So schnell sie konnte hetzte Jenna den Gang entlang. Ihren keuchenden Atem hörte sie über das Rauschen des Blutes in ihren Ohren kaum, die schnellen Schritte ihres Verfolgers nahm sie dafür umso deutlicher wahr. Immer wieder wickelte der Stoff des Kleides sich um ihre Beine und Füße und brachte sie zum Stolpern, weshalb sie fluchend versuchte, das Kleid im Rennen zu raffen, konzentrierte sich jedoch schnell wieder aufs Laufen, als sie das Keuchen des alten Mannes hinter sich hörte. Wie konnte der in dem Alter nur so verdammt schnell sein? Sie meinte, seinen fauligen, warmen Atem bereits im Nacken zu spüren und versuchte panisch, noch schneller zu rennen. Als sie um die Ecke bog sah sie schnell hinter sich, um zu sehen, wie nah der Mann bereits war. Sie konnte den Blick nicht von seinen irre glitzernden Augen abwenden und rannte mit voller Wucht in etwas rein. Sie prallte überrascht zurück und hielt sich ihre schmerzende Nase. Nicht noch jemand! Sie konnte auf keinen Fall vor zwei geldgierigen Verrückten flüchten.
„Oh, Verzeihung, ich-", begann der Mann, in dessen breiten Rücken sie gelaufen war und drehte sich um. Mit einem Blick erfasste er die Situation und zog die schwer atmende junge Frau hinter sich, dann zog er einen Dolch aus der Tasche und richtete ihn auf den Mann.
„Verschwinde.", knurrte er den Alten an, welcher mitten in der Bewegung inne hielt. Er fluchte noch etwas, dann beeilte er sich, aus dem finsteren Blick des Jüngeren zu verschwinden.
Sobald der Alte sich getrollt hatte, drehte der andere Mann sich zu der jungen Frau um, die an der Wand versuchte, wieder zu Atem zu kommen und sich immer noch die Nase hielt.
„Bitte," , ein Schlucken unterbrach ihre keuchenden Atemzüge, „tu mir nichts. Du kannst das Gold haben, aber bitte, lass mich gehen."
Er ging einen Schritt auf sie zu, doch als er sah, wie sie zusammenzuckte, hielt er inne und sprach beruhigend auf sie ein.
„Ganz ruhig. Ich werde dir nichts tun. Lauf bitte nicht weg, du bist verletzt. Ich schaue mir jetzt deine Nase an, nicht weglaufen. Ganz ruhig."
Es schien zu wirken, denn sie wurde tatsächlich ruhiger und blieb regungslos stehen, als er auf die zuging, doch sobald er ihre Kapuze absetzten wollte, um ihre Nase zu begutachten, legte sie entschieden eine Hand auf seine Brust und schob ihn zurück.
„Nur ein bisschen Nasenbluten. Hast du vielleicht ein Tuch oder so?", meinte sie ein wenig näselnd, da sie ihre Hand noch vor der Nase hatte. Hilfsbereit zog er einen Stofflappen heraus und hielt ihn ihr entgegen. Wortlos schnappte sie sich das dargebotene Stück Stoff, drückte es an ihre Nase und legte den Kopf ein wenig zurück, wobei sie ihre Kapuze mit der anderen Hand davon abhielt, von ihrem Kopf zu rutschen.
„Danke.", nuschelte sie schließlich, als die Blutung sich beruhigt zu haben schien. Freundlich aber auch ein wenig verwirrt sah er sie an.
„Kein Problem. Ich bin übrigens Felician."
Er streckte ihr seine Hand entgegen, die sie erst ein wenig misstrauisch zu mustern schien, aber schließlich nahm und schüttelte. Unabsichtlich bemerkte Felician, dass ihre Haut zu weich war, um an Arbeit gewöhnt zu sein und macht sich eine mentale Liste über das Mädchen, das ihr Gesicht nicht zeigen wollte.
„Ich bin..."
Sie zögerte kurz.
„Ich bin Gem."
„Gem? Wie ein Edelstein?", fragte er belustigt, woraufhin sie fragend den Kopf schief legte.
„Ist das ein Problem?", fragte sie, schärfer als sie eigentlich beabsichtigt hatte. Felician schüttelte den Kopf.
„Na dann, Gem, kommst du ab hier alleine klar?"
Bevor sie ihm eine Antwort gab, schien sie mit sich zu ringen.
„Naja.", begann sie zögernd.
„Nein.", gab sie dann unsicher zu.
„Ich bin zum ersten Mal hier und ich weiß nicht wo ich bin und wie ich wieder raus komme."
„Okay.", antwortete er schlicht.
„Ich hab gerade Zeit. Hast du ein bestimmtes Ziel oder so?"
Wieder zögerte sie kurz, schüttelte aber schließlich den Kopf.
„Wenn du möchtest, führe ich dich ein bisschen durch Fandrum. Heute ist Wühlmarkt, dort könnten wir hingehen." Nach erneutem Zögern nickte sie und lief neben ihm her, als er los ging.
Er dachte bereits, sie würde ihn jetzt den Rest des Weges anschweigen, als sie leise fragte:
„Warum tust du das?"
Verwundert sah er sie an.
„Was?"
„Mich beschützen, mir helfen. Mich akzeptieren, obwohl du nicht weißt, wer ich bin."
„Oh, okay, du scheinst wirklich neu hier zu sein. Wenn man in Fandrum Sitëa eine vermummte Gestalt sieht, geht man nur aus dem Weg. Es werden keine Fragen gestellt, insgesamt gibt es die meisten Antworten nur gegen Geld."
„Und du möchtest jetzt Geld von mir?"
Er hob eine Augenbraue, bis er das kleine Lachen in ihrer Stimme hörte und verstand, dass sie einen Witz gemacht hatte.
„Nein, keine Sorge. Aber zurück zu deinen Fragen. Ich helfe dir, weil ich heute...frei habe."
Hörte sich für ihn nach einer ganz passablen Formulierung an, für die Tatsache, dass er gerade gefeuert worden war.
„Und Beschützen ist natürlich Ehrensache. Oder vielleicht auch natürlicher Instinkt, der bei hübschen Damen in Not aufkommt."
Er grinste sie frech an und sie wandte ihm den Schatten ihrer Kapuze zu.
„Woher willst du wissen, ob ich hübsch bin? Vielleicht verstecke ich ja ein entstelltes Gesicht unter meiner Kapuze." Daraufhin zuckte er nur mit den Schultern.
„Ja, vielleicht."
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Jenna
FantasyJenna lernt den charmanten Prinzen Lucian kennen, mit dem sie dann bald ins Schloss zieht. Ihr kurzes Glück wird von einer Reihe von Morden getrübt, die nicht lange außerhalb des Schlosses bleiben. Haben die Morde irgendetwas mit Jennas Anwesenheit...