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Felicians Geduld platzte und er trat einen Schritt auf sie zu.
„Mit dem Prinzen? Du kennst ihn?Kennst du ihn persönlich?"
Zögerlich nickte sie.
„Und den König, kennst du ihn auch?"
„Ja. Können wir über etwas anderes reden?"
„Arbeitest du im Schloss?"
„Ja. Können wir jetzt bitte das Thema wechseln?"
„Bist du eine Zofe?"
Bei dem Wort 'Zofe' zuckte sie kaum merklich zusammen und ihr Blick wurde abweisend.
„Nein."
Felician machte einen weiteren Schritt auf sie zu.
„Du hast gezuckt. Du bist eine Zofe!"
Kalt sah sie zu ihm auf und presste zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor:
„Ich sollte jetzt gehen."
„Gem, nein!"
Als sie sich ihren Umhang überwarf und zur Tür rauschte, versuchte er, sie am Arm festzuhalten, doch sie funkelte ihn warnend an. Sofort zog Felician seine Hand zurück.
„Es tut mir leid, Gem. Bitte bleib da."
Er folgte ihr auf den Gang.
„Ich glaube dir! Es tut mir leid, wirklich!"
Sie antwortete nicht und sah ihn nicht an, wurde aber langsamer, sodass er zu ihr aufschließen konnte.
„Was genau habe ich falsch gemacht?", fragte er mit ernsthafter Reue.
„Es ist mein Fehler."
„Wie meinst du das?"
Endlich wendete sie ihm wieder ihr Gesicht zu.
„Ich hätte nie hierherkommen sollen."

Mit leicht geöffneten Mund starrte er sie sprachlos an. Sie blieb stehen und starrte einfach schweigend zurück in seine braunen Augen.

„Heißt das, du bereust es?", brachte er schließlich leise über die Lippen. Er hatte Angst vor ihrer Antwort, doch er musste es wissen.
„Alles, was du hier gelernt hast. Alles, was du erlebt hast."
Verletzt sah er sie an.
„Dass du mich kennengelernt hast?"
Sie schluckte. Ihre Lippen zitterten.
„Bereust du unsere Begegnung?", fragte er jetzt lauter.
Sie presste die Lippen aufeinander. Er öffnete gerade den Mund, um etwas zu sagen, als es aus ihr herausbrach:
„Ich weiß es nicht!"
Überrascht zuckte er zurück, nur um mit ansehen zu müssen, wie ihre starke Maske bröckelte und ein verunsichertes junges Mädchen zurückließ.
„Es war ein Fehler, aber ich glaube nicht, dass ich es bereue."
Gem hatte den Blick gesenkt und starrte auf den Boden.
Felician stand betreten neben ihr und wusste nicht, was er tun sollte. Durfte er sie jetzt wieder berühren?
Probehalber legte er ihr seine Hand auf die Schulter.
„Was ist los?"
Irgendetwas konnte nicht stimmen. Er kannte sie zwar noch nicht lange, aber sie war eigentlich ausgeglichen genug, um nicht gleich so zu reagieren.

Gem schüttelte den Kopf und schloss erschöpft die Augen.
„In meinem Leben passiert nur gerade so viel. Ich weiß nicht, wie ich das alles verarbeiten soll."
„Naja, in meinem Leben passiert auch viel."
Fast angestrengt hob sie ihre Lider und sah ihn fragend an.
„Du zum Beispiel. Von heute auf morgen habe ich wieder eine Arbeit und eine eigene Wohnung. Das ist gar nicht wenig, finde ich."
Sie lächelte nur müde.
„Deine Sorgen will ich haben.", seufzte sie.
„Sag Shenni, dass alles in Ordnung ist und sie versuchen soll, ihren Namen zu schreiben."
„Du gehst?"
Sie nickte bestätigend.
„Es wird langsam spät."
„Und..." Verlegen fuhr er sich durch seine dunkelbraunen Haare.
„Kommst du morgen?"
„Ja." Sie lächelte ihm kurz zu und verschwand dann in ihren Umhang gehüllt nach draußen.

In ihren Gemächern saß Lucian über den Schreibtisch gebeugt und war in seine Arbeit vertieft. Wieder in ihren normalen Kleidern legte Jenna ihm die Hände auf die Schultern.
„Was machst du da, Schatz?", fragte sie und linste auf das Pergament.
Lucian schreckte auf.
„Jenna!"
Er stand auf und drehte sich zu ihr, um sie mit einem Kuss begrüßen zu können.
„Ich gehe nur ein paar Sachen durch und Pläne. Aber, ähm...worüber ich nachgedacht habe..."
Er kratzte sich nachdenklich am Hinterkopf.
„Es geht um die Beerdigung. Wie, wo, wann und wer soll alles eingeladen werden?"
„Oh." Jenna schluckte.
„Wenn du eine große Trauer haben möchtest, können wir es frühestens morgen machen. Komm her."
Er zog seine Frau zum Sofa und dort auf seinen Schoß, wo sie sich vertrauensvoll an ihn lehnte.
„Nein, nichts großes. Anna würde keine große Aufregung wollen. Ich möchte eine kleine Beerdigung, auf der nur wir sind. Und mein Bruder und vielleicht mein Vater."
Lucian nickte verständnisvoll.
„Wenn du willst und die beiden Zeit haben, können wir Anna jetzt gleich in der kleinen Kapelle vor Rehingard beisetzen lassen."
„Jetzt gleich?" Sie sah ihn mit großen Augen an.
„Ja. Ja, ich möchte sie jetzt sofort beisetzen."
Er nickte.
„Soll ich deine Familie holen lassen, oder-?"
„Nein, ich möchte sie selbst abholen."
„Dann komm."

Sie fanden ein schlichtes schwarzes Kleid für Jenna und einen eleganten dunklen Anzug für Lucian, dann verließen sie gemeinsam das Schloss.
Jennas Vater und Nathaniel reagierten erst überrascht, sahen aber schließlich, wie wichtig es ihr war und zogen sich ebenfalls um. Zu viert gingen sie, alle schwarz gekleidet, zu der kleinen Kapelle, die Lucian gemeint hatte. Annas Leiche wurde nicht begraben, da das Schauerbild von der Treppe entfernt und untersucht worden war, doch es war eher ein symbolisches Begräbnis, um mit der Sache abschließen zu können. Der Prediger empfahl Annas Seele dem Himmel und sprach über die Vergänglichkeit allen Seins und darüber, dass es ohne Tod kein Leben geben konnte.
Jenna vergoss wieder einige Tränen und legte eine Blume auf den Flecken Erde, der Annas Grab sein sollte. Nach der kurzen Zeremonie gingen sie wieder nach Hause. Nathaniel gab ihr noch den Rat, wenigstens mal mit Silvana zu sprechen, doch das war Jenna momentan ziemlich egal.
Zurück in ihrem Zimmer kramte Jenna die Münze mit dem eingeprägten Baum hervor und gab sie Lucian, der sie erstaunt betrachtete.
„Sie ist wunderschön. Wo hast du sie her?"
„Ich habe sie prägen lassen. Sie ist für dich."
„Und womit verdiene ich so etwas?"
„Damit, dass du einfach du selbst bist und dass du versuchst, für mich da zu sein und gleichzeitig deine Verpflichtungen dem Volk gegenüber zu erfüllen. Ich habe deine Drachenschuppe und ich will, dass du etwas Besonderes von mir hast."
„Ich hatte eigentlich gemeint, womit ich so etwas absolut großartiges wie dich verdient habe."
Er sah sie liebevoll an und zog sie an sich.
„Wenn das alles vorbei ist, werde ich mehr Zeit für dich haben."
Als Antwort kuschelte sie sich nur an ihn und schlief so schließlich ein, bis er sie ins Bett legte.

JennaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt