25.

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Verwundert sah er auf und seine Schwester schob sich hinter ihn. Da sie selten unter Leute kam, war sie ein wenig schüchtern. Felician strich ihr beruhigend über die Haare, dann öffnete er die Tür. Zu seiner Überraschung stand Gem davor.
„Hey.", meinte sie unsicher.
„Ähm, kann ich reinkommen? Oder ist es gerade schlecht?"
Felician gab sich einen Ruck und trat einen Schritt zur Seite.
„Nein, kein Problem. Komm rein."
Dankend nickte sie ihm zu und trat in die Wohnung. Neugierig sah seine kleine Schwester jetzt hinter seinem Bein hervor die Fremde an.
„Wer bist du?", wollte Shennon wissen. Zwar brachte ihr Bruder öfters Mädchen mit, die sogar über Nacht blieben, aber die hier war anders.
„Oh.", bemerkte Gem aufrichtig überrascht. Sie wusste selbst nicht, was sie erwartet hatte, aber ein Kind? Sie hätte eher gedacht, dass Felician alleine lebte.
„Ich bin Gem. Und du?"
Sie beugte sich zu dem Mädchen hinunter. Sie war zwar nur fünf Jahre älter als sie, aber beim Anblick der unschuldigen Augen der Kleinen fühlte sie sich steinalt.
„Ich bin Shenni."
„Meine Schwester, Shennon.", fügte Felician ihrer Vorstellung hinzu.
Gem schüttelte ihre Hand, als seine Tante in den Raum platzte.
„Wer ist da? Was willst du?", fuhr sie Gem an, die sofort eine abweisende Haltung einnahm.
„Das ist Gem, Tante Uma.", erklärte Shenni. Da Felician es hasste, wenn seine Schwester den stechenden Blick von Uma auf sich zog, sagte er:
„Sie ist eine Bekannte von mir."
So entschieden wie möglich klingend, versuchte er dadurch festzulegen, dass Gem bleiben durfte.
„Deine anderen Flittchen sind wenigstens abends gekommen, da musste ich sie nicht sehen.", beschwerte sich Uma.
„Was zu essen kriegt sie jedenfalls nicht. Wir sind hier nicht die Heilsarmee!"
„Alles, was wir hier zu essen haben, wird von meinem Geld bezahlt.", knurrte Felician zurück.
„Deswegen haben wir ja auch nichts!", keifte seine Tante und verließ den Raum. Gem fühlte sich sichtlich unwohl, nur Shennon, die diese Streits und Ausbrüche gewohnt war, sah neugierig zu ihrem Bruder auf.
„Feli, was sind Flittchen?", fragte sie leise. Er wurde rot. Weniger ob der Frage seiner Schwester, als der Bemerkung seiner Tante.
„Das sind Frauen, die mit vielen Männern gleichzeitig ganz eng befreundet sind. Das verstehst du, wenn du älter bist."
„Das sagst du immer.", schmollte Shennon, sah dann aber wieder zu Gem.
„Bist du auch ein Flittchen?", fragte sie neugierig, wovon Felicians peinlich berührtes Rot noch eine Spur dunkler wurde, doch Gem lachte nur auf und schüttelte den Kopf.
„Nein, das bin ich doch hoffentlich nicht. Flittchen sind meistens doof.", erklärte sie Shennon, die daraufhin verständnisvoll nickte.
„Shenni, darf ich dich mit Tante Uma alleine lassen? Ich muss noch einkaufen.", fragte er seine kleine Schwester. Es war erst Mittag, er hatte also noch genügend Zeit um auch später einkaufen zu gehen, doch er wollte sich in Ruhe mit Gem unterhalten, was in der kleinen Wohnung praktisch unmöglich war, da sie nur aus der Kammer mit den Betten für Shenni und Felician und einer Küche-Wohnzimmer-Kombination bestand, in der auch Umas Bett stand.
„Ja klar, wenn du noch einkaufen musst. Was gibt es denn heute Abend?"
Er wuschelte ihr bedauernd durchs Haar.
„Wieder Brot.", seufzte er.
Ihr das zu sagen bedeutete, dass auch Gem es erfuhr und vor allem er es sich eingestehen musste.
„Oh, okay.", meinte sie enttäuscht, rang sich aber ein Lächeln ab.
„Wir sind bald wieder da, mein tapferes großes Mädchen.", versicherte er ihr und umarmte sie zum Abschluss.
„Es war schön, dich kennen zu lernen.", verabschiedete sich auch Gem, dann verschwanden sie zur Tür hinaus.
„Deine Schwester ist echt niedlich.", sagte Gem, kaum dass sie in den Gang getreten waren.
„Ich wünschte nur, sie hätte es nicht so schwer, dass ich ihr etwas besseres geben könnte als...", verbittert suchte er nach Worten und deutete schließlich mit einer vagen Handbewegung in die Richtung, aus der sie kamen ,
„als das da. Mit Uma." Die letzten Worte spuckte er fast abfällig aus.
„Warum wohnt ihr dann bei ihr?"
„Bevor meine Eltern gestorben sind war alles besser.", seufzte er.
„Sie sind vor zehn Jahren bei einer Pestepidemie gestorben, ein halbes Jahr nach Shennons Geburt. Ich war auch erst zehn und Uma die einzige lebende Verwandte, also wurden wir sozusagen zwangsadoptiert. Jetzt sind wir nur noch da, weil sie nicht genug verdient, um sich alleine ernähren zu können und ich mir keine eigene Wohnung leisten kann. Aber es ist wahrscheinlich sogar weniger als gegenseitige Akzeptanz, von Sympathie ganz zu schweigen."
Gem nickte nur. Keine Mitleidsbekundungen, keine eigene Geschichte, sie hörte nur zu und akzeptierte es unkommentiert.
„Wie siehts bei dir aus, wenn ich fragen darf, geheimnisvolle Kapuzenfrau?", fragte Felician neugierig.
„Meine Mutter ist tot, aber meinem Vater geht's gut.", antwortete sie knapp.
„Okay, das war doch mal ausführlich.", meinte er sarkastisch.
„Aber informativ.", erwiderte sie.
„Wie auch immer.", schloss Felician die Diskussion ab.
„Warum bist du hier?"

JennaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt