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Die Gestalt trat hinter Felician hervor ins Licht und knickste tief.
„Euer Hoheit.", grüßte Silvana.

Jenna verengte ihre Augen zu Schlitzen und zischte:
"Was tust du hier?"
"Ich hole Euch ab. Ihr könnt nicht hierbleiben, Hoheit."
"Und warum sollte ich mit dir gehen?", fragte Jenna verächtlich, woraufhin Silvana sie erstaunt ansah.
"Habt ihr den Brief nicht gelesen? Von Nathaniel."
Jenna starrte überrascht zurück.
"Woher...?"
Dann begriff sie es endlich.
"Du bist Silver?", fragte sie ihre Zofe misstrauisch, die daraufhin nickte.
"Majestät, er sagte, wenn etwas passiert, soll ich Euch möglichst weit weg bringen. Gesattelte Pferde stehen vor den Toren Rehingards und warten auf Euch."

"Ich- Gut, ich komme gleich."
Felician hielt Jenna am Arm fest.
"Du vertraust ihr?", fragte er ungläubig.
"Mein Bruder vertraut ihr. Was habe ich schon für eine Wahl?"
"Und dein Bruder? Wo ist er?"
Jenna senkte den Blick und antwortete nicht, deshalb fragte Feli leise:
"Wirst du wiederkommen?"
"Ich weiß es nicht.", antwortete sie mit belegter Stimme, ohne ihn anzusehen, weshalb Felician ihr Kinn sanft abhob.
"Du kannst jederzeit hierherkommen. Immer. Das sollst du wissen."
"Danke.", hauchte sie mit einem leisen Lächeln.

Felician bemerkte wie nah ihre Gesichter sich waren und wich ein Stück zurück.
"Viel Glück.", verabschiedete er sich und verschwand in seiner Wohnung.
Kurz starrte Jenna die geschlossene Tür an, dann riss sie sich zusammen, drehte sich um und lief los. Eines hatte sie noch dringend zu erledigen, bevor sie einfach verschwinden konnte.

Leicht fröstelnd Dank des abendlichen Herbstwetters stand sie kurz darauf vor dem Haus ihres Vaters, ihrer Kindheit. Sie konnte nicht gehen, ohne sich von ihm zu verabschieden. Sie wusste, dass es ihr schwer fallen würde, da seine beiden Kinder nun mit einem unbestimmten Ziel einfach davon ritten, aber sie konnte nicht bleiben. Zum anderen war sie ein wütend, weil er ihr nie von ihrer Mutter erzählt hatte. Zumindest in diesem Punkt musste sie ihn nochmal dringend zur Rede stellen.

Diesmal den Haupteingang nehmend ging sie zuerst in ihr altes Zimmer und holte sich einen warmen Mantel. Als sie an einem Spiegel vorbei lief, sah sie ein grünes Blinken darin und hielt inne. Die Drachenschuppe, das Geschenk von Lucian, das immer noch an einem Band um ihren Hals hing, hatte sich im Licht einer Fackel gespiegelt. Sie schluckte die aufkommenden Tränen herunter, atmete tief durch und lief zügig weiter.
Ob er sich fragen würde, wo sie war?
Würde er sich Sorgen machen?
Würde er herausfinden, wo sie hinging?
Würde es herausfinden, wo sie hinging?
Sie fröstelte bei dem Gedanken und zog den Stoff des Mantels enger um sich.

Gerade wollte sie an die Tür zum Arbeitszimmer ihres Vaters klopfen, als sie bemerkte, dass diese einen Spalt weit offen stand. Mit angehalten Atem hielt sie inne und lauschte, während sie sich wieder wünschte, ein Messer mitgenommen zu haben. Mit rasendem Herzen drückte sie mit den Fingerspitzen leicht gegen das glatte Holz der Tür, die sich lautlos weiter öffnete. Sie bemerkte einen leicht metallischen, ihr inzwischen bekannten Geruch in der Luft, der ihr eine Gänsehaut über den Körper jagte. Der Geruch von frischem Blut.

Im Dunkel des Abends konnte sie nur eine Silhouette erkennen, die einen kleineren, schwächeren Körper an die Wand drückte. Die große Gestalt trat einen Schritt zurück, ohne den Blick von ihrer Tat zu wenden und der kleinere Körper löste sich langsam von der Wand, kippte wie in Zeitlupe nach vorne und traf mit einem dumpfen Geräusch auf dem Boden auf. Einzig das Messer in der Brust des Kleineren verursachte ein leises, metallisches Klirren.

Entgegen aller Vorsicht schlug Jenna entsetzt die Hände vor den Mund, als sie den Toten als ihren Vater erkannte. Sofort wirbelte die andere Gestalt zu ihr herum und fixierte sie mit kalten, gänzlich schwarzen Augen. Lucians ehemals so schönes Gesicht war durch Hass und Mordlust fast zur Unkenntlichkeit verzogen.
"Bald habe ich ihn ganz.", knurrte er mit bedrohlich tiefer Stimme, dann stolperte er zurück gegen einen Schrank. Daran stützte er sich ab, während er den Kopf schüttelte und energisch blinzelte, bis das Schwarz verschwunden war.

"Was hast du getan?!", schrie Jenna ihn an. Ihre Stimme überschlug sich, getränkt mit Kummer, Hass, Verzweiflung, Wut und Tränen. Lucian schreckte zusammen und sein Blick schoss zu ihr. Entsetzt weiteten sich seine Augen, als er sie erkannte, dann huschte sein Blick weiter durch den Raum, bis er an der Leiche hängen blieb.
Fassungslos starrte er auf den regungslosen Körper, dann zurück zu Jenna. Sein Mund öffnete sich, als wolle er etwas sagen, doch plötzlich sprang er auf und rannte durch eine Seitentür. Mit einem Krachen schloss die Tür sich hinter ihm, nachdem sein Umhang hinaus geweht war und Jenna wurde aus ihrer Trance gerissen. Neben ihrem Vater fiel sie auf die Knie und fühlte verzweifelt seinen Puls. War da nicht ein Pochen, eine kleine Bewegung?
Es musste da gewesen sein!
Er musste leben!

Doch nur ein paar stumpfen Augen starrte an die Decke, bis sie mit der Hand darüberstrich, um sie zu schließen.
"Möge deine Seele die Sterne finden.", hauchte sie mit zittriger, von Tränen rauer Stimme, dann konnte sie den Anblick nicht mehr ertragen. In der Schublade des Schreibtisches fand sie zwei Dolche, die sie einsteckte, dann stürmte sie zur Tür hinaus.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jun 29, 2016 ⏰

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