Kapitel 30

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Schnaufend komme ich endlich diese scheiß Auffahrt bei uns Zuhause hoch, was mit den Krücken einfach nur kacke ist. "Spätzchen! Wieso rufst du denn nicht an? Ich hätte dich doch geholt.", ruft Papa aufgebracht und kommt über den Hof zu mir gelaufen. "Geht schon, Daddy.", lächle ich ihn an. "Wie geht es dir denn? Was hat Doktor Flemming gesagt?", "Es ist alles in Ordnung. Ich soll nur alle spitzen und scharfen Gegenstände aus meiner Umgebung entfernen und mir die Fingernägel schneiden. Er sagt, dass es gut war, dass ich sofort bei ihm war, bevor es noch schlimmer wird. Es ist sozusagen in der Anfangsphase und leicht zu verhindern." Papa nickt und hebt mich hoch, damit ich nicht weiter laufen brauche. "Ich habe schon alles weggeschafft. Deine Nägel schneide ich dann gleich." Ich nicke seufzend. Mir war klar, dass er mich das nicht selbst machen lässt. Schließlich habe ich mir beim letzten mal in die Schienbeine geschnitten, als ich mir wegen der Gefahr mich mit meinen Nägeln selbst zu verletzen die Nägel schneiden sollte. Papa hat mir ohne nachzudenken die Nagelschere gegeben und ist dann nach draußen gegangen, um die Tiere zu versorgen. Als er wieder kam war alles voll Blut.

Du bist krank, Mädchen. Ein Wunder, dass die dich aus der geschlossenen herausgelassen haben.

Ich verziehe das Gesicht. Stimmt schon. Aber mir geht es ja jetzt wieder gut. Dank Marco. Er hat mich unten an der Straße herausgelassen, damit mein Papa ihn nicht sieht. Immer wieder hat er mich so liebevoll geküsst und die Schmetterlinge in meinem Bauch haben getanzt, sind geflogen, haben gefeiert. Seine schmalen Lippen sind so unglaublich weich und scheinen genau zu wissen, wie sie mit meinen umgehen müssen.

Papa setzt mich in meinem Badezimmer ab und holt eine Schüssel für ein Handbad heraus. Wenn er will, dass ich vorher ein Handbad mache, dann heißt es, dass er mir die Nägel richtig herunterraspeln will. Und da es ohne Handbad wehtun würde, wenn man die Nägel so sehr schneidet, werde ich es wohl oder übel machen müssen. "Es ist zu deinem Besten, Miley.", sagt mein Dad zu mir, als er meinen Blick sieht. Ich nicke seufzend, da ich weiß, dass ich mir weiterhin alles mögliche aufkratzen würde, wenn er es nicht so machen würde. Er lässt heißes Wasser in die Schüssel und legt ein Stück Kernseife mit hinein. "Pass auf, Schatz, es ist etwas heiß.", murmelt er und stellt die Schüssel auf einen kleinen Tisch vor mich, während ich auf dem Toilettendeckel sitze. Vorsichtig lasse ich meine Hände ist Wasser, verziehe das Gesicht wegen der Temperatur, die das Wasser hat. "Ist es zu doll?", "Geht schon.", murmle ich und lächle etwas über den Schmerz, den das heiße Wasser auf meiner Haut auslöst.

Du bist dermaßen krank, Mädchen!

Halt die Klappe. Jeder hat doch irgendwie seine Macken. Aber ja, ich weiß, dass das krank ist. Marco darf davon jedenfalls nichts wissen. Das würde das Ende unserer kurzen Beziehung bedeuten und das will ich nicht. Papa runzelt leicht die Stirn, als er meinen zufriedenen Gesichtsausdruck sieht und steckt einen Finger in das Wasser. "Herrgott nochmal! Das ist ja viel zu heiß! Hände raus!", befiehlt er mir hastig und zieht meine Hände aus dem Wasser. "Dass es so heiß ist, hätte ich nicht erwartet. Wieso sagst du nichts?", fragt er mich verärgert, weshalb ich schuldbewusst den Kopf sinken lasse. "Mensch Miley, so wird das nichts. Du musst dagegen ankämpfen.", "Das ist schwer. Es ist wie bei einer Sucht. Es ist befriedigend. Du verstehst das nicht. Niemand versteht das.", schreie ich ihn verzweifelt an. Papa seufzt und macht neues Wasser in die Schüssel. Kälteres. Anschließend stellt er sie mir wieder hin und drückt meine Hände sanft hinein. "Ich dachte, dass wir das alles hinter uns haben. Ich hatte gehofft, dass du niemals rückfällig werden wirst." Ich sehe meinen Papa traurig an, der verzweifelt versucht sich die Tränen zu verdrücken. "Es tut mir so leid, Daddy.", sage ich traurig. "Wenn ich doch nur wüsste, weshalb du wieder angefangen hast. Wirklich nur, weil du in jemanden verliebt bist? Das kann doch nicht alles sein." Ich weiche seinem Blick aus. "Jemand hat mich auf Elena angesprochen und da ziemlich nachgebohrt. Ich bin da ziemlich an die decke gegangen." Papa versteift sich sofort und schaut grimmig drein. "Denk nicht weiter an sie. Das verdient sie nicht." Er nimmt meine rechte Hand und die Nagelschere. "Schön stillhalten. Ich möchte dich nicht schneiden." Ich nicke und sehe dabei zu, wie mein Vater mir die Fingernägel kurzschneidet. Ganz kurz. Das wird später ziemlich unangenehm sein, schätze ich. Ich zucke kurz, als Papa etwas sehr kurz schneidet, woraufhin er sofort innehält und mich ansieht. "Alles gut, Papa. Mach weiter." Er nickt und schneidet die restlichen Nägel. Anschließend gibt er mit Handschuhe, welche ich ohne zu meckern anziehe. "Ich will nur sichergehen, dass du dich nicht doch noch kratzen kannst im Schlaf." Ich nicke wissend. Das alles ist schon jetzt wieder wie Routine. Das nervt mich. Ich bin das alles noch so von damals gewohnt. "Hast du noch Hunger?" Ich nicke und stehe vorsichtig auf. "Worauf hast du Lust? Ich könnte etwas kochen.", "Ich hätte Lust auf Buchstabensuppe. Die aus der Tüte." Papa legt lächelnd den Kopf schief. "Bekommst du, Spätzchen."

Mit viel mühe gehe ich mit meinen Krücken die Treppe hinunter, um in die Küche zu kommen, wo mein Vater am Herd steht und die Tütensuppe aufkocht. "Ist gleich fertig. Du kannst dich schon mal setzen. Ich nicke und setze mich an den Küchentisch, der aus schickem, massivem Holz ist. "Weißt du, Spätzchen, ich mache mir große Sorgen. Eigentlich wollte ich dir das nicht sagen aber du bist alt genug und ich hoffe, dass du dadurch nicht noch schlimmer rückfällig wirst. Das war meine größte Angst. Aber solltest du ihr über den Weg laufen, würde es viel schlimmer sein, als wenn du darauf vorbereitet bist." Ich runzle die Stirn. Was redet er denn da? Langsam dreht Papa sich um und sieht mich mit feuchten Augen an. "Elena ist wieder in der Gegend. Zusammen mit Victor. Ich habe sie gesehen, weißt du? Bitte versuche zu kämpfen und nicht weiter rückfällig zu werden mit diesen Gedanken. Das ist meine größte Angst." Ich starre meinen Vater emotionslos an. Sie ist wieder hier.

Mein LehrerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt