Kapitel 2

9K 372 11
                                    

Mit meinem Thermobecher mit Kakao darin betrete ich das Klassenzimmer und werde mit dem Grölen meiner Affenfreunde begrüßt. "Smiley ist da!" Ich verdrehe schmunzelnd die Augen und umarme alle zur Begrüßung. "Also: Frau Oldenberg ist krank und deswegen haben wir den ersten Block Ausfall. Im zweiten Block haben Sport. Und im dritten Block haben wir Deutsch und im vierten Block wieder Ausfall. Total unnötig heute, aber egal.", plappert Laura drauf los. Ich sehe sie vielsagend an. "Zu viel Gerede am frühen Morgen?" Ich nicke. Sie lacht dann kommt Timo, der seinen Arm um meine Schultern legt. "Was hälst du davon, wenn wir zwei uns auf dem Schulhof dein Essen teilen?" Ich sehe zu ihm hoch. "Ihr Essen?", fragt Laura. "Ja. Ihr Vater macht die besten Sandwiches der Welt.", grinst Timo und führt mich aus dem Klassenraum heraus. Wir setzen uns draußen auf eine Bank und ich hole meine dicke Brotdose heraus, die Dad mir jeden Tag mitgibt. Er weiß natürlich, dass ich Timo immer mit versorge. Timo ist eigentlich schon sein adoptierter Sohn. Er ist mein bester Freund. Fast wie mein Bruder. "Ich verstehe nicht, wieso Laura so einen Aufstand wegen Abschluss macht.", murmelt Timo. "Immerhin ist das noch über ein Jahr hin. Wir müssen erstmal die zwölfte Klasse schaffen, damit wir in die dreizehnte kommen und dann können wir über letzten Schultag reden.", "Alles immer auf dem letzten Drücker machen, was?", lache ich. Er nickt grinsend. "Wie geht's dir so?", schlägt er nun ein anderes Thema an. "Gut.", antworte ich knapp. Timo seufzt. "Du lügst. Wie hast du geschlafen? Hattest du Albträume?" Ich nicke und beiße von meinem Sandwich ab. "Du hast Albträume?" Ich zucke zusammen und hebe den Blick. Herr Reus steht vor mir und sieht zu mir herunter. "Das geht Sie nichts an.", knurrt Timo sofort. Ich sehe Timo an und schüttle den Kopf. Er soll sich nicht mit Herrn Reus anlegen. "Okay okay.", rudert Herr Reus zurück. "Aber ich würde gerne mal mit Miley reden.", "Sie aber nicht mit Ihnen. Sie redet nicht, das müssen sie akzeptieren." Ich stupse Timo an, damit er ruhig ist. "Willst du, dass ich hier bleibe?" Ich schüttle den Kopf. Timo schnaubt und geht mit meiner Brotdose weg. Mir bleibt also nur das halbe Sandwich in meiner Hand. Herr Reus setzt sich neben mich und sieht mich an. Seine Augen sind braun und grün. Sie sind wunderschön. Auf dem Arm hat er ein Tattoo. "Weißt du, Miley, ich würde dir gern irgendwie helfen. Ich bin jetzt dein Klassenlehrer und fühle mich dazu verpflichtet. Ich wüsste gern, wieso du nicht redest. Mit Timo redest du, aber mit dem Rest der Klasse nicht. Wieso? " Ich hole meinen Schreibblock aus meiner Tasche, über den ich mit den anderen immer kommuniziere. 'Ich bin eben anders. Jeder hat seine kleinen Geheimnisse. Bitte akzeptieren Sie das, Herr Reus, die anderen Lehrer haben das auch alle akzeptiert.' Er seufzt, nachdem er es gelesen hat. "Wie hat Timo es geschafft, dass du mit ihm redest? Ich würde das auch gern schaffen." Ich schüttle den Kopf. Es geht ihn wirklich nichts an. "Na schön. Dein Vater wird gleich hier sein." Ich presse die Lippen aufeinander. Das geht mir gegen den Strich. Aber ist eben so. Ich wusste, dass das alles kommen wird, als es hieß, dass wir einen neuen Lehrer bekommen. Ich sehe, wie Timo wieder auf uns zu kommt. "Okay, das reicht. Miley braucht Ruhe." Er greift mein Handgelenk und zieht mich auf die Beine. "Lassen Sie Miley in Ruhe mit dem Thema, okay? Ich verstehe nicht, weshalb Sie so tief in dieser eigentlich verheilten Wunde graben. Alle hier akzeptieren, dass sie nicht redet, nur Sie nicht. Es geht Sie nichts an, was in ihrem Privatleben passiert, verstanden? Miley braucht ihre Hilfe nicht. Verstehen Sie das." Timo macht kehrt und zieht mich hinter sich her. "Hat er dich bedrängt?" Ich schüttle den Kopf. "Dich angefasst?" Ich schüttle erneut den Kopf. "Okay. Geht's dir gut?" Nun nicke ich und lasse mich in seine Arme fallen. "Alles ist gut. Ich bin bei dir." Ich atme tief ein und aus, während Timo mich einfach umarmt. Er kennt das schon. "Du musst nicht mit ihm reden, Miley. Und das weißt du. Dein Dad wird dem alles sagen, was er wissen muss. Und wenn er dich dann nicht in Ruhe lässt, dann rede ich mit Frau Niemann." Er übernimmt wieder die Rolle des großes Bruders. Und da bin ich ihm dankbar für. Er beschützt mich immer und ist für mich da.

Ich ziehe mir mein Sportzeug an gehe dann zur Halle. Auf dem Weg dort hin binde ich mir noch meine langen blonden Haare zu einem hohen Zopf zusammen. "Ey, Smiley!" Ich sehe zu Luca, der einen Ball in der Hand hält. "Fang." Er wirft mir den Ball zu und ich fange ihn. "Falls du dich jetzt fragst warum wirft der Idiot mir einen Ball zu? Also das ist so: wir spielen heute Zweifelderball. Und du wählst. Mit mir zusammen. Mein Team wird dich fertig machen." Ich verdrehe die Augen und winke ab. Mein Team wird seines so richtig kalt machen. Ich grinse ihn herausfordernd an und drehe mich zu meinen Mitschülern, die auf der Bank sitzen. Herr Reus taucht neben mir auf. "Du wählst?" Ich nicke und sehe Timo an. Er steht auf und stellt sich zu mir. "Unfair! Ich wollte anfangen und Timo wählen!", beschwert Luca sich. "Schönheit vor Hässlichkeit, Alter!", lacht Timo. Luca sieht ihn gespielt empört an und wählt Rico.

Mein Team ist gerade dabei zu verlieren, Timo und ich sind die einzigen, die noch im Feld sind. Bei Luca sind noch sechs Leute. Also klare Überzahl. Ich will gerade dem Ball ausweichen, da knalle ich gegen Timo und knicke um. "Au Scheiße!", brülle ich und lasse mich auf den Boden fallen. Tja, in solchen Momenten bekomme ich dann doch vor allen den Mund auf. "Oh Gott, Miley, das tut mir leid. Ich habe dich nicht gesehen.", redet Timo drauf los und geht in die Hocke. "Tut es weh?" Er fasst meinen Fuß an. Ich nicke sofort und schlage seine Hand weg. Herr Reus taucht neben ihm auf und geht auch in die Hocke. "Lass mich mal sehen." Er macht die Schleife auf und zieht mir vorsichtig den Schuh aus. Ich ziehe zischend Luft durch meine zusammen gebissenen Zähne ein. "Alles gut, Miley.", murmelt er. Seine Hände tasten meinen Fuß ab und ich beobachte ihn genau. Seine Hände sind so warm. Er sieht mir in die Augen und ich ihm. Was ist das? Ich kann es deutlich spüren, aber nicht zuordnen. Er schluckt. "Tut das weh?" Ich nicke leicht. "Timo, geh bitte ins Sekretariat und hol etwas zum Kühlen für Mileys Fuß." Timo steht auf und geht. "Ihr spielt weiter. Ich bringe Miley hier ins Lehrerzimmer." Er greift mir unter die Beine und unter den Rücken, um mich dann hochzuheben. Ich schnappe nach Luft und kralle mich an ihn. Ich schreie den an, wenn der mich hier herunterfallen lässt! "Keine Angst, ich werde dich schon nicht fallen lassen." Ich sehe ihm wieder in die Augen. Wie kann jemand so wunderschöne Augen haben? Er setzt mich auf der Liege ab, die hier im Lehrerzimmer steht. Unsere Sporthalle ist zu klein, um einen extra Raum zu machen, wo eine Krankenliege steht und sämtliches Erste-Hilfe-Zeug vorhanden ist. "Es ist blau und angeschwollen. Hast du hiernach noch Unterricht?" Ich nicke. "Ich würde sagen, dass du zum Arzt gehst. Nicht, dass es gebrochen ist." Zum Arzt? Um Gottes Willen, nein! Nur über meine Leiche. Ich hasse Ärzte. Allein der Geruch, der in so einer Praxi vorhanden ist. Herr Reus setzt sich neben mich und sieht mich wieder an. "Ich werde aus dir nicht schlau. Du bist so verschlossen. Ich würde gerne mehr über dich wissen." Mehr über mich wissen? Ist der übergeschnappt? Er ist mein Lehrer! Noch bevor er weiter reden kann, taucht Timo mit dem Kühlakku auf. Mehr über mich wissen. Was hat das zu bedeuten?

Mein LehrerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt