Kapitel 5

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"Gut. Was machen wir als erstes?", "Andere Sachen anziehen. Ich mache mich irgendwie jedes mal dreckig." Herr Reus nickt und folgt mir zum Haus. "Hallo, Mr. Cooper. Wie war dein Tag?" Ich hebe ihn hoch und knutsche ihn ab. "Mr Cooper?", fragt Herr Reus belustigt. "Ja. Ich finde Sheldon Cooper so witzig, da habe ich meinen Kater nach ihm benannt." Ich setze Coop wieder auf dem Boden ab und gehe in die Küche, wo ich ihm etwas zu Fressen in seinen Napf mache. Anschließend bereite ich das Futter für die Hunde vor und gehe dann langsam die Treppe nach oben in mein Zimmer, wo ich mich so schnell es geht umziehe. Es ist eigenartig, dass Herr Reus hier in meinem Haus ist. Aber was soll's. Er will ja nur helfen. Ich mag ihn irgendwie. Und zwar so sehr, dass ich plötzlich keine Probleme damit habe, mit ihm zu reden. Ich finde das unglaublich. Das muss ich Timo nachher erzählen. Ich humple wieder nach unten. "Kommen Sie mit. Wir müssen erst alle Tiere in die Ställe bringen, bevor wir füttern. Es wird sonst zu dunkel und die Enten sind dann immer zu doof den Weg zu finden. Und die Gänse sind noch dümmer." Ich verdrehe darüber die Augen und schnappe mir eine der Krücken. "Alles klar. Womit fangen wir an?", "Zuerst die Enten." Ich gehe zum Stall, in dem die Enten ihre Box haben und hole zwei Stöcker. "Hier, bitte.", lächle ich und gebe meinem Lehrer einen ab. Dann humple ich nach unten zur Enten Koppel. "Sie müssen sich am Stall hinstellen, damit die Enten nicht vorbei laufen.", kichere ich und öffne den Zaun. Sofort rennen die Enten wie bescheuert Richtung Stall. Das gleiche machen wir mit dem Gänsen. "Könnten Sie vielleicht hoch zu den Tauben gehen? Die sind auf dem Dachboden und ich komme die Leiter nicht hoch." Ich halte ihm einen Topf mit einer Mischung verschiedener Körner hin. "Natürlich.", lächelt er. "Danke. Also sie sind alle schon drin. Sie müssen nur die Klappe zu machen, damit sie nicht wieder herausfliegen über Nacht." Er nickt und klettert hoch auf den Dachboden. Ich füttere in der Zeit die Enten, die Schweine und die Gänse. Anschließend gehe ich zum Anhänger unseres Treckers, auf dem wir immer Gras haben, welches wir den Kaninchen geben. Wir haben eine große Wiese hinter dem Haus, wo wir es immer mit dem Trecker abmähen. Wir haben einen alten, kleinen, roten Belarus. Ich mag das Ding. Allerdings werde ich mit meinem Fuß nicht fahren können. Und Dad hat vergessen neues Gras zu holen. Das reicht nur noch für heute. Vielleicht kann Timo das morgen für mich machen. Ansonsten muss ich den Schmerz ignorieren. Ich nehme die Schubkarre mit dem Grünzeug und gehe zu den Kaninchen. Nur noch die und dann sind die Pferde dran. Zum Schluss kommen dann die Hunde. "Lass mich die Schubkarre nehmen.", lächelt Herr Reus mich an und nimmt sie mir ab. Ich lächle zurück und zeige ihm den Weg zu den Kaninchen. "Bekommen die nur das Gras?", "Nein, ein paar bekommen auch noch Trockenfutter." Er nickt und verteilt das Grüne, während ich allen Trockenfutter und Wasser gebe. "Okay. War das alles?", "Nein, die Pferde bekommen jetzt noch Futter. Aber dann. Die Hunde mache ich später alleine.", lächle ich. "Okay. Bis wann ist dein Vater denn Weg?", "Bis nächste Woche Mittwoch.", antworte ich. Ich kann es kaum glauben, dass ich mit ihm rede. Das ist wie Weihnachten, Ostern und Geburtstag zusammen! "Ich könnte dir jeden Tag nach der Schule helfen, wenn du möchtest." Ich sehe ihn überrascht ab. "Jeden Tag? Das kann ich wirklich nicht annehmen, Herr Reus. Timo hilft mir ja sonst immer. Aber heute musste er zu seiner Mutter.", "Marco.", "Was?" Ich runzle die Stirn. "Du kannst mich Marco nennen. Also zumindest außerhalb der Schule." Das kommt jetzt unerwartet. "Okay, Herr Reus, Äh, ich meine Marco." Er lacht kurz. "Na komm, wir machen die Pferde noch fertig." Ich winke ab. "Die mache ich erst später, bevor ich die Hunde mache. Die können noch auf der Koppel bleiben. Aber ich wollte jetzt etwas kochen. Sie, ich meine du kannst mir helfen." Hallo? Habe ich gerade meinen Klassenlehrer gefragt, in er mit mir essen will? Boden tu dich auf. Ich bin verwirrt von mir selbst. "Gerne.", lächelt er. Ich lächle kurz zurück und gehe dann zum Haus. Sofort kommt Mr Cooper wieder angelaufen und schlängelt sich um unsere Beine, während er schnurrt wie ein Irrer. "Er ist sehr anhänglich. Dad sagt, dass er Bisexuell ist, weil es ihm egal ist, wer ihn mit Streicheleinheiten verwöhnt." Marco lacht und streichelt dem Kater seinen Dickschädel. "Ich wollte jetzt eine Suppe kochen.", sage ich unsicher. Wieso bin ich unsicher? Scheiße, was ist los mit mir? Ob ich meine Tage bekomme? Nee, das wäre zu früh. "Klingt gut. Was müssen wir zuerst schnippeln?", "Möhren. Und Kartoffeln." Wir waschen uns gründlich die Hände und setzen uns dann an den Küchentisch, um das Gemüse zu schneiden. "Wie lange wohnt ihr schon hier und habt so viele Tiere?", fragt er mich nach einer Weile schweigen. "Ich wohne hier schon mein ganzes Leben. Dad hat das alles hier ungefähr ein Jahr vor meiner Geburt gekauft. Seine Mutter ist damals sehr früh an Krebs gestorben und hat ihm eine Menge Geld vererbt. Davon hat er sich das hier eben gekauft. Er war zu der Zeit bereits mit meiner Mum zusammen und es war der gemeinsame Traum meiner Eltern einen eigenen kleinen Bauernhof zu haben.", erkläre ich. "Und wo ist deine Mum jetzt?" Ich halte in meiner Bewegung inne. "Ich weiß es nicht.", sage ich leise. "Du willst wohl nicht darüber reden." Ich nicke und schäle die nächste Kartoffel. "Okay. Darf ich doch etwas fragen?" Ich nicke erneut. "Wieso redest du plötzlich mit mir?", "Auch das weiß ich nicht. Niemand hat mich seit dem Verschwinden meiner Mutter zum Reden gebracht. Timo war damals schon mein bester Freund. Das war zu seinem Vorteil. Alle anderen Freunde kennen meine Stimme nicht. Ich war in Therapie, doch es half nichts. Ich wollte immer mit allen reden. Ich wollte ein normaler Teenie sein. Aber wie gesagt: nichts hat funktioniert. Und niemand weiß warum. Dabei habe ich meine Klassenkammeraden zum Beispiel ganz doll lieb. Sie sind so gute Freunde. Und es will nicht in meinen Kopf, dass ich gerade mit Ihnen hier sitze und normal rede. Das passt gar nicht zu mir." Ich seufze und schneide die Kartoffel in vier Teile. "Tja, ich habe es voll drauf, würde ich sagen." Ich muss kichern und schneide mir dabei in den Finger. "Das war so klar.", murre ich und hole mir aus dem Küchenschrank ein Pflaster. "Offenbar passiert dir das öfter." Er deutet auf meine anderen zwei Finger, die bereits ein Pflaster haben. Ich nicke lachend. "Ständig. Ich bin ziemlich Tollpatschig. Timo sagt immer, es ist ein Wunder, dass ich hier auf diesem Hof noch nicht gestorben bin, so oft wie ich mich hier verletze. Das mit meinem Fuß beim Sport ist auch nicht das erste mal. Ich habe mir schon sämtliche Gliedmaßen verstaucht und gebrochen." Marco lacht. Und macht die geschnittenen Möhren und Bohnen in den Topf. Ich gebe noch die Kartoffeln und Selleri hinzu. "Okay, das alles muss jetzt in Brühe kochen und dann wird das alles püriert. Soll ich noch Brötchen dazu aufbacken?" Marco nickt. Auch toll. Mein Lehrer ist hier bei mir, kocht mit mir und isst anschließend mit mir. Ich werde das Gefühl nicht los, dass wir das nicht tun sollten. Ich schiebe ein paar Aufbackbrötchen in den Ofen und stelle den Herd ab, als das Gemüse durch ist. Dann nehme ich den Pürierstab aus der großen Schublade und püriere alles. "Sieht irgendwie sehr nach schon mal gegessen aus." Ich lache. "Schmeckt aber sehr gut und ist unglaublich gesund. Selbst mein Vater isst das gerne und der hasst Gemüse." Marco lacht wieder. "Ich könnte schon den Tisch decken.", "Teller sind dort und Besteck ist da.", antworte ich und zeige auf die entsprechenden Schubladen. Er holt alles heraus und deckt den Tisch. Als dann alles fertig ist, stelle ich es alles auf den Tisch und fülle mir sofort ganz viel Suppe auf. "Ich hoffe es schmeckt.", lächle ich, als Marco sich den ersten Löffel in den Mund steckt. "Ja, es schmeckt tatsächlich sehr gut. Würdest du mir das Rezept geben?", "Klar.", antworte ich und breche ein Stück von meinem Brötchen ab, um es in die Suppe zu tunken. "Miley?", "Ja?", "Hast du einen Freund?" Ich sehe ihn mit großem Augen an. "Äh, n-nein, habe ich nicht.", stottere ich mir zurecht. Er lächelt und isst einfach weiter, lässt das so im Raum stehen. Oh Gott, was wird das nur?

Mein LehrerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt