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Sie starrte ihren Vater sprachlos an, bis die Worte langsam ihren Weg in ihr Bewusstsein fanden.
„Eine neue Zofe?", hakte sie noch einmal nach und ihr Vater nickte.
„Sie ist so alt wie du. Ihr werdet euch bestimmt gut-"
„Ich will keine neue Zofe! Wenn ich nicht Anna haben kann, dann lieber gar keine! Ich will nicht irgend so eine nervige Zicke, die immer um mich herumwuselt und glaubt, sie könnte Anna ersetzen!"
Nat legte ihr die Hand auf die Schulter.
„Jenna, beruhig dich doch, Silvana kann-"
„Schon dieser Name! Niemand kann Anna ersetzen, niemand kann mich so verstehen wie sie, niemand teilt die selben Erinnerungen mit mir wie sie, niemand..."
Ihre Stimme wurde leiser und ging schließlich in einem Schluchzen unter.
Wortlos zog ihr Bruder sie in eine tröstende Umarmung und hielt sie einfach fest, während sie leise wimmerte, doch es dauerte nicht lange und ihre Tränen versiegten wieder.
„Wolle wir in den Garten gehen? Das war doch dein Lieblingsort, dann ist es wieder wie früher.", flüsterte Nathaniel leise an ihrem Ohr und sie nickte dankbar, woraufhin sie sich im Garten an den kleinen Bach setzten.

Schutz suchend lehnte sie sich an ihn.
„Geht es wieder?"
Sie schniefte und lachte freudlos auf.

„Ich bin ein emotionales Wrack. Ich hatte heute schon mal so einen Zusammenbruch, weißt du? Danach war alles wieder gut, bis ich vorhin wütend geworden bin und wieder heulen musste. Ich bekomme von mir selbst Kopfweh."

Nat legte seinen Arm um ihre Schultern und sah sie an.

„Das ist ganz normal. Es ist immerhin erst der zweite Tag. Deine Ausbrüche sind vielleicht unangenehm, aber sie bedeuten, dass du dich damit beschäftigst und auseinandersetzt und das ist besser, als wenn du alles einfach runterschluckst und versiegelst. So kommst du eher darüber hinweg."

Sie blinzelte.
„Aber was genau ist über etwas hinwegkommen? Ist es Vergessen? Das möchte ich nicht."

„Wann bist du so erwachsen geworden?", seufzte Nathaniel leise, bevor er ihre Frage beantwortete:
„Hinwegkommen ist nicht Vergessen, im Gegenteil. Es bedeutet, langsam den Schmerz über einen Verlust zu seinem Vorteil nutzen zu lernen und sich nicht von ihm schwächen oder zerbrechen zu lassen. Annas Tod wird irgendwann für dich eine Erinnerung sein, die dich dazu bewegen wird, sie in Ehren zu halten oder sie kann dir Kraft schenken. Es ist eine wichtige Erfahrung, die du aber auch in Wut umwandeln kannst, wenn du sie brauchst."
Andächtig hatte sie seinem Vortrag gelauscht, jetzt knuffte sie ihn leicht in die Seite.
„Und du fragst dich, wann ich erwachsen geworden bin? Ich werfe zumindest nicht mit poetischen Spontanreden um mich."
Er grinste seine Schwester an.
„Keine Sorge, das kommt schon noch."

Den Rest des Abends widmeten sie sich fröhlicheren Themen, sprachen über alles, was bei ihnen passiert war und erinnerten sich oft an ihre Kindheit, die nicht weit in der Vergangenheit lag, aber eine für sie beinahe unvorstellbare Unschuld barg.
Kurz vor Sonnenuntergang verabschiedete sich Jenna und beeilte sich, zurück ins Schloss zu kommen, bevor Lucian sich Sorgen machte.

Der Prinz wartete tatsächlich
bereits ungeduldig in der Eingangshalle des Bergfrieds und drehte sich sofort um, als er ihre Ankunft hörte.
„Jenna!", rief er erleichtert und sie sprang in seine ausgebreiteten Arme, als hätten sie sich ewig nicht gesehen. Nach einer liebevollen Umarmung, die in einen intensiven Kuss überging, hielt er sie auf Armlänge vor sich, um sie anzusehen.
Freudig bemerkte er, dass ihre wunderschönen grasgrünen Augen wieder glänzten und nicht mehr von der niedergeschlagenen Trübheit gefüllt waren.
„Es schön zu sehen, dass es dir wieder besser geht.", lächelte er seine Frau an.
„Ja, ich war heute bei meinen Vater und habe mit Nathaniel gesprochen. Das hat mir sehr geholfen."
Ein stolzes Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus, als sie nicht mehr vom Anwesen ihres Vaters als 'ihr Zuhause' sprach.
Denn das war es nicht. Ihr Zuhause war hier, im Schloss, bei ihm. Sie war hier, weil sie es wollte, weil sie zu ihm gehören wollte und nur zu ihm. Kein anderer würde je Hand an sie legen, solange er lebte.
Eigentlich hatte er mit ihr über die Organisation einer Beerdigung für Anna sprechen wollen, aber ihr intensiver Begrüßungskuss hatte ihn zu der Entscheidung getrieben, es heute Abend voll auszunutzen, dass er diese wundervolle Frau an seiner Seite hatte.
Er legte ihr die Hände um die Taille und zog sie schwungvoll an sich, bis seine Stirn an ihrer lag und ihr heißer Atem auf seinen Lippen kitzelte.
„Sagt, schöne Frau, habt ihr heute Abend schon etwas vor?", fragte er kokett und knabberte leicht an ihrer Lippe.
„Heute unteres Zimmer?", erwiderte Jenna atemlos und er zog sie die paar Stufen zu seinem unteren Gemach hinauf. Kurz vor der Tür wurden sie unterbrochen.
„Verzeihung, Hoheiten. Prinzessin Jenna, Prinz Lucian?"
Ungeduldig fuhr der Angesprochene herum.
„Was?"
„Ich bin Silvana, Majestät. Ich-"
Jenna unterbrach sie ebenso unfreundlich wie ihr Mann, der eine Reihe von Küssen auf ihrem Hals platziert hatte, bevor sie gestört worden waren.
„Ja, meine neue Zofe. Komm morgen wieder vorbei, Silvana."
Wie sie es aussprach, klang der Name fast wie eine Beleidigung.
„Gute Nacht.", legte sie bestimmt das Ende das Gesprächs fest und ließ sich von Lucian in das Zimmer ziehen.

Er stieß die Tür nur zu, um sie
dagegen zu pressen und mit den Küssen fortzufahren.
„Wer war das denn?", murmelte er mit rauer Stimme, während sie sich unter seiner Bewegung räkelte.
„Meine neue Zofe.", seufzte sie, während er begann, ihr Kleid aufzuschnüren.
„Was die jetzt wohl von uns denkt?", grinste er und strich den Stoff von ihrem Körper.
„Den besten Teil bekommt die doch gar nicht mit.", raunte Jenna ihm zu und krallte sich in seinem Hemd fest, als sie sich rücklings aufs Bett sinken ließ, sodass sie ihn mit hinunter zog.
„Gott bin ich froh, dass ich diesen Teil nicht verpasse."

JennaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt