball

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Jenna lief mit gerafften Röcken den kurzen Gang entlang und bog nach links ab, gerade rechtzeitig, um zu sehen wie vier Diener die schweren hölzernen Türen zum Ballsaal öffneten. „Mylady, Euer Vater erwartet Euch unten.", teilte ihr einer der vier mit als sie an ihnen vorbei und die Treppe hinunter eilen wollte. „Danke.", antwortete sie im Vorbeigehen. Selbstverständlich erwartete ihr Vater, dass sie sich bei der Eingangstür befand, wenn die ersten Gäste eintrafen, um diese zu begrüßen. Nathaniel drehte sich um, als er die schnellen Schritte seiner Schwester hörte. „Da bist du ja. Die erste Kutsche ist gerade vorgefahren.", begrüßte er sie. „Liebe Schwester, Ihr seht wunderschön aus.", stellte er fest, in die Hofsprache verfallend. „Vielen Dank, lieber Bruder. Auch Euch steht dieses dunkle Blau ausgezeichnet." Nat trug wie so oft dunkle Farben. Dunkelblaue Strümpfe und Frack, dazu schwarze Pluderhosen und Hemd. Anna hatte zwar gemeint, es sei altmodisch, doch der neue bunte Trend sah einfach zu affig aus. Auch auf Perücken verzichteten die Geschwister beide.  Aus der Kutsche kletterten die de Feuille Schwestern und wurden von Jenna und Nathaniel begrüßt. Vor Jenna knicksten sie nur kurz, bei ihrem gut aussehenden Bruder verharrten die beiden kichernd.  „Ah, Mademoiselles de Feuille. Ihr seht bezaubernd aus.", ließ Nat seinen Charme bei beiden Mädchen gleichzeitig spielen und küsste die Schwestern auf die Hand. „Werden wir uns später auf dem Ball sehen?", fragte die jüngere kokett. „Das hoffe ich doch sehr.", leitete Nat die beiden zur Treppe und zog seine Mundwinkel zu einem unwiderstehlichen Lächeln, doch sobald sie im Ballsaal verschwunden waren verdrehte er leicht die Augen. Jenna grinste. Sie konnte die beiden nicht leiden, die immer wieder versuchten, sich ihren Bruder zu angeln. Als das schon etwas ältere Fürstenpaar eintraf, änderte sie ihr schadenfrohes Grinsen schnell zu einem freundlichen Lächeln und grüßte sie höflich. Immer mehr Leute strömten hinein und oben begann die Musik zu spielen. Jenna wollte gerade hinaufgehen, als ein weiterer Gast, den sie nicht kannte eintraf. Sie knickste zum gefühlt tausendsten Mal an diesem Abend. „Willkommen. Verzeiht, ich fürchte, ich habe noch nicht das Vergnügen Eurer Bekanntschaft gehabt." Der Fremde trug vorwiegend schwarz und roten Samt, außerdem einen Hut, sodass sein Gesicht im Schatten lag. Der Herr verbeugte sich. „Wir kennen uns tatsächlich noch nicht, doch für die Dauer des Abends könnt Ihr mich L nennen.", sagte er. Überrascht suchte Jenna nach Worten. „Ähm, Ihr könnt mich Jenna nennen.", versuchte sie so herauszubringen, als kämen öfter Leute vorbei, die sich mit einem Buchstaben benannten. „Ein sehr schöner Name.", erwiderte der mysteriöse L und verschwand die Treppe hinauf. „Was war das denn?", fragte ihr Bruder, der mitgehört zu haben schien. „Ich weiß nicht, ich habe ihn noch nie irgendwo gesehen.", antwortete Jenna. „Lass uns hochgehen." Nat nickte zur Bestätigung.
Sie traten in den reich verzierten Saal. Überall saßen Leute und aßen oder unterhielten sich, nur wenige Paare wiegten sich auf der Tanzfläche zum Klang der Musik, der die Luft füllte und sich mit dem anhaltenden Gemurmel mischte. Die Geschwister setzten sich an einen Tisch und bedienten sich an der üppigen Essensauswahl, während ihr Vater herumging und mit jedem kurz ins Gespräch kam. „Würdet Ihr mir den ersten Tanz schenken, liebe Schwester?", fragte Nathaniel, als Jenna gerade fertig war. „Mit Freude.", antwortete sie ihm. Der Tanz mit ihrem Bruder würde sie entspannen, sie war doch ein wenig aufgeregt. Als sie sich mit Nat über die Tanzfläche bewegte, standen auch andere Leute auf und suchten sich einen Partner für den ersten Tanz. Entspannt drehte sie sich zur Musik, doch zu schnell war das Lied zu Ende. Ihr Bruder verneigte sich, dankte für den Tanz und war, als das nächste Lied angestimmt wurde, bereits von den de Feuille Schwestern belagert. Enttäuscht, dass sie keinen zweiten Tanz mit ihm hatte, wollte sie sich bereits wieder setzten, als sie eine Hand an ihrem Arm spürte.

Na, wer ist das wohl? Ist nicht besonders schwer zu erraten, ich weiß. 😉

JennaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt