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Am nächsten Tag sah Jenna sich, kaum das sie den Raum verlassen hatte, mit ihrer neuen Zofe konfrontiert.

„Guten Morgen, Hoheit."
„Morgen."
Als Jenna die Stufen hinunterlief, folgte Silvana ihr und Jenna drehte sich langsam zu ihr um.
„Was soll das werden?"
„Als Eure Zofe werde ich Euch begleiten, damit ich Euch immer helfen kann."
„Ich kann schon alleine laufen, danke."
Es kam schärfer heraus, als Jenna es beabsichtigt hatte, doch sie korrigierte sich nicht. Sollte doch diese Silvana gleich wissen, dass sie kein beste-Freundinnen-Kaffeekränzchen werden würden.
„Das ist mir bewusst, Hoheit."
Jenna seufzte genervt.
„Wenn ich dich brauche, werde ich dich rufen oder nach dir suchen, okay?
Du brauchst mir nicht hinterher zu rennen. Das schränkt mich ein."
Schuldbewusst sah Silvana zu Boden und die Prinzessin bekam doch ein schlechtes Gewissen, immerhin war die Zofe auch erst siebzehn.
„Bleib einfach hier im Schloss, dann ist alles gut und wir kommen miteinander klar.", legte Jenna fest und verschwand zur Tür des Bergfrieds hinaus.
Genau so etwas anhängliches, unterwürfiges wollte sie auf keinen Fall haben und irgendeine neugierige Zofe, die ihr auf Schritt und Tritt folgte, schon gar nicht.
Dank ihrer schlechten Laune fiel das Klopfen an Felicians Tür energischer als sonst aus. Shennon öffnete und ihr Gesicht erhellte sich freudig.
„Gem! Feli, Gem ist da!"
Kompromisslos zog die Zehnjährige sie in die Wohnung und schloss die Tür wieder. Uma ließ sich nicht blicken.
Verschwörerisch flüsterte Shenni Gem zu:
„Feli sagt, du bringst uns hier raus."
Erwartungsvoll sah die Jüngere Gem an, die wiederum den Blick hob und Felician, der gerade eingetreten war, vorwurfsvoll ansah. Shenni da mit rein zu ziehen war ein fieser Schachzug, aber bitte, das konnte sie auch.
„Ja, schon, aber Feli ist auch wichtig. Er muss sich das nämlich erst verdienen, indem er sich eine Arbeit sucht."
Überrumpelt blickte er zurück, doch Shenni wandte ein:
„Aber er hat doch eine Arbeit. Er arbeitet doch für dich."
Jenna blinzelte. Damit hatte sie nicht gerechnet.
„Aber ich werde doch auch nicht für immer hier sein, Shenni."
Große Kulleraugen blickten sie an.
„Warum denn nicht? Du kannst doch bei uns wohnen."
Bei diesem Vorschlag lachte Gem auf.
„Aber ich habe doch noch ein Leben, Shennon. Ich habe schon ein zu Hause."
„Aber du kannst ja umziehen. Dann kommst du zu uns und du kannst Feli heiraten. Ihr mögt euch doch, oder?"
Jetzt musste Jenna wirklich lachen und sah zu Felician, der nur versuchte, ein Grinsen zu unterdrücken und die Wand anstarrte.
„Ich habe aber einen Freund. Vielleicht heirate ich den irgendwann. Feli und ich mögen uns als Freunde."
Trotzig verschränkte Shenni die Arme.
„Ich hoffe, du heiratest deinen Freund nicht, sondern Feli."
„Die Chancen stehen schlecht, aber ich nehme es zur Kenntnis.", lachte Gem.
„Ich finde schon noch jemanden, keine Sorge.", grinste Felician und wuschelte seiner kleinen Schwester durch die Haare.
„Komm, lass uns gehen."
Zu zweit verließen sie die Wohnung.

„Ich habe schon über eine Arbeit nachgedacht.", begann Felician das Gespräch.
„Fleißig.", kommentierte Gem nur.
Unauffällig betrachtete Felician ihr Profil. Sie hatte also einen Freund, bei dem sie vermutete, dass sie ihn irgendwann heiraten würde. Es war ihm nicht ganz so gleichgültig, wie er gedacht hätte.
„Bei einem Münzpräger. Ich wollte mich heute bewerben."
„Hat er einen Stand im Ostflügel?"
Er warf ihr einen überraschten Blick zu.
„Ja, wieso?"
„Zu dem müsste ich auch noch. Wir könnten heute nach dem Training zusammen hingehen."
Felician nickte und trat hinter ihr in ihren Trainingsraum.

Die Übung von verschieden Schlag- und Trittkombinationen schlossen sie wieder mit einem Kampf ab. Inzwischen musste Felician sich schon stark konzentrieren, steckte aber trotzdem ein paar Schläge ein, schaffte es aber schließlich doch, seine Schülerin zu Boden zu werfen und festzuhalten.
„Nicht schlecht.", keuchte er, während er sie hochzog.
„Hab ja einen guten Lehrer."
Mit dem Handrücken wischte sie sich Schweiß von der Stirn und schnappte sich ihre Feldflasche, die sie in einem Zug leer trank.
„Zu gut, glaube ich. Du lernst echt schnell. Kommst du aus einer Ritterfamilie?"
Jenna runzelte die Stirn. Nathaniel war ein begabter Kämpfer, ihr Vater hatte allerdings seinen Adelstitel durch Strategie bekommen und hielt sich aus Handgreiflichkeiten eher heraus.
„Eigentlich nicht."
War ihre Mutter etwa Kriegerin gewesen?
„Dann hast du wahrscheinlich einfach Talent."
„War das etwa ein Kompliment?"

Jenna und Felician liefen wieder den Gang entlang, diesmal den Ostflügel Fandrums als Ziel.

„Ich fürchte schon, Kapuzenfrau.", lachte er und sie verdrehte die Augen. Wann war eigentlich dieser Name entstanden?

Sie fanden den kleinen Mann wieder an seinem chaotischen Stand, als er gerade mit einer winzigen Feile Verzierungen in eine Münze ritzte, doch sofort aufsah, als die beiden vor seinen Stand traten.
„Ah, du bist es. Ich habe deine Bestellung fertig. Es ist ein wirklich schönes Motiv."
Aus einer Kiste unter dem Tisch kramte er einen Beutel hervor, aus dem er ein Tuch zog, in das wiederum eine silberne Münze eingewickelt war. Das offene Tuch mit der Münze reichte er ihr und sie nahm es vorsichtig entgegen.
Auf dem Stoff lag der reine Silberling mit einem Bild eines simpel verzweigten Baumes. Jenna hatte das Motiv von der Tür zu dem Zimmer ihrer Kindheit genommen und auf die Münze prägen lassen. So einfach es auch war, hatte es eine schlichte Eleganz, die in den filigranen Ästen verborgen lag.
„Gefällt sie dir?", fragte der Verkäufer freundlich.
„Ja. Ja, sie ist perfekt."
Unwillkürlich musste sie lächeln.
„Was soll sie kosten?"
„Das wären eine Goldmünze und drei Silberlinge für die Bearbeitung, außerdem noch der verarbeitete Silberling."
Jenna bezahlte und steckte die Münze samt Tuch in eine Tasche ihres Umhangs.
„Kann ich sonst noch etwas für euch beide tun?"
Erwartungsvoll sah er die beiden an. Jenna grinste in sich hinein. Wahrscheinlich wollte er ihnen auch einen Ehering andrehen. Sahen sie und Felician denn so sehr nach einem Paar aus?
„Ich bin auf der Suche nach Arbeit.", unterbrach Felician ihre Gedanken.
„Vorzugsweise vormittags."
Der Präger sah ihn abschätzend an.
„Ich könnte tatsächlich jemanden gebrauchen. Schließlich bin ich auch nicht mehr der Jüngste und könnte dann morgens länger schlafen."
Fragend sah Felician ihn an, bis der Mann sagte:
„Na schön, Junge. Komm morgen früh hier beim Stand vorbei und ich schau mal, ob ich dich hier haben will."
Er zwinkerte Felician zu und schmunzelte, als dieser freudig seine Hand schüttelte.
„Vielen Dank! Ich werde da sein."
„Tja, sieht so aus, als hättest du eine Arbeit."
„Naja, nicht so ganz, immerhin-"
Er unterbrach sich, als sie den Schlüssel vor seinem Gesicht baumeln ließ.
„Ja, ich habe eine Arbeit!", grinste er und schnappte sich den Schlüssel.

Nachdem sich ihre Wege getrennt hatten, lief er sofort los, um seine Schwester zu holen und Jenna kehrte ins Schloss zurück.

JennaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt