23.

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„Der Wühlmarkt ist wirklich schön, aber anstrengend, finde ich.", teilte sie ihre Gedanken mit ihm, während sie mit dem Schwert den Gang entlang schlenderte. Immer noch fassungslos starrte er sie von der Seite an. Wie konnte sie jetzt einfach so tun, als wäre nichts gewesen? Als hätte sie nicht gerade ein Schwert gekauft, das so viel wert war, wie er im Jahr verdiente? Auf seine imaginäre Liste über sie setzte er ein: Hat so viel Geld, dass sie andere damit abwirft.
„Das macht echt müde.", meinte sie und gähnte demonstrativ.
„Kannst du mich wieder zu einem Ausgang bringen? Ich sollte langsam gehen." Er nickte und schluckte trocken, dann brachte er sie zum Nordausgang.

„Wie finde ich dich, wenn ich mich mal wieder verlaufe? Hast du überhaupt Zeit? Und natürlich nur wenn magst.", schob sie schnell hinterher.
„Ich wohne hinter der zweiten Tür rechts beim Westausgang. Kommst du denn wieder hierher?"
Dass er seit heute wohl oft frei haben würde, verschwieg er ihr, vor allem jetzt, nach der Demonstration ihres Guthabens, das man ihr weder ansah noch -merkte.
„Mal sehen. Wenn ich Zeit habe.
Danke nochmal für deine Hilfe und den schönen Tag." Mit diesen Worten drückte sie ihm die Lederscheide samt Schwert in die Hand. Ihm fiel die Kinnlade herunter, die sie mit ihrem Zeigefinger wieder hoch drückte, dann winkte sie kurz und hüpfte die Treppe hinunter.

Ohne es ganz fassen zu können, starrte Felician auf das Schwert in seiner Hand. Neun Goldmünzen hatte es gekostet. Bewundernd strich er über das weiche Leder und zog das Schwert ein Stück heraus, bis sein verwundertes Gesicht sich in der blanken Klinge spiegelte. Was genau hatte er da gerade erlebt? War der ganze Tag vielleicht nur ein verrückter Traum gewesen? Kopfschüttelnd befestigte er die Schwertscheide an seinem Gürtel und ging zu seiner Wohnung. Hoffentlich hatte er nicht nur geträumt, denn das Sicherheit spendende Gewicht des Schwertes an seiner Seite fühlte sich einfach zu gut an.

Jenna tauchte im bunten Treiben des Schlosshofs unter und beschloss, so unauffällig wie möglich zum großen Tor hinaus und vom Garten in den Drachenraum zu gehen, in dem sie ihre Kleider gelassen hatte. Dort zog sie sich um und wickelte das Leinenkleid in den großen Umhang, den sie dann zu einem handlichen Stoffbündel verknotete. Wohlig aufseufzend strich sie über ihr teures Kleid. Der weiche Samt war schon um einiges bequemer als das kratzige Leinen. Mit dem Stoffbündel in der Hand verließ sie den Drachenraum, spazierte am Pavillon vorbei, um das Schloss herum, ging erneut, diesmal jedoch als Prinzessin Jenna, durch das Tor und verschwand im Bergfried. Auf ihrem Weg überlegte sie, ob sie Lucian von ihrem Tag erzählen sollte, immerhin würde ihr Mann wohl nicht allzu begeistert davon sein, dass sie alleine durch die dunkle Stadt streifte, von einem verrückten alten Mann gejagt wurde und einem Fremden ein Schwert schenkte.
Da Lucian noch nicht von seiner Besprechung mit seinem Vater zurückgekehrt war, ließ sie sich von zwei Bediensteten die Badewanne mit heißem Wasser füllen und schickte sie dann hinaus, um in Ruhe ein Bad nehmen zu können. Sie sank in das warme Wasser, das sanft ihre Haut umspielte, Schmutz von ihrem Körper wusch und sie aufwärmte. Eine ganze Weile saß sie nur genießerisch in der Wanne, erst als das Wasser langsam wieder abkühlte, fing sie an, sich zu waschen, danach stieg sie aus der Wanne und wickelte sich in ein weiches Tuch. Zu ihrer freudigen Überraschung war Anna wieder da und trocknete ihre Haare.
„Kennt Ihr Lord Erald?", fragte die Zofe, während sie ihre Haare abtupfte. Jenna erinnerte sich vage an einen der schmierigen Lords vom Ball, von denen sie einen als Erald in Erinnerung hatte. Sie nickte zögernd.
„Also heute in der Küche habe ich ja gehört, er sei mit einer jungen Dame liiert, hat aber trotzdem drei Mätressen! Und neulich hat er..."
Jenna schaltete ab und ließ Anna sich über Klatsch und Tratsch auslassen, von dem es in Schloss doch wesentlich mehr gab, als in ihrem vergleichsweise kleinen Anwesen. Für Anna schien ein Leben in Rehingard wie gemacht zu sein, während Jenna seit ihrem Besuch in Fandrum Sitëa ein wenig am Schlossleben zweifelte. Natürlich hatte es haufenweise Vorteile, zum Beispiel das ganze Geld, die Kleider, das Essen, für das sie nicht arbeiten musste und vor allem warme Bäder, aber die teilweise heuchlerische Unterwürfigkeit der Bediensteten war schon störend. Auch bei den anderen Adeligen wusste man nie, woran man war. Sie wollte nicht unbedingt, dass jeder, der sie nicht leiden konnte, sie gleich mit einem Messer in der Hand verfolgte, aber es war eine ziemlich eindeutige Nachricht, während ein Fürst sie mit einem breiten Lächeln anlügen würde, könnte er sich damit selbst helfen oder einen Vorteil verschaffen. Seufzend unterbrach sie sich selbst in ihren Gedankengang. Was sollte das denn? Sie würde sowieso hierbleiben. Hier war ihr Zuhause, ihre Familie und natürlich ihr geliebter Lucian, der in diesem Augenblick zur Tür hereinkam. Mit einem freundlichen Lächeln und einem vielsagenden Augenzwinkern verließ Anna das Gemach, um den beiden Zeit alleine zu gönnen.

JennaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt