15. Umzug

35 8 0
                                    

Tatsächlich stand Jenna mit ihrem Vater vor der geöffneten Tür des Arbeitszimmers. Mit gerunzelter Stirn sah er sie an und hob den Blick, als er seinen Sohn und einen Fremden hinter ihr auftauchen sah. Als er lächelte, bildeten sich kleine Fältchen um seine warmen, dunkelbraunen Augen. Er war ungefähr so groß wie seine Tochter, wurde also von seinem Sohn überragt und hatte hellbraunes, langsam ergrauendes Haar. Auch er schüttelte freudig Lucians Hand.
„Meine Tochter hat mir bereits von Euren Plänen erzählt. Ich bin mir, ehrlich gesagt nicht ganz sicher, Hoheit, ob es nicht ein wenig zu früh ist.", äußerte der Lord seine Bedenken. „Bitte, nennt mich Lucian, Mylord. Mein Vater hat ähnliche Bedenken, doch wir glauben, dass wir schon dafür bereit sind." In den Augen des Lords lag Ehrfurcht, als ihm klar wurde, dass mit 'mein Vater' der König gemeint war. „Letztendlich ist es eure Entscheidung. Jenna, wenn du dir sicher bist, geh mit ihm. Auch wenn ihr dann im Schloss lebt, seid ihr hier natürlich jederzeit willkommen." Erleichtert nickte sie, drehte sich dann zögerlich zu ihrem Bruder um.
„Nat... Was meinst du?"
Er legte ihr vertraulich die Hand auf die Schulter.
„Es ist dein Leben. Ich möchte nur, dass du glücklich bist. Und wenn das mit ihm der Fall ist, geh mit ihm."
Sie nickte.
„Dann werde ich heute Nacht schon in der Burg schlafen, wenn das in Ordnung ist." Lucian nickte ihr bestätigend zu.
Dann wanderte ihr Blick zurück zu ihrem Bruder.
„Versprich mir, dass du nichts mit den de Feuilles anfängst."
Nat lachte.
„Aber wer soll mich denn jetzt vor den beiden beschützen, wenn du nicht da bist? Aber nein, bei den beiden musst du dir wirklich keine Sorgen machen."
Lachend umarmte sie ihren Bruder und zog dann Lucian zu ihrem Zimmer. Ihr Vater und ihr Bruder verschwanden im Arbeitszimmer, um etwas zu besprechen und den beiden ihre Ruhe zu lassen.
Lucian sah sich neugierig in ihrem Zimmer um, während sie in Schränken wühlte und überlegte, was sie mitnehmen sollte. Auch Anna kam und umarmte ihren Schützling glücklich, als sie hörte, dass sie ausziehen würde. „Ich werde dich vermissen, Jenna.", sagte die alte Zofe ein wenig melancholisch.
„Ach Anna, ich komme dich doch besuchen und dann bringe ich dir den neuesten Klatsch direkt aus dem Schloss mit.", versicherte Jenna ihr. Auch sie würde Anna, die so etwas wie eine Mutter für sie war, vermissen. Bevor die glückliche Stimmung kippen konnte, half Anna der jungen Lady beim Zusammenpacken ihrer Sachen. Kleider brauchte sie eigentlich nicht, die würde sie auch im Schloss bekommen, an Schmuck lag ihr auch nichts, nur ein silbernes Armband, das sie von ihrem Vater zum Geburtstag bekommen hatte, band sie sich um. Schließlich ließ sie sich von Anna überreden, doch ein paar Kleider mitzunehmen, da sie ja nicht sofort passende bekommen würde. Die Stoffbündel drückte sie Lucian in die Hand, dann sah sie sich um. Das Einzige, das sie vermissen würde, war der geschnitzte Baum in ihrer Tür, aber die konnte sie nicht mitnehmen.
„Okay.", seufzte sie schließlich.
„Lass uns gehen."
Lucian sah sie mitleidig an, als sie über die Blätter der Schnitzerei fuhr, bevor sie die Tür ein gefühlt letztes Mal schloss.
„Jenna, wir sind doch nicht weit weg. Du kannst jeden Tag hier her kommen.", sagte Lucian sanft und zog sie an sich. Sie legte den Kopf auf seine Schulter und er strich mit der Hand beruhigend über ihren Rücken. Noch einmal verabschiedete sie sich von ihrem Vater und ihrem Bruder, dann gingen sie zum Schloss.
Dort angekommen drückte Lucian einem vorbeilaufenden Diener Jennas Kleider in die Hand und wies ihn an, diese in sein oberes Zimmer zu bringen. Erwartungsvoll sah er seine frisch gebackene Mitbewohnerin an. „Und, was möchtest du jetzt machen? Ich kann dir den Speisesaal zeigen oder wir essen auf meinem Zimmer. Du kannst dich auch erst erfrischen oder schon schlafen, wie du magst."
„In deinem Zimmer essen klingt gut. Was gibt es denn?"
„Was immer du möchtest.", antwortete er fröhlich. Es hatte doch seine Vorteile, seine Partnerin nach Strich und Faden verwöhnen zu können.
Nach dem Abendessen stand sie sofort wieder auf und ging zum Fenster. Die Dämmerung setzte langsam ein und nur vereinzelte kleine Lichter von Fackeln oder Laternen waren zu sehen. Als winzige goldene Pünktchen spiegelten sich diese Lichter in Jennas Augen. Lucian trat leise hinter sie, legte seine Arme um ihre Taille und vergrub sein Gesicht in ihren Haaren. Mit geschlossenen Augen genoss er den blumigen Duft ihrer weichen Locken und sie lehnte sich instinktiv zurück, an seine Brust. Eine ganze Weile standen sie so da und genossen einfach die Gegenwart des anderen. Nachdem sie gemeinsam den sommerlichen Sonnenuntergang betrachtet hatten, küsste er sie sanft in den Nacken.
„Möchtest du schlafen?", murmelte er leise an ihrem Ohr. Ein wohliger Schauer überkam sie, als sein warmer Atem über ihre Haut strich.
„Ich kann in meinem unteren Zimmer schlafen, wenn dir das lieber ist.", meinte er unsicher, doch sie lächelte nur.
„Du machst die Atmosphäre kaputt.", warf sie ihm vor, dann verschwand sie kurz im Ankleidezimmer und zog sich ein bequemes Schlafkleid an.
Begehrlich sah Lucian sie an, ihr Kleid ging nur bis knapp unter die Knie und war nicht, wie sonst, bodenlang, außerdem hatte es nur zwei dünne Träger. Als würden sie tanzen nahm Jenna seine ausgestreckte Hand und drehte sich leichtfüßig in seine Umarmung.
„Du gehst nirgendwo hin.", hauchte sie an seinen Lippen und küsste ihn, dann zog sie ihn zum Bett. Bevor er zu ihr unter die Decke krabbelte, zog er Schuhe und Hemd aus, behielt seine Hose aber an. Mit dem Rücken an ihn gekuschelt und seine Arme um sie geschlungen schliefen die beiden ein.

JennaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt