Kapitel 17

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Der Bus kommt zum Stehen und ich öffne widerwillig meine Augen. "Beeilt euch aber! Ihr habt eine Viertelstunde Zeit, um wieder im Bus zu sitzen.", ruft Marco, bevor alle auch schon losstürmen. Ich sehe auf mein Handy. Es ist halb zwölf. Mein Blick schweift nach draußen, wo ungefähr dreiviertel der Schüler zu McDonald's stürmt. Um Gottes Willen! Um die Uhrzeit? Ich lasse meinen Kopf stöhnend an die Fensterscheibe sinken. Timo sitzt auch nicht mehr neben mir also scheint er auch rausgegangen zu sein. Dass der Kerl noch nicht fett ist, ist ein Weltwunder. Nach und nach kommen alle wieder. In den Bus zurück und beginnen zu essen. Auch Timo kommt zurück und hat etwas zu Essen dabei. "Hier. Nuggets." Er reicht mir eine Box mit neun Nuggets. "Pommes habe ich für dich auch." Ich hebe die Augenbrauen. "Scheiß auf die Uhrzeit, Miley. Wir sind auf Klassenfahrt. Diese Woche wird durchgehend gefressen, Süße. Und hinterher helfe ich dir die zwei Gramm die du zugenommen hast wieder abzunehmen." Ich verdrehe schmunzelnd die Augen und nehme ihm das Essen ab. "Trinken habe ich aber nicht genommen. Wir haben hier ja noch genug." Ich nicke und öffne die Box, die ich vor mir auf den winzigen Klapptisch, der an der Rückenlehne des Sitzes vor mir befestigt ist und nehme einen Nugget heraus. "Ist dir kalt? Du zitterst.", murmelt Timo. Ich nicke leicht, woraufhin er aufsteht und eine Decke von der Ablage über uns holt. Er hat für uns beide Decken und Kissen für die Fahrt mitgenommen. Er deckt mich zu und küsst wie immer lächelnd meine Wange. "Sonst alles gut? Du bist schon wieder so blass, Miley." Ich deute auf das winzige Licht über mir. "Das liegt nicht am Licht du Dummchen.", lacht er und schubst mich leicht. Ich kichere und esse weiter. Da alle wieder da sind, fährt der Bus wieder auf die Autobahn. "Man könnte meinen, dass ihr ein Paar seid.", seufzt Laura. "Sind wir aber nicht. Wir vögeln ohne Gefühle.", lacht Timo. Ich boxe ihm gegen den Oberarm und Laura lacht darüber. "Tja, Herr Timo Meckert, du wurdest von Miley Smiley geschlagen.", lacht sie. "Klappe halten ich esse gerade. Und wie du weißt mag ich es nicht dabei gestört zu werden." Laura verdreht die Augen und sieht mich an. "Wie hälst du das mit dem aus? Ich hätte dem schon mindestens hundert mal den Hals umgedreht." Ich kichere vor mich hin und trinke einen Schluck aus meiner Flasche.

Die Lautstärke im Bus regt mich auf. Ich will einfach nur schlafen aber das scheint hier unmöglich. Es ist mitten in der Nacht und ich bin unglaublich müde. Immer wenn ich kurz davor bin einzuschlafen, werde ich wieder wach, weil irgendwer laut herumbrüllt. Ich seufze und lehne mich wieder an Timo. Er mault alle immer voll, wenn sie zu laut sind und ich zuckend wieder wach werde. Ich brauche meinen Schlaf. Mir wird es sonst den ganzen Tag nicht gut gehen. Timo seufzt und streichelt mir über den Kopf. "Geh nach vorne zu ihm. Neben ihm der Platz ist doch frei. Da hast du Ruhe." Ich sehe Timo an. "Du musst schlafen, Miley, und das weißt du. Ich sage es nicht gern, aber ich will, dass du zu ihm gehst und dort versuchst zu schlafen. Ich werde jede Stunde einmal bei dir vorbeisehen und gucken, ob alles gut ist. Wenn du Albträume bekommst, dann komm wieder her aber versuch es bei ihm." Ich nicke. Aber ist es nicht zu offensichtlich, wenn ich zu Marco gehe und dort schlafe? Aber die Lehrer haben sicher von meinem Dad eingetrichtert bekommen, dass sie auf mich aufpassen müssen. Und Frau Oldenberg kennt das ja auch schon. "Komm, ich helfe dir." Timo steht auf und hilft mir hoch. "Was habt ihr vor?", fragt Laura. "Ich bringe sie nach vorne zu Reus. Sie muss dringend schlafen." Laura nickt sofort und lächelt mich aufmunternd an. Wir gehen nach vorne zu Marco, der auf seinem Platz am Fenster sitzt und in seinem eReader liest. Als er uns bemerkt hebt er den Blick und runzelt die Stirn. "Ist alles in Ordnung?" Er setzt sich mehr auf und mustert mich. "Sie muss dringend schlafen. Hinten kommt sie nicht zur Ruhe, weil es zu laut ist. Kann sie bitte hier zu Ihnen?", "Aber natürlich.", nickt Marco und steht auf. "Geh ruhig an's Fenster, Miley." Ich nicke und rutsche durch. Timo geht nach hinten, ist aber kurz darauf mit meinem Kissen und meiner Decke wieder bei mir. "Versuch zur Ruhe zu kommen. Und wenn etwas ist, dann schreib mir. Hast du dein Handy?" Ich halte es zur Bestätigung hoch. "Okay. In einer Stunde bin ich hier und sehe nach, ob es dir gut geht. Schlaf gut." Er küsst meine Stirn und geht nach hinten, nachdem er Marco noch einmal angestarrt hat. Marco setzt sich neben mich und legt seinen eReader weg. "Du bist mir ein großes Rätsel, Miley Green.", murmelt er und deckt mich zu. Ich beobachte ihn einfach nur. Um uns herum schlafen alle, doch ich kann ihm nicht antworten. Es funktioniert einfach nicht. Und das obwohl ich es unbedingt will. Ich will normal mit allen reden können. Nur habe ich seit dem verschwinden meiner Mutter eine Art Blockade, die verhindert, dass ich rede. Deshalb ist es mir ein Rätsel, weshalb ich bei Marco keinerlei Probleme habe, wenn wir alleine sind. Und Timo weiß auch nicht, was das ist. Ich mache erschöpft die Augen zu und atme tief durch. "Du kannst dich an mich lehnen, wenn du möchtest oder deinen Beine über meine Beine legen. Das macht mir nichts aus.", lächelt er mich an. Ich sehe ihm in die Augen und nicke dann schließlich. "Miley? Ist alles in Ordnung mit dir? Was machst du hier vorne?", fragt Frau Oldenberg, die offenbar wach geworden ist. Hinter dem Busfahrer hat der zweite Busfahrer seinen Platz und hinter ihm hat Frau Oldenberg Ihren Platz. Hinter uns hat Herr Lübbe seine Bank. Marco sitzt also ganz vorne. "Ihr geht es gut, Judith, keine Sorge. Timo hat sie zu mir gebracht, weil es hinten recht laut ist und Miley dort nicht zur Ruhe kommt.", erklärt Marco ihr. "Okay, dann ist ja gut. Dein Papa hat mir gesagt, dass ich dir eine Tablette geben soll, falls du nicht zur Ruhe kommst." Ich nicke wissend. Marco runzelt die Stirn und sieht mich an. "Tabletten zur Beruhigung?" Ich nicke und nehme mein Handy hervor. »Damit ich genug schlafe. Ich habe oft so Art Schwächeanfälle, wenn ich nicht genug geschlafen habe. Deswegen hat Timo mich auch hergebracht. Mein Körper gibt auf, wenn er übermüdet ist. Er macht einfach schlapp und dann werde ich ohnmächtig. Papa ist deswegen oft in Sorge.« Marco liest sich das durch und sieht mich dann an. "Du bist ziemlich kompliziert.", lächelt er mich an. Er sieht sich um, dann beugt er sich zu mir und küsst plötzlich meine Schläfe.

Mein LehrerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt