Jenna überlegte, zu fragen, ob sie denn einen Grund brauchte, um hier zu sein, doch da das nur wieder zu einer sinnfreien Diskussion geführt hätte, entschloss sie sich, gleich auf den Punkt zu kommen.
„Ich wollte dich bitten, mich zu unterrichten."
Ungläubig lachte ihr Begleiter auf und sah sie an.
„Ich kann nicht mal lesen. In was soll ich dich denn bitte unterrichten?"
„Ich meine trainieren", korrigierte sie sich.
„Ich möchte, dass du mir Kämpfen beibringst."
Er nickte einmal langsam. Nach der Aktion gestern konnte er das verstehen.
„Und wie kommst du zu dem Schluss, dass ich kämpfen könnte? Immerhin ist zum Beispiel Schwertkampf eine ritterliche Kunst."
Sie zuckte nur mit den Achseln.
„Du hattest gestern den Dolch und du hast ein Schwert."
Unwillkürlich schlossen seine Finger sich um den Knauf des Schwertes, das sie ihm gestern geschenkt hatte.
„Woher du es kannst ist mir ziemlich egal, ich möchte es lernen. Natürlich nur, wenn du Zeit und Lust hast."
„Allgemein habe ich nichts dagegen, Zeit hab ich jetzt immerhin genug, aber wie willst du das machen? Wo sollen wir denn üben? Uma flippt aus, wenn wir in der Wohnung kämpfen."
„Ich hatte gedacht, vielleicht in den Wachräumen. Da trainieren ja auch die Soldaten."
Ironisch die Augenbrauen hochziehend hob er den Zeigefinger.
„Richtig! Dort trainieren die Soldaten. Willst du da einfach reinspazieren und fragen, ob du mitmachen kannst?"
„Hey, ein bisschen mehr Vertrauen bitte.", meinte sie gekränkt.
„Ich kann uns für morgen einen Trainingsraum organisieren. Aber was ist mit dir? Solltest du nicht arbeiten? Ich dachte, ihr braucht Geld."
„Naja...", stotterte er.
„Ich, äh, wurde rausgeschmissen."
„Warum das denn?", fragte sie ungläubig.
„Ist nicht wichtig.", würgte er ihre Frage jedoch schnell ab.
„Oh, weißt du was? Wir können heute schon mit trainieren anfangen, ich kenne jemanden, der uns helfen könnte.", lenkte er sie ab, da sie Interesse an ihrer vorigen Frage gefunden zu haben schien, doch jetzt sah sie freudig auf.
„Ja, klingt gut. Wo finden wir denn deinen Bekannten?"
„Wahrscheinlich im Betrunkenen Stiefel, seiner Stammbar."
Er grinste vielsagend.
„Das gefällt dir bestimmt, wenn du alle Facetten des Lebens in Fandrum kennenlernen willst."
Sie warf ihm nur einen misstrauischen Blick zu. Ein Bekannter, den man meistens in der Kneipe fand und Felicians sarkastische Prophezeiung. Kopfschüttelnd ließ sie sich weiter durch die Gänge führen.
Felician fragte sich, ob er ihr den betrunkenen Stiefel wirklich zeigen oder so tun sollte, als kenne er solche Bars, wie diese es war, nicht, aber nach den freundlichen, diskreten Bemerkungen seiner Tante hatte Gem wahrscheinlich jetzt schon ein recht eigenes Bild seines Verhaltens und seines Sexuallebens. Er runzelte die Stirn. Vielleicht sollte er darüber tatsächlich mal nachdenken.
Langsam kamen sie in einen Teil Fandrums, in dem die Leute nach und nach zwielichtiger wurden, teilweise auch orientierungslos durch die Gegend torkelten und ein säuerlicher Geruch nach Alkohol, Dreck und Erbrochenem in der Luft lag. Dunkle, heruntergekommene Hütten und Türen reihten sich aneinander.
Felician blieb erschrocken stehen, als Gems Griff um seinen Arm sich plötzlich verstärkte. Fragend drehte er sich zu ihr um, doch sie hatte nur die andere Hand vor den Mund geschlagen und musste würgen. Schnell zog er sie weiter, weg von der Tür, die einen besonders starken Verwesungsgeruch verströmte.
Sie schluckte trocken, während sie sich immer noch an Felicians Arm festhielt, dann fragte sie, halb im Spaß:
„Hey, Felician. Ich muss mir aber keine Sorgen machen, dass du mich jetzt verschleppst und vergewaltigst, oder?"
Er lachte nur leise und schob sie weiter, bevor er antwortete:
„Nein, keine Sorge. Oder mach dir keine Hoffnungen?"
„Du bist echt unmöglich.", beschwerte sich Gem und schubste ihn weg, schlug sich dann aber schnell wieder eine Hand vor Mund und Nase. Er grinste nur frech, dann deutete er auf eine Tür, hinter der lautes Gemurmel hervor kam.
„Das ist der betrunkene Stiefel. Am besten bleibst du möglichst unauffällig, wenn du doch bemerkt wirst, sag einfach, dass du zu mir gehörst."
Mit diesen Worten trat er durch die Tür, über der an einer Stange ein einzelner zerfledderter Stiefel hing und Gem beeilte sich, ihm zu folgen, sie wollte hier bestimmt nicht alleine im Gang herumstehen.
Drinnen herrschte gelbliches Dämmerlicht und überall waren Menschen. Für Gems Geschmack waren das eindeutig zu viele und sie hielten alle zu wenig von Körperpflege. Einen weiteren Brechreiz unterdrückend sah sie sich um. Hier waren die Leute heruntergekommener als im Rest Fandrums, die Männer waren alle dreckig, laut und die meisten ziemlich betrunken. Von grölend bis bewusstlos war alles vertreten. Die Frauen trugen alle Kleider mit tiefem Ausschnitt, die so kurz waren, dass Anna die Damen wohl in ein Tuch gewickelt hätte.
Jedenfalls gaben die verdreckten Männer hier ihr weniges Geld für Alkohol aus, die Frauen ergatterten sich ihren Teil durch tanzen, die eine oder andere saß auch bei einem auf dem Schoß, bei manchen beeilte Gem sich, schnell weg zu sehen.
Was zur Hölle wollte Felician hier?
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Jenna
FantasyJenna lernt den charmanten Prinzen Lucian kennen, mit dem sie dann bald ins Schloss zieht. Ihr kurzes Glück wird von einer Reihe von Morden getrübt, die nicht lange außerhalb des Schlosses bleiben. Haben die Morde irgendetwas mit Jennas Anwesenheit...