»Komme später nach Hause. Will noch wo hin.«, schrieb ich meinem Vater, der darauf wartet, dass ich ihn anrufe, damit er mich von der Praxis abholt. Allerdings habe ich mich entschieden, mich jetzt von Marco abholenzulassen, was ich ihm mit einer Nachricht mitgeteilt habe. Ich hoffe, dass er es respektieren wird, dass ich ihm nicht sagen möchte, weshalb mein Vater so durchgedreht ist und weshalb ich in dieser Praxis war.
Er wird fragen. Und das weißt du.
Ich verdrehe die Augen. Natürlich wird er fragen. Nur hoffe ich, dass er nicht weiter nachbohren wird, wenn ich ihm sage, dass ich es ihm nicht sagen möchte.
Als ob. Jeder würde weiter nachfragen. Abgesehen davon ist es offensichtlich, dass du einen an der Klatsche hast. Ein Wunder, dass er dich trotzdem noch will, wo es doch so unübersehbar ist.
Schnaubend trete ich einen Kieselstein weg, der vor meinem Füßen lag und nun springend über den Gehweg rollt. Der schwarze Range Rover von Marco hält auf einmal vor mir. Er sitzt im Wagen und mustert mich mit Sonnenbrille auf der Nase. Ich reiße mich seufzend zusammen und öffne die Tür, um einzusteigen. "Hey.", lächle ich. Er sieht mich nur stumm an, verzieht keine Miene. Dann schweift sein Blick aus meinem Fenster zur Tür der Praxis. Allerdings sagt er auch dazu nichts. Stattdessen fährt er einfach los, wohin weiß ich aber nicht. "Wohin fahren wir?", "Zu mir nach Hause.", murmelt er, ohne mich dabei anzusehen. Irgendwas scheint nicht zu stimmen, sonst wäre er nicht so distanziert. Vielleicht will er mich ja gar nicht bei sich haben? Vielleicht will er mich ja doch nicht mehr. Dann kann ich ihm jetzt aber auch nicht sagen, dass ihm eine Chance gebe. Ich würde mich total blamieren. "Und was machen wir bei dir?", frage ich leise, während ich aus dem Fenster sehen, um Marco nicht ansehen zu müssen. Irgendwie fühale ich mich plötzlich etwas unwohl. "Ich weiß nicht. Was willst du denn gerne machen?" Seine Stimme klingt so anders. Distanziert und gleichgültig. Als wäre es ihm egal, was wir machen; als wäre ich ihm egal.
Klar, immerhin hat er gemerkt, dass du vollkommen bescheuert bist.
Ich seufze traurig und lehne meinen Kopf gegen die kalte Scheibe. "Wir werden leider nicht alleine bei mir Zuhause sein.", bricht Marco die unglaublich unangenehme Stille. "Nicht?", "Nein. Meine beiden Mitbewerber sind da." Ich hebe den Kopf und sehe ihn verwirrt an. "Mitbewohner? Ich dachte, dass du alleine wohnst.", "Nein, tue ich nicht. Sie waren nur nicht zuhause, als du beim letzten mal bei mir warst." Das irritiert mich jetzt. Wieso hat er mir das nicht erzählt?
Hast du danach gefragt? Nein, also wundere dich doch nicht darüber, Dummkopf.
"Jedenfalls sind sie jetzt da. Sind aber nett. Eventuell schlafen sie auch noch." Ich nicke leicht. Aber das geht doch nicht. Wenn die wissen, dass Marco etwas von seiner Schülerin will, dann könnten sie es doch einfach weiter erzählen, oder nicht? Oh man! "Ich wollte jetzt eigentlich auch schlafen gehen aber du hattest mir ja geschrieben." Wow. Da hätte er auch gleich sagen können, dass ich ihm auf den Sack gehe und er keinen Bock auf mich hat.
Er hält den Wagen und steigt aus, während ich seufzend meine Krücken nehme, um ebenfalls auszusteigen und ihm ins Innere des Hauses zu folgen. Was ist das hier nur? So unterkühlt war es zwischen uns noch nie. Er schließt die Wohnungstür auf und tritt beiseite, woraufhin ich hinein gehe und meinen Schuh ausziehe. "Am besten wir gehen ins Wohnzimmer und schauen fern oder so.", murmelt er und verschwindet im Wohnzimmer. Ich fühle mich gerade unglaublich unwohl. Marco zeigt mir dermaßen die kalte Schulter, sodass ich langsam zu glauben beginne, dass ich ihm tatsächlich total auf die Eier gehe und er mich nicht hier haben will. "Können wir reden?", frage ich ihn leise. Er hebt den Blick, während er seine Füße vom Sofatisch nimmt und mich abwartend ansieht. Nein, ich kann es ihm nicht sagen. Aber wieso hätte er diese Nachricht in Verona an die Wand geschrieben, wenn er mich jetzt nicht mehr will?
Das sagte ich doch bereits! Weil er erkannt hat, dass du spinnst.
Ja, vielleicht hast du Recht. "Nicht so wichtig.", sage ich leise und setze mich ans andere Ende des Sofas, den Blick zum Fernsehen gerichtet. "Ich denke, dass da aber eine Menge ist, worüber wir reden sollten." Ich drehe den Kopf zu ihm. Eine Menge worüber wir reden sollten? Es gibt nur eins. "Und die wären?", frage ich. Meine Stimme ist so leise und vollkommen vom Selbstbewusstsein verlassen. Ich klinge wie ein eingeschüchtertes Kindergartenkind, das Ärger bekommt, weil es einen Lolly geklaut hat. "Zum Beispiel die Reaktion deines Vaters, als er dich vorhin sah. Oder die Tatsache, dass ich dich von dieser Praxis abholen musste. Ich habe natürlich nachgeschaut, wer dieser Doktor Flemming ist, von dem dein Vater geredet hat. Wieso bist du dort hin, Miley? Und denk bloß nicht, dass ich blöd bin.", "Das geht dich nichts an, Marco. Jeder Mensch hat seine Geheimnisse. Und auch ich habe nun mal das ein oder andere Geheimniss, über das ich nicht reden möchte. Akzeptiere das bitte ansonsten wirst du mich vergessen müssen." Er schnaubt und richtet sich auf. "Dich vergessen müssen? Miley, du bist meine Schülerin! Ich würde dich jeden Tag sehen. Wie also in Gottes Namen soll ich dich vergessen können?" Ich zucke leicht zusammen, weil seine Worte mich irgendwie treffen. Ja, wie soll er mich vergessen können? Wie soll ich ihn vergessen können? Nicht alles hält ewig. Was ist, wenn wir uns trennen? Dann werde ich ihn immer in der Schule sehen. Aber es wäre vielleicht nichts anderes, wenn ich mit jemandem aus der Schule zusammen wäre. Aber den könnte ich einfach ignorieren und ihm aus dem Weg gehen. Mit Marco funktioniert das nicht. Wir müssen auch dann normal bleiben. Wir können dann nicht einfach einander ignorieren. "Ich will doch einfach nur wissen was los ist, Miley. Lass mich nicht im Dunkeln stehen.", bittet er mich. Seine Gesichtszüge sind um einiges weicher als vorher. "Vielleicht kann ich es dir irgendwann erzählen. Jetzt kann ich es aber noch nicht, Marco. Ich bin noch nicht bereit dazu." Er nickt widerwillig. "Und was ist mit uns?" Ich atme tief durch und mache kurz die Augen zu. Was mit uns ist? Ich hoffe, dass es das richtige ist. "Ich würde uns beiden gern eine Chance geben.", sage ich leise. Meine Augen wandern ganz langsam und vorsichtig zu Marco, der mich eine Weile lang stumm ansieht. Ganz langsam hebt sich sein rechter Mundwinkel, ehe daraus ein breites Grinsen wird. "Wirklich?" Ich nicke leicht und werde rot. "Komm her." Er breitet die Arme aus und lehnt sich zurück, woraufhin ich zu ihm krabble und mich in seine Arme lege. "Wurde aber auch mal Zeit." Ich kichere leicht. Marco grinst und drückt mir seine Lippen auf die Stirn, was ich mit geschlossenen Augen genieße.
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Mein Lehrer
Fanfiction"Wieso glaubst du, dass wir das hinbekommen?", "Weil ich dich liebe, Miley." Miley ist ein normales Mädchen, das im Schulstess steckt. Und so wie alle anderen findet auch sie ihren Mathelehrer toll. Mit seinen 26 Jahren ist er auch nur 9 Jahre älte...