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Sie trainierten eine ganze Weile, bis sich Gems anstrengender Vortag, die darauf folgende Nacht und der unruhige Schlaf bemerkbar machten.

„Okay, das reicht für heute.", meinte Felician bestimmt, als ihre Bewegungen langsamer wurden. Sie wollte protestieren, wurde aber von einem Gähnen daran gehindert.
„Hm, ja, ich hab eigentlich auch noch was zu tun.", lenkte sie ein.
Mit einem Nicken nahm er ihre Aussage zur Kenntnis und reichte ihr ihren Umhang.
„Wo treffen wir uns morgen?", fragte er, woraufhin sie nachdenklich den Kopf schief legte.
„Wie ist das Verhältnis zwischen dir, deiner Tante und Shenni gerade so?", sagte sie statt einer Antwort, völlig zusammenhanglos.
„So angespannt wie immer. Shenni war traurig, dass du gestern und heute nicht gekommen bist."
Überrascht sah sie ihn an.
„Echt? Aber sie kennt mich doch kaum."
„Bei uns kommen ja nicht so oft Leute vorbei." Er wandte den Blick ab.
„Und die meisten kommen ja nur einmal und interessieren sich auch nicht so für Shenni, verstehst du?"
„Mhm.", nickte sie und verdrängte ihre Urteile über sein Verhalten.
„Aber warum fragst du?", wechselte er das Thema, da es auch ihm unangenehm war.
„Naja, hier stehen nur Waffen rum und sonst ist es eine leere Wohnung."
Langsam begriff er, worauf sie hinauswollte.
„Ihr könntet hier einziehen, wenn ihr wollt.", schlug sie vor und sah ihn erwartungsvoll an.
„Oh...das ist...", er war sprachlos.
„Das kann ich nicht machen.", fing er sich entschieden.
„Ich kann mir keine Wohnung schenken lassen."
„Oh, es wäre kein Geschenk."
Sie grinste hinterhältig und ließ den Schlüssel zwischen ihren Fingern hin und her wandern.
„Du bekommst die Wohnung erst, wenn du eine Arbeit gefunden hast. Für den Vormittag, nachmittags brauche ich dich noch."
Nachdenklich schürzte er die Lippen.
„Und Shennon? Sie ist dann den halben Tag alleine hier.", wandte er ein.
„Ich kann mich ab zehn oder elf um sie kümmern, du kommst dann am Nachmittag und wir trainieren.
Eigentlich... Ja!"
Sie sah ihn begeistert an, als hätte sie die Idee des Jahrhunderts. Er blickte beinahe ängstlich zurück.
„Ich weiß schon, was ich dann mit Shenni mache.", meinte sie fröhlich, wissend, dass er mehr Informationen wollte, die sie ihm aber erst mal nicht geben würde.

Er wusste das auch, aber 'fröhlich' beschrieb seine Reaktion nicht wirklich.
„Hm.", brummte er nur.
„Komm schon, die Bedingungen sind mehr als machbar. Einverstanden?"
Feierlich hielt sie ihm die Hand hin.
Schließlich seufzte er und schlug ein.
Zufrieden schob sie ihn aus der Wohnung und sperrte diese ab, dann spazierten sie den Gang entlang bis zum Ausgang, wo sie ihm wieder eine Münze gab und sie sich für den nächsten Tag in ihrem selbsternannten Trainingszimmer verabredeten.

Felician wusste nicht, was er davon halten sollte. Es würde nicht leicht werden, eine Arbeit zu finden, da auch einige ihn, seinen Ruf und den Grund für seinen letzten Rauswurf kannten, aber der Gedanke, nicht mehr mit Uma in einer Wohnung leben zu müssen, war schon verlockend.

Jenna hatte tatsächlich noch einen wichtigen Punkt, den sie abhaken musste, deshalb holte sie sich wieder ein ihr angemessenes Kleid und zog sich um, bevor sie, offiziell als Prinzessin Jenna, das Schloss verließ.
Ihr Ziel lag nicht weit entfernt, es war das Anwesen ihres Vaters.
Ob er schon von dem Mord wusste? Vermutlich schon, immerhin betraf er indirekt seine Tochter. Sie musste schlucken. Ihre gute Laune von eben war wie weggeblasen, verdrängt von düsteren Gedanken.

Jetzt, wo sie genauer darüber nachdachte, kam es ihr wirklich seltsam vor. Anna hatte auf den Stufen direkt vor ihren Gemächern gelegen und den Kopf so verdreht, dass sie jeden, der die Treppe hinaufkam, anstarren musste. In diesem Stockwerk wurde die Treppe nur noch von König Malcolm, Lucian, ihr und ab und zu Bediensteten verwendet, also musste der Mörder damit gerechnet haben, dass ein Mitglied der Königsfamilie die Leiche finden würde. Ob es etwas zu bedeuten hatte, dass Anna die Tote war? In dem Fall hätte das Ganze wirklich ihr gegolten, immerhin hatten die beiden anderen die Zofe nicht gekannt, aber vielleicht war es auch nur ein Zufall mit tödlichem Ende gewesen, dass Anna in diesem Moment vor dem Zimmer gestanden hatte. Aber warum hätte sie dann so positioniert werden sollen?

Nachdenklich betrat Jenna die Eingangshalle des Hauses, wo sofort ein Diener auf sie aufmerksam wurde.
„Prinzessin Jenna!"

Warum kannten alle sie als Prinzessin? Sie war gar nicht mit Lucian verheiratet.

„Hoheit, Euer Vater und Euer Bruder haben Euch gesucht. Sie sind gerade im Arbeitszimmer."
„Danke.", nickte Jenna ihm zu und lief noch immer geistig nicht ganz anwesend die Treppe hinauf. Schon von Weitem hörte sie die Stimme ihres Vaters.
„...gehen. Nicht jetzt, wo sie in Gefahr ist!"
„Ich würde sie niemals alleine lassen, das weißt du."
„Genau das hast du aber gerade vorgeschlagen, Nathaniel!"
„Ich kümmere mich darum. Sie wird jemanden haben, der - Jenna!"
Die beiden drehten sich zu ihr um. Angesichts ihrer schuldbewussten Blicke sah Jenna sie misstrauisch an. Sie hätte zu gerne gewusst, worum es ging, aber keiner von beiden sah so aus, als würden sie ihr etwas erzählen wollen.
„Jenna, wie geht es dir?", fragte ihr Vater besorgt und ließ sie auf seinem Stuhl Platz nehmen.
„Es geht schon wieder. Solange ich mich nicht zu sehr damit beschäftige, ist es in Ordnung.", antwortete sie wahrheitsgemäß, dann wollte sie neugierig wissen:
„Worüber habt ihr geredet?"
„Nichts wichtiges.", winkte Nat ab, wobei er nicht besonders glaubwürdig klang.

Seit wann verschwieg ihr Bruder ihr etwas?

Ihr Vater unterbrach ihren Gedankengang.
„Jenna, wir haben jemanden zum Palast geschickt. Deine neue Zofe, Silvana."

JennaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt