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Überrascht hielt er das Brot in den Händen. Er konnte nicht widerstehen, einmal kurz zu drücken und seufzte sehnsüchtig, als er das verheißungsvolle Knuspern hörte und der Hefeduft aufstieg. Wenn er nur ein kleines Stück nahm? Nur ein wenig? Sie hatte es ihm angeboten, aber ihm das Essen in die Hand zu drücken, war wirklich gemein. Wie lange würde sein Stolz wohl noch seinem Hunger überwiegen? Nachdenklich sah er auf den weichen Teig, riss sich dann aber zusammen. Wenn er essen wollte, musste er es sich verdienen. Und wo steckte eigentlich Gem? So lang war die Schlange beim Käse auch nicht gewesen. Er fing gerade an, sich Sorgen zu machen, als sie plötzlich vor ihm in der Menge auftauchte. Erstaunt starrte sie auf das Brot in seinen Händen.
„Nicht ein Krümel!" Ihre Stimme schwankte zwischen Bewunderung und Anklage.
„Du hast nicht mal genascht!"
Wortlos gab er ihr ihr Essen zurück.
„Wir sollten wieder gehen. Es wird langsam spät.", sagte er und wandte sich zum Gehen. Gem folgte ihm.
„Kann ich noch kurz mit zu dir kommen, bevor ich gehe?", fragte sie.
Misstrauisch sah er sie an. Sie plante doch schon wieder irgendwas.
Dann zuckte er nur mit den Schultern.
Warum auch nicht?

Wieder in der Wohnung begrüßte Shenni ihren Bruder freudig mit einer Umarmung, aber auch Uma hatte ihn schon erwartet. Ihr Blick verfinsterte sich, als sie Gem sah.
„Die schläft aber nicht hier. Shennon kommt nicht wieder zu mir, damit du in Ruhe-"
„Uma!", unterbrach er sie warnend und sah bedeutungsvoll auf seine kleine Schwester. Shenni blickte fragend zu ihrem großen Bruder auf.
„Hast du was zu Essen mitgebracht?", fragte sie und schob ihre kleine Hand in seine. Felician verzog das Gesicht. Er hasste es, seine kleine Schwester zu enttäuschen.
„Ja, natürlich. Das hat er doch versprochen.", erklang Gems Stimme. Aus ihrem Umhang zog sie ein weiteres Stück Brot, Käse und drei Äpfel. Warnend sah Felician sie an. Was sollte das? Er würde ihre Almosen nicht annehmen!
Gem hielt Umas misstrauischen Blick stand und verkündete:
„Das hat Felician heute verdient. Ihr solltet ihm danken." Ungläubig sah Uma zu ihrem Neffen, der wiederum Gem anstarrte.
„Er arbeitet jetzt für mich.", erläuterte Gem stolz.
„Ich habe ihn heute eingestellt, da ich mit seiner Arbeit sehr zufrieden bin." Herausfordernd drehte sie sich zu ihrem neu erklärten Mitarbeiter um, damit er ihr nicht widersprach. Er blinzelte zweimal kurz, dann beugte er sich zu seiner Schwester und bat sie:
„Shenni, deckst du heute den Tisch? Ich bringe Gem noch nach Hause." Auffordernd nickte er Richtung Tür und Gem verabschiedete sich mit einem schnellen Winken, bevor sie seiner Aufforderung nachkam. Kopfschüttelnd schloss er die Tür.
„Wie kann man so stur sein?", murmelte er.
„Feli?", fragte sie kleinlaut.
„Bist du sauer?"
Er sah sie verwirrt an. Was war er bloß für Idiot. Sie half ihm und er war nicht mal dankbar. Was musste sie nur von ihm halten?
„Nein.", versuchte er zu erklären.
„Aber du hast gerade meiner Familie ein dringend benötigtes Abendessen geschenkt. Du bist einfach zu gut, um wahr zu sein. Ich habe wohl einfach Angst, dass du wieder verschwindest." Erleichtert lachte sie auf.
„Ich verschwinde nicht einfach, keine Sorge. Du bist doch jetzt mein Angestellter.", kicherte sie.
„Morgen um elf vor deiner Tür übrigens, Trainer."
Überlegen sah er sie an.
„Ich denke, du solltest mich Meister nennen.", grinste er und sie grinste zurück.
„Die Idee schneid ich dir morgen gleich wieder aus deinem eitlen Kopf raus.", meinte sie entschlossen und er lachte.
„Wenn du das organisieren kannst, zieh morgen vielleicht eine Hose an, Kapuzenfrau."
„Mal sehen."
Sie winkte ihm zum Abschied und lief die Treppe hinunter.

Wie am Vortag zog sie sich im Drachenraum um und kehrte ins Schloss zurück. Unauffällig ließ sie noch eine Hose eines Dieners mitgehen und ließ verkleidet die Wachposten für einen der Wachräume für den nächsten Tag umschreiben, sodass ein Raum morgen frei stehen würde, dann erst ging sie in ihre Gemächer oben im Bergfried. Lucian war tatsächlich noch nicht da, deshalb zog sie sich ein Schlafkleid an und setzte sich auf das Sofa, um auf ihn zu warten. Sie hasste es, ihn so wenig zu sehen.
Gegen Mitternacht kam er endlich erschöpft zur Tür herein und sah überrascht, dass seine Frau auf ihn wartete.
„Du solltest doch nicht auf mich warten.", murmelte er in ihre Haare, während er sie umarmte.
„Ich konnte ohne dich nicht einschlafen.", erklärte sie und half ihm beim Ausziehen. 
„Was wird denn das, Süße?", fragte er neckisch, als sie sein Hemd aufknöpfte.
„Dafür bist du viel zu müde.", lächelte sie überzeugt.
„Dafür wäre ich nie zu müde.", versicherte er ihr und zog seine Stiefel aus, doch kaum, dass sie ihn ins Bett gedrückt und zugedeckt hatte, war er eingeschlafen. Sie krabbelte zu ihm ins Bett und betrachtete sein friedliches Gesicht. Er war so schön. Liebevoll fuhr sie mit den Fingern durch seine weichen, dunklen Haare. Mit dem beruhigenden Geräusch seines gleichmäßigen Atems neben sich, schlief auch sie erschöpft ein.

JennaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt