Kapitel 48

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Pov. Tim

Ich war mir weder sicher, ob ich das Richtige tat. Noch war ich mir sicher, ob Stegi mich überhaupt sehen wollte. Dennoch war ich auf dem Weg ins Krankenhaus. Ich vermisste ihn. Ich sprintete die Treppenstufen, die ins erste Geschoss führten hoch. Vor seiner Zimmertür atmete ich einmal tief durch, klopfte und drückte vorsichtig die Klinke hinunter. Langsam betrat ich den Raum und schaute ihn an. Er schlief gerade und vielleicht war es auch besser, wenn er nicht wusste, dass ich da war. Ich setzte mich auf einen Stuhl neben sein Bett und schaute ihn eine ganze Weile an. Ich strich ihm vorsichtig eine Strähne aus dem Gesicht. Tränen verließen langsam meine Augen und ich wischte sie weg. Eigentlich war er ja nur wegen mir hier. Wieso schaffe ich es immer, dass es den Menschen, die ich an mich ran lasse, schlecht geht? Er hat wohl jemanden Besseren verdient. Einen wie Mika. Auch wenn mein Ego es nicht einsehen wollte. Wenn er mit Mika zusammen wäre, dann wäre er glücklich und läge jetzt nicht im Krankenhaus. Er müsste sich nicht verstecken.



Pov. Stegi

Mittlerweile war es Winter. Die Temperaturen wurden kälter und nur noch selten hielt man sich draußen auf. Ich war schon lange wieder im Internat und hatte die Lungenentzündung gut überstanden. Der Alltag hatte sich schnell wieder eingefunden. Aufstehen, Unterricht, Hausaufgaben, lernen, schlafen. Am Wochenende gammelten wir nur rum. Was sollte man auch unternehmen, wenn es Tag ein Tag aus nur am regnen war. Von Schnee war keine Spur.

Tim ignorierte mich so gut es ging. Zumindest kam es so rüber. Er schenkte mir keinen Blick, kein Lächeln, einfach keine Beachtung. Ich hingegen war 90 % des Unterrichts damit beschäftigt ihn anzustarren. Ich war mir sicher mittlerweile alle seine Gesichtszüge auswendig zu kennen. Ich brauchte ihn. Doch er mich anscheinend nicht. Er sah zwar schlechter aus als sonst, hatte Augenringe, blassere Haut, sah dünner aus und war generell wenig am lächeln.




Es war am Nachmittag, als ich den Flur langlief. Ich schaute auf den Boden und merkte so nicht, dass ich geradewegs in jemanden hineinlief. Ich murmelte ein leises "tschuldigung" und wollte meinen Weg fortsetzen, doch Derjenige hielt mich zurück. Es war Rafi. Natürlich war es Rafi.

"Du schon wieder.", stellte er fest, "Was fällt dir eigentlich ein? Was hast du getan? Seid Tim mit dir bei deiner Familie war ist er komisch und entfernt sich von seinen Freunden. Kannst du mir mal verraten was da passiert ist!?", sagte er laut und schubste mich so stark, dass ich auf den Boden fiel. Er bäumte sich über mich auf und im nächsten Moment landete seine Faust in meiner Magengrube. Alte Erinnerungen und Gefühle kamen in mir auf. Nein! Es durfte nicht so werden wie früher. Ich würde lieber sterben, als wieder gemobbt zu werden. Ich rollte mich auf den Boden zusammen und hielt meine Arme schützend über meinen Kopf. Ich erwartete weitere Schläge, doch es kam nichts.

"Lass ihn.", hörte ich aufeinmal eine tiefe Stimme sagen, die mir Gänsehaut am ganzen Körper verpasste. Ich öffnete vorsichtig die Augen und sah Tim, der vor mir stand und sein gegenüber wegdrückte. Ich stand langsam auf, machte einen Schritt auf Tim zu und flüsterte leise: "Tim lass es. Ist egal."

Doch er sagte laut ohne mich anzusehen: "Nein ist es nicht Stegi!" Ich verstummte. Damit hätte ich nicht gerechnet, aber Tim zu wiedersprechen war sinnlos, weshalb ich einfach still blieb. "Was ist denn los Tim? Neuerdings schwul oder was?", fragte Rafi provozierend. Ich zog scharf die Luft ein. Ich konnte spüren, wie Tim innerlich brodelte. Er ballte seine Hände zu Fäusten und spannte seine Oberarmmuskukatur und seinen Kiefer an.

Doch plötzlich löste er die Spannung. Setzte ein Zuckersüßes Lächeln auf und sagte ganz leise und ruhig: "Tzz. Und wenn schon."

Danach drehte er sich zu mir um, zog mich an sich und versiegelte unsere Lippen zu einem innigen Kuss. Ich legte meine Hände auf seine Brust und erwiderte den Kuss leidenschaftlich. Wie lange hatte ich auf diesen Moment gewartet? Zu lange. Aber das Warten hatte sich gelohnt.

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