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Hoch erhobenen Hauptes stolzierte Jenna an den Leuten vorbei, obwohl ihr kalt war. Sie unterdrückte ein Zittern und drückte leicht Lucians Hand, um ihn zu beruhigen, da er bereits wieder reichlich genervt aussah. Ansonsten blickte er stur geradeaus, kein einziges Mal auf den Sarg.

Eine Bewegung am Rand der Menge erregte ihre Aufmerksamkeit. Es war ein dunkelblondes Mädchen, das von einem jungen Mann mit braunen Haaren am Arm festgehalten wurde. Beide waren komplett durchnässt, doch kaum hatte die Prinzessin sie erkannt, konnte sie ihren Blick kaum noch abwenden.
Auch Felician starrte sie nach erstem Zurückzucken an. Jetzt wusste er, wer sie war. Wie ehrlich war wohl sein Versprechen, dass es ihn nicht interessierte, wer sie war?
Auch Shenni machte große Augen, sagte aber nichts.

Um nicht zu sehr aufzufallen, sah Jenna schnell wieder nach vorne. Hoffentlich erkannte sie sonst niemand, allerdings hatte sie ja immer ihre Kapuze getragen. Trotzdem konnte die Prozession gerne ein wenig schneller laufen.

Als hätte Lucian ihre Unruhe bemerkt, zog er sie leicht zu sich und sah sie besorgt an.
„Alles in Ordnung.", lächelte sie.
„Nur ein bisschen kalt."
Sofort legte er einen Arm um ihre Schultern, zusammen mit seinem warmen Umhang.
Die erstaunten und pikierten Blicke der Adeligen ignorierend ließ sie sich in den Stoff wickeln und lehnte sich an ihn.
„Hübsche Kette.", lächelte der Prinz ihr zu. Er sah zwar erschöpft aus, doch das Lächeln schien zu helfen. Es war das Erste seit dem Tod seines Vaters.
„Den Anhänger habe ich von jemandem bekommen, der mir sehr wichtig ist.", lächelte Jenna zurück und freute sich über das amüsierte Funkeln in seinen Augen.

Welche Ironie, dass der Tag der Beerdigung sein bisher fröhlichster war.

„Wäre es respektlos gegenüber den toten Seelen, wenn ich dich jetzt küsse?", flüsterte er.
Obwohl sie jetzt bereits eine Weile mit ihm zusammen war, brachte er doch ihr Herz noch immer zum Rasen.
„Warte wenigstens, bis wir in der Gruft sind und nicht mehr die ganze Burg zuschaut.", meinte sie und wurde leicht rot.

Der Thronfolger wartete brav, bis sie endlich zum großen Tor hinaus waren und die Kirche betreten hatten, dann küsste er sie schnell, bevor wieder alle Aufmerksamkeit bei ihnen lag.
Die nächsten Stunden ließ das junge Paar schweigend über sich ergehen, dann hielt Lucian eine kurze Trauerrede, bevor der Sarg in der Gruft der königlichen Familie auf ein Podest gestellt wurde.

Lucian fröstelte, als er auf die leeren Podeste sah.
„Als würden sie auf einen warten.", murmelte er Jenna zu.
„Wie eine Erinnerung daran, dass es für jeden irgendwann Zeit ist zu gehen.", bestätigte sie leise.

Der Sarg wurde mit Weihwasser besprengt und letzte Worte des Abschieds wurden gesprochen.
Auch Lucian trat noch einmal vor den Sarg. Er warf einen langen Blick darauf, dann murmelte er leise:
„Es tut mir leid."
Er wandte sich ab und ging zurück zu Jenna.
Sie hatte König Malcolm nicht wirklich gekannt, deshalb waren ihre letzten Worte an ihn nur das traditionelle 'Möge deine Seele die Sterne finden'.

Für die nächsten drei Tage war eine Trauer angesetzt, in der keine Feste oder Versammlungen gehalten werden durften, doch der Prinz, der die Ruhe jetzt am ehesten gebraucht hätte, wurde noch am selben Abend von einem Berater aufgesucht.
Dieser war einer der wenigen, die nicht versuchten sich für einen persönlichen Vorteil bei ihm ein zu schleimen. Der Berater wusste was er tat, aber Lucian war sich sicher, dass er jede Schwäche vonseiten des Königs ausnutzen würde. Lucian würde vorsichtig sein müssen, doch wenn er es schaffte, könnte der Mann ihm tatsächlich eine Hilfe sein. Nicht dass er ihn dann eher würde leiden können, es war eher einer Art zwangsläufiger Respekt vor dem jeweils anderen.

„Euer Hoheit, es gibt noch immer einiges zu organisieren."
Der hagere Berater saß aufrecht auf dem Sofa, als müsse er jede Sekunde aufspringen, während Lucian sich in einem Sessel zurückgelehnt hatte und Jenna sich eher im Hintergrund haltend hinter ihm stand.

Der Prinz nickte.
„Die Vorbereitungen für die Krönungsfeier nach der Trauer sind bereits im Gange."

„Oh, ich spreche nicht von der Krönung. Ihr müsst darüber hinaus sehen. Nur weil Ihr dann eine Krone tragt, wird das Volk und der Adel Euch nicht sofort respektieren. Dem Adel kann man leicht ein wenig Honig ums Maul schmieren, aber das Proletariat ist nicht so leicht zufriedenzustellen."

„Was erwartet das Volk? Was würde mir ihren Respekt einbringen?"

„Nun ja, die Zukunft des Landes muss gesichert werden und aktuell seid Ihr der Letzte in der Thronfolge."

„Ich verstehe nicht ganz."

„Ihr braucht einen Erben. Eine Absicherung, für den Fall, dass auch Ihr einem... Umstand zum Opfer fallen solltet."

Der Berater lehnte sich vor und sah ihn bedeutungsschwer an.
„Was ich Euch vorschlagen würde - selbstverständlich ohne Euch etwas vorzuschreiben - ist eine Hochzeit. Eine Königin als Stütze und ein erster Schritt in Richtung des Erben, wenn ich das so ausdrücken darf."

JennaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt