Kapitel 77

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Pov. Stegi

Die Situation war mehr als merkwürdig. Ich bemerkte, wie Tim Marie andauernd wütende Blicke zuwarf und jede ihrer Handlungen genau musterte.  Ich fühlte mich unwohl. Marie war warscheinlich enttäuscht oder zumindestens sauer auf mich, ohne dass ich auch nur ansatzweise etwas dafür konnte. Ich hab mir nunmal nicht ausgesucht auf Jungs zu stehen. Und erst recht nicht hatte ich es mit ausgesucht mich in ihren Bruder zu verlieben. Aber wahrscheinlich hatte es sich Marie auch nicht ausgesucht, sich in mich zu verlieben. Gerade in mich. In den schwulen Freund von ihrem großen Bruder. Eine dämlichere Situation gab es wohl kaum.
Tim war sauer auf Marie, das merkte man ihm an. Und Marie die war unwissend, dass ihr großer Bruder bescheid wusste.

Pov. Tim

Den Tag verbrachten wir eigentlich ohne, dass wir groß was unternahmen. Irgendwann gegen Nachmittag kamen dann auch meine Eltern wieder nach Hause. Ich stand gerade in der Küche und trank etwas, als sie diese ebenfalls betraten und sich an den Tisch setzten. "Wo seid ihr die ganze Zeit gewesen?", fragte ich sie. Meine Mutter lachte: "Naja wir haben viel getrunken und dann haben uns Jenna und Mike angeboten bei ihnen in einen ihrer Gästezimmer zu übernachten. Wir dachten, wir lassen euch auch mal etwas Freiheit. War die Party denn gestern gut?", fragte meine Mutter mich mit hochgezogenen Augenbrauen. Ich musste schmunzeln. Sie kannte mich einfach zu gut. "Ja war sie." Auch sie grinste. "Schön"

Danach entstand Stille. Ich schlürfte an meinem Orangensaft, mein Vater schaute auf sein Handy und meine Mutter aus dem Fenster. Ich wollte schon zu einem weiteren Gespräch ansetzten, da sah ich Stegi durch die Tür. Als er mich entdeckte fing er an zu grinsen und kam auf mich zu. "Timmii", sagte er mit seiner niedlichen Stimme. Doch mir wurde bewusst, wer gerade neben mir im Raum saß. Ich schüttelte den Kopf und versuchte Stegi deutlich zu machen, dass ich nicht allein war, doch er merkte nichts. Meine Eltern am Tisch konnte er unmöglich aus seiner Position sehen. Und so kam er in den Raum, schlang seine Arme um meinen Nacken, als er bei mir angelangt war und küsste mich. Einfach so. Direkt auf den Mund. Vor den Augen meines schwulenfeindlichen Vaters. Mein Herz rutschte mir in die Hose und ich wurde blass. Schnell löste ich mich von Stegi. Er schaute mich verwirrt an, bemerkte dann aber meine Eltern, beziehungsweise meinen Vater, der in einer Schockstarre am Tisch saß. Plötzlich wurde auch Stegi blass und machte sich noch kleiner, als er ohnehin schon war. Eine Weile passierte nichts. Es herrschte einfach nur Stille im Raum. Niemand traute etwas zu sagen, bis mein Vater es war, der letzendlich das Schweigen brach. "Seid ihr ein Paar?", fragte er. Und verwunderlich war, dass ich in seiner Stimme nichts abwertendes heraushören konnte. Und auch seine Mimik verriet mir nichts über seine Stimmung. Wahrscheinlich war es auch gerade das, was meinem Freund plötzliches Selbstbewusstsein gab und ihn sagen ließ: "Ja das sind wir." Ein paar Sekunden lang passierte wieder nichts. Ich hielt die Luft an aus Angst vor der Reaktion. Plötzlich schlug mein Vater mit geballter Faust auf den Tisch an dem er saß. Ich zuckte zusammen. "Das kann doch wohl nicht wahr sein Tim!", schrie er und wurde in Bruchteilen von Sekunden feuerrot. "Sag, dass das nicht wahr ist. Sag, dass du nicht schwul bist!" Schnell ließ ich Stegis Hand los, doch antwortete nicht. "Das gehört sich nicht Tim! Nicht in unserer Familie!", immernoch redete er so laut, dass ich mir am liebsten die Ohren zugehalten hätte. Mein Vater stand von seinem Stuhl auf und baute sich vor mir auf. Und zum ersten mal in meinem Leben fühlte ich mich mit einer Körpergröße von 1,90 m klein. Und das obwohl mein Vater nicht viel größer als ich war. Ehe ich es realisieren konnte landete die Flache Hand meines Vaters auf meiner linken Wange. Ich verzog schmerzvoll mein Gesicht und konnte meine Mutter im Hintergrund entsetzt den Namen meines Vaters rufen hören. Ich hielt mir meine Wange. "Damit das klar ist." Mein Vater schaute mich mit wütender Miene an. Seine Stirn lag in Falten und seine Zähne waren aufeinandergepresst. Er wendete sich Stegi zu, der den Kopf einzog und zu ihm hinaufblickte. "Und du... ich will dich nie wieder in der Nähe meines Sohnes sehen. Haben wir uns verstanden?", fragte mein Vater den eingeschüchterten Stegi, der daraufhin bloß ein "ja" winzelte. Mein Vater trat einen Schritt zurück. "Gut. Morgen reisen wir ab." Er verließ den Raum.

Stexpert - You Are The ReasonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt