9. Im Park

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Da Jenna nur einen kurzen Weg von ihrem Anwesen zum Park des Schlosses hatte, entschied sie sich, dorthin zu laufen. Unterwegs fiel ihr auf, dass sie vergessen hatte, andere Schuhe anzuziehen. Zum Laufen vielleicht ganz praktisch, nur später könnte es ihr peinlich werden, wenn L die Stiefel sah.
Bei dem Gedanken an ihn seufzte sie verträumt auf, setzte aber wieder eine möglichst würdevolle Miene auf, als sie den Park erreichte.
Neugierig sah sie sich auf der Grünfläche um, da sie selbst einen großen Garten hatte, hielt sie sich nur selten hier auf.
Der Garten bestand aus einem zentralen, runden Rasen, der in der Mitte von einem hübschen kleinen Pavillon aus weißem Holz geziert wurde. Ein Kiesweg führte rund um das Gras und wurde auf der einen Seite von ordentlichen Beeten, Büschen und Bäumen gesäumt. Ein Stück entfernt, gegenüber des Eingangsbogens, unter dem Jenna gerade stand, warf Schloss Rehingard seinen Schatten auf die umliegende Landschaft.
Den Blick auf das imposante Gemäuer gerichtet, trat Jenna unter dem Bogen hervor auf den Kiesweg. Außer ihr schien sich gerade niemand auf der Anlage zu befinden, bis ein Mann aus dem Schatten des Pavillons trat. Obwohl Jenna ihn zum ersten Mal bei Tageslicht sah, wusste sie sofort, dass es L war.

Nein.

Sie korrigierte sich in Gedanken.

Nicht L. Prinz Lucian, Kronprinz, Erstgeborener und Thronfolger.
Und verdammt gut aussehend.

Beim letzten Gedanken errötete sie leicht, versteckte dies aber hinter einem strahlenden Lächeln. Auch Lucian begrüßte sie seinerseits mit seinem chaotischen Mundwinkelheben, das seine Augen zum Leuchten brachte.
„Jenna."
Bewundernd betrachtete er ihre Erscheinung. Unter seinem Blick könnte sie ein Erröten diesmal nicht verhindern.
„Euer Hoheit.", sagte sie und knickste tief. Sanft zog der Prinz sie an ihrer Hand aus dem Knicks.
„Jenna, bitte. Nennt mich Lucian." Sie nickte. Atemlos betrachtete sie sein makelloses Gesicht, das nah vor ihrem war. Scharf geschnitten, mit hohen Wangenknochen, einer geraden Nase und einem, zu einem erneuten Lächeln verzogenen Mund näherte es sich ihrem und streifte mit den Lippen sanft ihre. Lucian hatte sich bereits wieder ein Stück zurückgelehnt, als ein wohliges Schaudern über sie lief und sie den unbewusst angehaltenen Atem ausstieß. Lucian nahm seine blauen Augen nicht von ihr und bot seiner Begleiterin seinen Arm an. Mit weichen Knien hakte sie sich bei ihm ein und ließ sich zum Pavillon führen.
„Ich bin wirklich froh, dass Ihr gekommen seid.", stellte Lucian fest, während er ihr das Innere des Häuschens zeigte. Eigentlich war es ein überdachtes Rund, das von einer hüfthohen, kunstvoll geschnitzten Balustrade umgeben war.
„Weshalb hätte ich Eurer Einladung nicht nachkommen sollen?", fragte sie interessiert und nahm zögerlich auf einem bequemen Sofa mit Blick aufs Schloss Platz. „Bei einer so schönen Frau könnte ich mir durchaus vorstellen, dass Ihr vielleicht eine Pause von den Verehren wollt." Der Prinz setzte sich neben sie.

Er fand sie schön!

Ihre Augen blitzen, als sie ihn schelmisch ansah und fragte:„Ihr seid also ein Verehrer?"
Ohne dem durchdringenden Blick seiner blauen Augen von ihr zu nehmen, verflocht er seine feinen, blassen Finger mit ihren.
„Ich denke schon, ja."
Und dann küsste er sie. Erst überrascht, dann überwältigt erwiderte Jenna seinen Kuss. Nach einer gefühlten Ewigkeit, löste er sich langsam von ihr, dabei hätte sie kein Problem damit gehabt, hätte die Ewigkeit noch ein wenig länger gedauert.
„Mein Beziehungsstand hat sich wohl gerade auf 'Verliebt' geändert.", meinte sie schüchtern. Er lachte leise.
„Komm, ich möchte dir etwas zeigen."
Erstaunt bemerkte Jenna, dass er auf ein vertrauliches 'Du' umgesprungen war. Sie nahm seine Hand und ließ sich von ihm hoch helfen. Diesmal hakte sie sich nicht unter und sie liefen Hand in Hand in Richtung Schloss.
Lucian wollte gerade eine hölzerne Tür aufdrücken, als sie aufgeregt feststellte:
„Ich war noch nie im Schloss."
Der Prinz grinste. „Man gewöhnt sich dran. Komm."
Er zog sie in einen von Fackeln erleuchteten Gang und ließ die Tür hinter ihr wieder zu fallen.

JennaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt