Verwirrt blickte ich ihn an. "Aber wie, was?", presste ich hervor.
"Lass uns später darüber reden." Ich wusste das später hieß, dass wir nie darüber reden würden. Aber vielleicht wünschte sich ein Teil von mir genau das. So zu tun als ob man ein normales Leben führen würde, obwohl man in Wirklichkeit ein Dämon war. Das schien für mich unmöglich. Wann war mein Leben schon jemals normal gewesen? Nein, da konnte ich mir selbst nichts vormachen. Ich war nicht das tpische Nachbarsmädchen, das in die Stadt Eis essen ging oder ihrer kleinen Schwester auf die Nerven und das würde ich auch nie sein.
Aber vielleicht hatte es auch etwas gutes. Wäre ich sonst Will begegnet? Als ganz normales Mädchen, das sich um nichts Sorgen machen musste, freie Entscheidungen treffen konnte. Wie hatte ich da reagiert?
"Kara, ist alles in Ordnung?" Nein, eigentlich nicht, aber das musste er ja nicht wissen.
"Ja." Er sah mich mürrisch von der Seite an. Ich wollte gar nicht wissen, wie ich im Moment aussah. Sicher hatte ich ganz zerstrubelte Haare, ganz zu schweigen vom pinken Kleid. Mühsam raffte er sich auf.
"Will?"
"Ja?" Er blickte mich auffordernd an, so als er auch wollte, das wir das endlich klären konnten. Aber ich war noch nicht bereit dafür. Was wenn die Wahrheit schlimmer war, als die Lüge, die ich bisher gelebt hatte? Wenn ich dadurch alles zerstören würde?
"Bis Morgen." Er sah etwas entäuscht aus, aber dann verzog sich sein Mund zu einem leichten Lächeln. Als hätte er endlich ein schweres Rätsel gelöst. Er humpelte ein bisschen und ich wollte ihm zur Hilfe eilen, doch dann fiel mir wieder ein, was das letzte Mal passiert war. Also blieb ich unschlüssig bei der Tür stehen und wartete bis er draußen war. Ich schloss die Tür hinter ihm zu und ließ mich langsam an ihr heruntergleiten.
"Ich liebe dich.", flüsterte ich in die finstere Nacht hinein, doch niemand konnte mich hören. Niemand konnte verstehen, wie ich für ich empfand. Außer Carrie, die wusste es von Anfang an, als ich es noch vor mir selbst verleugnet hatte. Die Stille der Nacht legte sich wie ein samtiger Schleier auf meine Haut. Die Nacht, die sanfte Stille.
Regntropfen begannen an mein Fenster zu klopfen, als wollten sie um Einlass bitten. Der Regen wurde begleitet von dem melodischen Heulen des Windes, der draußen tobte. Hastig nahm ich meinen Block, der auf den Boden lag. An der Seite war ein Stift befestigt, damit ich nie nach einem suchen musste, wenn mir etwas einfiel. Ich sah verstohlen auf den Wecker, es waren noch zwei Stunden bis Sonnenuntergang, anscheinend gab es einen kleinen Zeitunterschied, zwischen dieser Welt und der anderen. Das Grau des Himmels ließ mich nachdenklich werden, was wenn ich mehr Angst davor hatte von Will abgewießen zu werden, als ihn zu verletzen? Ich schob den Gedanken beiseite und konzentrierte mich auf die leere Seite vor mir. Wie von selbst huschte mein Stift übers Blatt und füllte es mit meinen Gedanken.
Regen prasselt an mein Fenster,
wie schon lang nicht mehr gesehen,
kein Sonnenstrahl dringt durch das Grau,
trotzdem ist es wunderschön.
Die Regentropfen prasseln im Rythmus meines Herzens
und wenn es sie nicht gäbe,
könnt' ichs nicht verschmerzen.
Regen bringt mir Freude,
ein Lächeln aufs Gesicht
und wenn ichs wissen wollte,
verstehen tu' ichs nicht.
Denn der Regen brachte Ruhe,
so wie sie keiner nannte
und ich konnte es verstehen,
obwohl ich dich nicht kannte.
Nachdenklich betrachtete ich die letzte Zeile, sie sagte mehr über meine Gefühle aus, als ich mir jemals eingestehen wollte. Seufzend legte ich den Block wieder auf die Seite und lauschte nur den Regentropfen, die an mein Fenster prasselten.

DU LIEST GERADE
Deadly Touch
Fantasy'Eine einfache Berührung. Mehr braucht es nicht.' Kara ist schon ihr ganzes Leben lang auf der Flucht vor sich selbst. Seit ihre Eltern unter mysteriösen Umständen gestorben sind, lebt sie bei einer Pflegefamilie. Doch wie soll sie Freunde finden...