Überrascht stellte Jenna fest, dass er diese Aussage wieder einfach akzeptierte, obwohl sie für ihn vermutlich einige Fragen aufwarf. Die Leute in Fandrum schienen seltsam zu sein, wenn auch auf unterschiedliche Arten. Beim Gedanken an ihre Verfolgungsjagd schauderte sie. Er bemerkte es, fragte aber nicht nach.
„Wer war das? Der alte Mann.", fragte sie. Sein Blick verdüsterte sich.
„Das war Minen-Pit. Die Leute nennen ihn so, weil er früher in der Mine gearbeitet hat und sein Herz schwarz wie Kohle ist. Einmal hat ein kleines Mädchen, dass kurz vor dem Verhungern war, ihm ein Stück Brot geklaut. Er hat sie umgebracht. Natürlich haben wir ihn den Wachen gemeldet, die konnten aber auch nichts machen, weil das Kind dem Gesetz nach zuerst einen Diebstahl begangen hatte." Felician seufzte.
„Seitdem meiden alle den alten Pit, der in seiner dunklen Ecke langsam aber sicher verrückt geworden ist. Was wollte er eigentlich von dir?"
Jenna, beziehungsweise Gem, schnaubte abfällig.
„Dass seine Ecke gemieden wird, hab ich auch mitbekommen."
Auf seine Frage ging sie nicht ein. Innerlich aufseufzend überlegte er sich, ob er ihr nicht vielleicht später hätte erzählen sollen, dass man manchmal einfach nicht nachfragte.
Statt einer Antwort fragte sie:
„Du hast gesagt, heute ist Wühlmarkt. Was ist das?"
„Den Wühlmarkt gibt es jeden Monat einmal. Da stellen alle Stände in den vier Ecken der Wachtürmen auf, wo sie dann Sachen verkaufen. Was sie gebastelt haben oder nicht mehr brauchen und so."
Sie mussten diesem Markt schon recht nah sein, denn ihnen kamen immer mehr Leute entgegen, von denen manche ihren erstandenen Krimskrams einpackten oder begutachteten.
„Am Tag danach freut man sich noch, aber nach einer Woche fragt man sich meistens, wo sein Geld hin ist und was man jetzt mit dem Gekauften machen soll, deswegen verkauft man's auf dem nächsten Wühlmarkt selbst wieder."
Der Gang vor ihnen öffnete sich zu einen großen runden Raum, der randvoll mit Menschen, Ständen und sogar Tieren war. Die Luft war erfüllt vom Geruch der teilweise verschwitzten Menschen, schweren Parfums und den Hinterlassenschaften verschiedenster Tiere. Die Atmosphäre war laut, aber gesellig, da von überall her Gesprächsfetzten zu ihnen wehten und an allen Ständen diskutiert, gefeilscht oder lautstark versteigert und geboten wurde.
„Und, Gem? Wie findest du's?"
„Es ist...ziemlich überwältigend. So viele Leute und... Schau mal, ein Vogel aus Metall, der pfeifen kann!"
Er schmunzelte, als sie von der Atmosphäre des Wühlmarkts erfasst wurde, sah sich aber schnell fragend um, als sie in der Menge verschwand. Kurz darauf erblickte er ihre Kapuze an einem Stand für Holzarbeiten. Schnell wühlte er sich zwischen den Leuten zu ihr durch. Als hätte er sie nie aus den Augen verloren, drehte sie sich zu ihm um und präsentierte ihm fasziniert einen geschnitzten Drachen.
„Guck mal, die fein gearbeiteten Flügel-" Schnell nahm er ihr die Holzfigur aus der Hand und stellte sie zurück auf den Tisch.
„Die verdammt teuer sind. Der Drache kostet fast zwei Goldstücke, Gem!"
Sie zuckte nur mit den Schultern, ließ von da an aber gehorsam die Finger von den Sachen. Während sie sich von einer Verkäuferin, die alte Schlüssel verkaufte, über selbige zuquatschen ließ, kaufte er ihr einen Apfel. Die Tatsache, dass er nur noch zwei Silberlinge und drei Bronzestücke hatte, geflissentlich ignorierend, bezahlte er und sah sich nach ihr um. An einem Stand für bunte Knöpfe schenkte er ihr den Apfel und zog sie von den Knöpfen weg. Wie konnte man sich bitte für Knöpfe interessieren? Zufrieden schmatzend aß sie den Apfel, während er sich mit knurrendem Magen ein Stück Brot besorgte und sich fragte, ob er sein Geld nicht lieber hätte sparen sollen. Mit dem Brot hatte er jetzt nur noch einen Silberling und acht Bronzemünzen. Während er besorgt über seinen finanziellen Stand nachdachte, packte sie seinen Arm und zog ihn zu einem Stand am rechten Rand des Marktes. Vor diesem standen ausschließlich Männer, da hier Waffen verkauft wurden. Der glänzende Stahl zog die meisten Männer in den Bann. Auch Felician ließ seinen sehnsüchtigen Blick über die Äxte, Armbrüste, Pfeile, Messer und Schwerter schweifen. Seltsamerweise schien auch Gem sich für die Waffen zu interessieren. Bei einem der Schwerter, die der bärtige Verkäufer stolz präsentierte, rutschte ihm doch tatsächlich ein Seufzen heraus. Dieses Schwert hatte er schon die letzten paar Monate im Auge gehabt und sich vorgenommen, darauf zu sparen, aber dann hatte er den Preis der Waffe erfahren, war gefeuert worden...
„Was ist denn?", fragte Gem neugierig, die sein Seufzen gehört hatte. Er deutete auf den Stand.
„Siehst du dieses Schwert? Es ist absolute Schmiedekunst, das beste, das ich je gesehen habe. Ausbalanciert, Anderthalbhänder und flexible, aber stabile Parierstange."
Jenna verstand zwar kein Wort, trat aber interessiert an den höher gelegenen Stand heran, da der Verkäufer seine Ware wie auf einer Bühne vorstellte. Der Boden der Bühne lag ungefähr auf Höhe ihres Kinns und sie musste den Kopf in den Nacken legen, um den Verkäufer zu sehen, wobei sie wieder ihre Kapuze festhielt.
„Guter Mann!", versuchte sie sich bemerkbar zu machen. Einige der Männer um sie herum warfen ihr bereits irritierte Blicke zu und Felician überlegte, ob er sich nicht lieber unauffällig verziehen sollte, als sie brüllte: „Hey!"
Sie konnte es wohl nicht sonderlich leiden, wenn man ihr einfach keine Beachtung schenkte.
„Ehrensache.", murmelte Felician, mehr um sich selbst zu überzeugen, dann schlängelte er sich durch die Menge zu ihr durch. Einige warfen ihr genervte Blicke zu und um den Stand wurde es leise, als der Waffenhändler sie endlich bemerkte und überrascht den Mund schloss.
„Das Schwert. Was soll es kosten?", verlangte Gem selbstsicher zu wissen und deutete auf das Schwert in der Hand des Händlers, von dem Felician vorhin geschwärmt hatte. Einige lachten und Felician legte ihr die Hand auf die Schulter.
„Hör auf. Wir sollten gehen, Gem.", flüsterte er ihr eindringlich zu, doch sie schüttelte seine Hand ab und fragte erneut: „Was kostet es?"
Der Händler sah sie von oben herab hochnäsig an.
„Ich bezweifle, dass du dir das leisten kannst, kleines Mädchen."
„Was. Kostest. Dieses. Schwert.", knurrte sie bloß zurück. Die Menge verfolgte gespannt die Diskussion, während Felician immer unruhiger wurde. War ihr eigentlich klar, dass er kaum noch Geld hatte? Er wollte es ihr nicht unbedingt unter die Nase reiben, aber das konnte sie sich eigentlich denken.
„12 Goldstücke.", verkündete der Mann schadenfroh. Felician sog scharf die Luft ein.
„Letztes Mal waren es noch 10.", fluchte er. Gem hörte ihn und wiederholte das laut. Er versuchte, sie wegzuziehen, bevor es ungemütlich wurde.
„Ey, Mann, bring mal dein Weib unter Kontrolle!", rief ihm einer der Männer zu. Überrascht riss er die Augen auf und zog seine Hand von ihrem Arm zurück, während er hörte, wie sie mit den Zähnen knirschte.
„Wenn du so viel Gold hast, wie du hier behauptest, kriegst du es für 9!", verkündete der Verkäufer lachend und wollte das Schwert schon kopfschüttelnd wegpacken, als sie eine Goldmünze aufs Holz klatschte. Und noch eine. Eine dritte. Eine weitere. Fassungslos starrte der Händler sie an und Felician riss die Augen auf, wie auch alle anderen. Nachdem sie neun Münzen lautstark auf dem Holz platziert hatte, nahm sie das Schwert entgegen und warf ihm eine zehnte Münze an den Kopf.
„Nicht, dass du durch deine große Klappe noch arm wirst.", meinte sie bissig und machte kehrt. Das Schwert samt Lederscheide in der Hand stolzierte sie durch die Menge auf den Ausgang der Markthalle zu, Felician beeilte sich, ihr zu folgen, bevor die entstandene Gasse sich wieder schloss. Es dauerte eine Weile, bis das Getuschel wieder einsetzte, doch bis dahin hatten die beiden den Markt längst verlassen.
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Jenna
FantasyJenna lernt den charmanten Prinzen Lucian kennen, mit dem sie dann bald ins Schloss zieht. Ihr kurzes Glück wird von einer Reihe von Morden getrübt, die nicht lange außerhalb des Schlosses bleiben. Haben die Morde irgendetwas mit Jennas Anwesenheit...