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Jenna stand abwartend vor ihm und wartete auf eine Reaktion. Seine Augen weiteten sich in milder Überraschung und Verwunderung, aber Jenna sah kein Erkennen.

Endlich schüttelte er langsam den Kopf.
„Du kommst mir bekannt vor, aber ich könnte nicht sagen woher."
„Dann würde ich sagen, denk nicht weiter drüber nach.", lachte sie erleichtert.
Sie vertraute ihm, aber es war doch sicherer, wenn er ihren Status nicht kannte.
Nachdem das geschafft war, erinnerte sie sich, dass sie mit Nahkampf beginnen wollten und sie legte den Umhang ab. Erwartungsvoll sah sie ihren Lehrer an.
„Also, womit fangen wir an?", fragte sie fröhlich.

Zu Beginn übten die größtenteils, wie sie Schlägen auswich, indem sie sich duckte, sprang oder außer Reichweite kam. Einmal überraschte sie ihn mit einer schnellen Rückwärtsrolle, um dem von ihm angezeigten Schlag zu entkommen. Konzentriert schnellte sie wieder hoch und wartete aufmerksam auf seine nächste Bewegung.
Felician war fast ein wenig neidisch, eine so schnelle Rolle konnte er nicht.
Sie fuhren mit Abwehr fort, mit dem Blocken von Schlägen und wiederholten schließlich alles.
Mit geröteten Wangen sah sie ihn an.
„Ich möchte gegen dich kämpfen.", verkündete sie. Verwundert hob er die Augenbrauen.
„Bist du sicher? Wir haben noch keinen-"
„Angst, großer starker Mann?", fragte sie grinsend und blitzte ihn aus ihren grünen Augen herausfordernd an.
Er verkniff sich ein triumphales Grinsen und stellte sich ihr gegenüber.
Angriffe hatten sie noch nicht geübt, also würde sie es wohl auf Verteidigung ankommen lassen.
Mit einem schnellen Schritt stürzte er auf sie zu und täuschte einen Schlag mit der Linken an, um dann mit der Rechten zu kommen. Sie durchschaute es nicht sofort, blockte aber seinen Schlag erfolgreich ab. Schnell sprang sie über sein Bein, als er versuchte, ihr die Füße wegzufegen und sah ihn vorwurfsvoll an. Sie hatten nur Schläge geübt.
„Setz deinen ganzen Körper ein!", belehrte er sie bloß und kassierte kurz darauf einen Stoß mit dem Ellenbogen zwischen die Rippen. Anerkennend nickte er ihr zu und sie begannen erneut, sich zu umkreisen. Sie wirbelte um ihn herum, wich aus, wehrte seine Schläge ab und er ließ sie sich austoben, bis er entschied, es sei langsam spät und sein Bewegungsmuster änderte. Ein paar Sekunden später lag sie atemlos am Boden, wo er sie festhielt.
„Nicht schlecht.", grinste er überheblich und sah auf sie hinunter, doch sie schnaubte nur und wand sich aus seinem Griff.
„Nein, wirklich, das war ziemlich gut dafür, dass du's heute erst gelernt hast.", beteuerte er wieder ernst und reichte ihr eine Hand, die sie nahm und sich auf die Beine zog.
„Hm." Sie klang noch immer unzufrieden.
„Oh, ich hoffe doch, dass ich immer gewinnen werde.", grinste Felician.
Sie wollte ihm einen genervten Blick zuwerfen, musste dann aber doch schmunzeln.
„Wir werden sehen.", grinste sie zurück.
„Na dann. Wir sollten gehen."

Er drehte sich zur Tür und hatte seine Finger fast am Türknauf, als er hinter sich ein verdächtiges Rascheln hörte und kurz darauf Gems Gewicht auf seinem Rücken spürte. Ihr Versuch, ihn zu Boden zu bringen, wurde leider nur mit einem kurzen Straucheln belohnt, dann packte er sie und warf sie über seine rechte Schulter vor sich auf den Boden. Sie keuchte kurz auf, dann verzog sie ein wenig das Gesicht.
„Alles in Ordnung?", fragte Felician mit einem erneuten triumphalen Grinsen. Grummelnd rappelte sie sich wieder auf und nahm ihren Umhang, den er ihr gab, entgegen. Sicherheitshalber bedeutete er ihr, zur Tür zu gehen und diese zu öffnen, um nicht noch einmal überraschend angefallen zu werden.

Wieder sorgfältig in ihren Umhang gewickelt und ihr Gesicht im Schatten der Kapuze verborgen sperrte sie die Tür ab und ging mit Felician zurück.
„Gehst du noch einkaufen?", fragte sie, als die beiden vor seiner Wohnung stehen blieben. Bisher waren sie nach dem Training immer noch gemeinsam auf dem Markt gewesen.
„Nein, wir haben von gestern noch etwas übrig, das reicht heute noch. Möchtest du noch mit rein kommen?"
„Ist das denn für Uma in Ordnung?", fragte sie vorsichtig.
„Das ist doch egal.", antwortete er nur.
„Nein, ich möchte nicht der Grund dafür sein, dass deine Familie sich streitet."
Er schnaubte nur abfällig.
„Wir streiten uns immer, damit hast du nichts zu tun. Du bist nur der Grund, dass wir nicht verhungern."
Sie schenkte ihm ein vages Lächeln.
„Ich sollte trotzdem los, es wird spät."
Sie gab ihm zwei Münzen, die er fragend ansah, da er für gewöhnlich eine Münze bekam.
„Ich kann morgen nicht.", erklärte sie. Bevor er protestieren konnte, dass er dann ja auch nicht arbeite, war sie mal wieder verschwunden. Kopfschüttelnd betrat er seine Wohnung.

Jenna bekam in ihren Gemächern Besuch von Anna, da Lucian wieder einmal noch nicht da war. Die beiden Frauen redeten über alles Mögliche, von den unmöglichen Schuhen einer Lady aus einem Gebirge im Osten, über die Herkunft des Weins, den es zu trinken gegeben hatte, bis hin zur Pflege von Pferdehufen, nur über die Toten ließ niemand ein Wort fallen.

Nach Sonnenuntergang steckte die Zofe Jenna ins Bett und sie fühlte sich fast um einige Jahre zurück versetzt, in die Zeit, in der Anna sie jeden Abend zu Bett gebracht hatte. Mit dieser glücklichen Erinnerung schlief sie ein und bemerkte nicht mehr, wie Anna den Raum verließ und wenig später Lucian eintrat und sich zu ihr legte.

JennaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt