"Wo hast du das gefunden?", fragte er mich bestimmt. Ich drückte den Block und den Stift fest an meine Brust, damit er mir sie nicht wegnehmen konnte.
"In der Lade dort.", antwortete ich zögerlich. Nach dem Training hatte ich ihn kaum mehr gesehen. Die Dienstmädchen hatten mich zurück ins Zimmer gepfercht, wo sie mir grob die Haare gebürstet und mich in einen rosa Alptraum von einem Kleid gestopft hatten. Warum interessierte ihn das? Es waren nur einfache Sachen, doch sie erinnerten mich an die Welt, aus der ich stammte. Die Welt, mit all den seltsamen und herumirrenden Menschen, die nie wussten, was sie eigentlich wollten.
"Gib das her!" Er blickte mich flehend an. "Bitte."
Ich schlug den Block auf der ersten Seite auf. Sorgfältig standen die Wörter auf dem Blatt, so wie es nur ein ordnungsliebender Mensch vermocht hätte. Einige Zeilen waren durchgestrichen, aber ich konnte sie noch einigermaßen gut entziffern.
Die Nacht, die sanfte Stille,
bricht über mich herein
und sei es auch dein Wille,
will ich nicht mehr so sein.
Ich kritzelte noch schnell etwas dazu, bevor ich es ihm wieder gab. Er blickte mürrisch auf die Seite, aber dann lichtete sich sein Blick.
zu lang war ich dein Diener,
tat das was mir befohlen,
und wenn ichs doch nicht wusste,
hast du es mir gestohlen.
drum geh fort, fort in die weite Welt, weg von mir und von allem,
aber ich bleib hier und leg mich nieder,
lausche nur der sanften Stille,
die mich gefangen hält.
Eine Weile blickte er mir gedankenverloren in sie Augen, doch dann drehte er sich einfach um und warf die Tür hinter sich ins Schloss. Ich ließ mich erschöpft auf den kalten Steinboden sacken. Wo war ich hier nur hineingeraten? Langsam hatte ich das Gefühl, das sich weit mehr hinter dem allen hier verbarg, als ich anfangs zu glauben schien. Dieser Ort von dem ich glaubte das er mein Gefängnis wäre, war so viel mehr als das was ich sah. Die Geheimnisse lagen tief im Schloss verborgen, dort wo sie nie jemand finden konnte, aber vielleicht wollte ich das auch nicht.
Vielleicht wollte ich einfach glauben, das es einen Ort gab, der nicht voller Lügen steckte. Doch wie sehr ich mir auch versuchte einzureden, das es so wäre, es wollte einfach nicht in meinen Kopf hinein. Die Wahrheit konnte eben nicht ohne die Lüge existieren.
Vorsichtig ging ich zu Tür, obwohl ich wenig Hoffnung darin hatte, das sie nicht verschlossen war. Ich atmete erleichert auf, als die Tür einen kleinen Spalt aufging. Eilig hastete ich den Gang hinunter, der sich immer weiter verzweigte. Plötzlich hörte ich Schritte auf den steinernden Fußboden widerhallen und versteckte mich schnell hinter einer großen Statue und hoffte, das mein Ungetüm von Kleid nicht hervorlugte.
"Du weißt, das sie eine Gefahr für uns darstellen könnte, oder?"
"Ja Vater, aber was hast du vor?" Seine Stimme klang etwas zögerlich.
"Das weißt du ganz genau und jetzt beschäftigen wir uns mit den wichtigen Dingen. Wir brauchen noch eine Plan, wie wir sie aus dem Weg schaffen können."
Ich verstand gar nichts mehr. Warum trainierte er mit mir, wenn mein Leben in seinen Augen nichts wert war? Ich wartete noch eine ganze Weile, bevor ich hinter der Statue hervorkam und schnell zurücklief. Seufzend ließ ich die Tür ins Schloss fallen.
Ich musste flüchten. Die Chancen standen zwar gering, aber das würde mich nicht davon abhalten. Entweder flüchtete ich oder ich würde sterben. Umd ich war definitiv noch nicht bereit dafür.
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Deadly Touch
Fantasy'Eine einfache Berührung. Mehr braucht es nicht.' Kara ist schon ihr ganzes Leben lang auf der Flucht vor sich selbst. Seit ihre Eltern unter mysteriösen Umständen gestorben sind, lebt sie bei einer Pflegefamilie. Doch wie soll sie Freunde finden...