Sie rettete sich vor dem strömenden Regen in die dunkle Trockenheit Fandrums und atmete erst mal tief durch. Ihr langer Mantel war dunkel und schwer vom vielen aufgesogenen Wasser, deshalb wrang sie ihn so gut es ging aus. Kleine Pfützen hinterlassend stieg sie die paar Stufen hinauf und tauchte in die dunkle Stadt ein.
Bei dem Wetter und um diese Uhrzeit lagen die Gänge wie ausgestorben da und eine Gänsehaut lief über Jennas Körper, als sie irgendwo vor sich ein Geräusch hörte. Sie hielt sich dicht an der Wand, setzte ihre Kapuze auf und konzentrierte all ihre Sinne auf ihre Umgebung.
Plötzlich hörte sie ein Rascheln hinter sich und spürte kurz darauf, wie zwei raue Hände ihre Unterarme packten und auf dem Rücken verschränkten. Von der Stärke des Griffs und der Fläche der Körperwärme, die sie in ihrem Rücken spürte, schätzte die den anderen auf einen mittelgroßen, relativ muskulösen Mann von etwa dreißig Jahren.„Was flattert denn ein Vögelchen wie du zu so später Stunde hier herum?", raunte der Fremde ihr freudig ins Ohr und festigte seinen Griff. Als er sie an sich zog, wurden Jennas Instinkte und das im Training Gelernte aktiviert und sie warf ihren Kopf in den Nacken. Für ihn schmerzvoll krachte ihr Hinterkopf gegen seine Nase und er taumelte überrascht und fluchend zurück. Jenna wirbelte herum, stellte zufrieden fest, dass ihre Einschätzung richtig gewesen war und trat ihn in den Bauch. Mit einem Stoß ihrer Schulter hielt sie ihn auf Abstand und zog gleichzeitig mit einer fließenden Bewegung ein Messer, das am Gürtel des Mannes hing. In einem kurzen unachtsamen Moment erwischte der Angreifer sie am Fuß und die strauchelte. Sofort schubste er sie von sich und gegen die Wand. Der raue Stein schürfte ihre Wange auf und der Schmerz schärfte ihre Sinne. Ein weiteres schnelles Handgemenge und der Mann stand mit dem Rücken zur Wand und hatte sein eigenes Messer unter der Nase. Ohne den Blick von der Klinge zu wenden hob er langsam die Hände.
„Das Vögelchen hat Lust, Nasen abzuschneiden.", knurrte Jenna ihn an und war froh über die nächtliche Dunkelheit, die ihr Gesicht noch immer verbarg.
„N-Nein, bitte. Es war nicht so gemeint!", jammerte der Mann.
„Und was streunst du nachts hier herum und greifst junge Frauen an?", zischte sie. Der Mann ließ seinen Blick über ihren Körper wandern, deshalb drückte sie die Messerspitze gegen seine Nase und sofort war er wieder bei der Sache.
„Ich-ich dachte, Ihr bräuchtet vielleicht Hilfe, Lady. Ei-eine Unterkunft vielleicht. Wollte nur he-helfen.", stotterte der Mann.
„Dann soll dir das helfen, dich daran zu erinnern, wenn du nächstes Mal eine junge Frau siehst.", zischte Jenna und zog mit einer schnellen Bewegung das Messer über seine rechte Wange.Der Schnitt war nicht tief, ohne Infektion würde er in einer Woche nur noch eine Narbe hinterlassen, aber der Mann heulte auf, als sein Blut auf Jenna spritzte.
„Verschwinde.", knurrte sie ihn an und er nahm die Beine in die Hand.
Angewidert von sich selbst musste Jenna zugeben, dass ihr das geholfen hatte, nach allem, was passiert war. Außerdem hatte er es nicht besser verdient und sie hatte jetzt ein Messer, beruhigte sie sich und setzte ihren Weg fort. Stolz bemerkte sie, dass sie sich in Fandrum bereits recht gut auskannte, als sie etwa zwanzig Minuten später vor Felicians Tür stand.Jetzt bekam sie doch Zweifel an ihrem Plan. Was sollte sie denn machen?
Einfach hereinspazieren und die Geschwister rausschmeißen? Und wenn Feli nein sagte? Sie würde ihm ja wohl kaum drohen, außerdem hatte Shenni ihr nichts getan. Verdammt, was hatte sie sich nur dabei gedacht? Aber welche Alternative hatte sie schon? Hier im Gang schlafen? Hier würde sie sofort jemand erkennen und bei Lucian verpfeifen. Und wenn nun Feli den Wachen sagte, dass die Königin hier saß? Aber sie hatte keine Wahl, ihm konnte sie von allen noch am ehesten vertrauen.Mutig hob sie die Hand und zwang sich, zu Klopfen. Sie zuckte zusammen, als das Geräusch in der leeren Stille unerwartet laut widerhallte und schluckte. Drinnen hörte sie ein leises Rascheln, dann vorsichtige Schritte.
„Wer ist da?", fragte Felician misstrauisch von der anderen Seite der Tür.
„Ich. Hier ist...ich.", beendete Jenna kraftlos den Satz. Für sie würde er niemals die Tür aufmachen, das hatte er doch schon klargestellt.
„Bitte.", flüsterte sie. Es war das Wort, das ihre Gefühlslage aktuell wohl am besten beschreiben konnte.
Tatsächlich erklang ein leises Kettenrasseln als Feli aufsperrte und er öffnete die Tür einen Spalt breit, um hinaus sehen zu können.
„Ge- Jenna?!", fragte er überrascht.
DU LIEST GERADE
Jenna
FantasyJenna lernt den charmanten Prinzen Lucian kennen, mit dem sie dann bald ins Schloss zieht. Ihr kurzes Glück wird von einer Reihe von Morden getrübt, die nicht lange außerhalb des Schlosses bleiben. Haben die Morde irgendetwas mit Jennas Anwesenheit...