-50- Nikolas

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Als ich in der darauf folgenden Nacht aufwachte, war ich alleine. Ich schlug die Decke zurück und stand auf. Teresa saß im Kinderzimmer und wiegte Quentin in ihren Armen. Wir hatten alle Medikamente bekommen, damit wir nicht auch krank werden. Die ganze Familie hatte Antibiotika bekommen.

"Süße..?", flüsterte ich.

Sie schreckte aus ihren Gedanken hoch.

"Tut mir leid. Ich wollte dich nicht wecken.", sagte sie kalt und senkte den Blick wieder auf unseren schlafenden Sohn.

"Komm wieder ins Bett..", sagte ich leise und trat an sie heran.

"Nein. Ich muss ihn im Blick behalten. Ich muss ihn beschützen. Wenn ich Isabelle schon nicht beschützen konnte.." Eine Träne rollte über ihre Wange und sie zog die Nase hoch.

"Er hat doch aber schon Medikamente bekommen.."
Ich legte meine Hand in ihren Nacken und massierte sie sanft.

Sie drückte sich gegen meine Hand und schloss die Augen.

"Nein. Lenk mich nicht ab. Ich muss auf ihn aufpassen."

Ich verließ das Kinderzimmer und holte einen Sessel aus dem Flur um ihn neben den von Teresa zu stellen und ihr Gesellschaft zu leisten.

So verweilten wir schlaflos die Nacht.

Am Morgen wickelte ich Quentin und als ich mich umdrehte, saß Teresa mit geschlossenen Augen, auf ihren Arm gelehnt immernoch im Sessel. Ich legte den Kleinen kurz zurück in das Bett und nahm Teresa dann auf meine Arme und legte sie ins Bett.
Sie drehte sich und drückte sich in die Kissen.

So verliefen die nächsten Nächte.

Zum Jahreswechsel standen wir Arm in Arm am Fenster und sahen uns das Feuerwerk an. Jordan rannte fröhlich an der Glasfront hin und her und lachte herzlich. Teresa hatte kaum etwas gegessen und sah nach den wenigen vergangenen Tagen schon so fertig aus.

Die Anrufe der Familienmitglieder und der Freunde, welche ihr Mitleid ausdrücken wollten, setzten ihr zusätzlich noch zu.

Am 03.01. fand dann die Beerdigung statt. Teresa hatte sich um rosa Blumen und eine rosé farbene Urne gekümmert.
Es sah wunderschön aus und war doch so schrecklich. Teresa kniete die ganze Zeremonie am Grab und hielt Quentin auf ihrem Schoß. Jordan umklammerte meine Hand und verfolgte die Reden und die Handlungen des Redners. Wir wollten ihn mitnehmen, damit er versteht, was passiert ist. Damit er sieht dass es endgültig ist.

Die folgenden Tage wurden noch schlimmer. Sie schlief weniger und wurde schwächer.
Sobald sie Mal schlief wachte sie nach wenigen Minuten schweißgebadet und schreiend auf.

Träume von der Fehlgeburt und von den Ereignissen der letzten Wochen verfolgten sie.

Als wir an einem Abend einige Wochen nach der Beerdigung die Jungs im Bett hatten, begleitete mich Teresa ins Wohnzimmer. Sie hatte mich die vergangenen Wochen kaum beachtet und sich sehr zurück gezogen. Dementsprechend war ich äußert freudig gestimmt, als sie sich neben mir auf die Couch fallen ließ.

"Es tut mir leid..", sagte sie leise, nachdem sie einige Minuten geschwiegen hatte: "Ich hab dich weggestoßen und dich allein gelassen. Du hast ja schließlich auch ein Kind verloren. Und ich war so kalt."

"Süße... Alles ist gut. Ich hatte nicht vor dir Vorwürfe zu machen."

"Ich weiß. Dennoch: Es tut mir leid."

Ich rutschte ein Stück näher an sie heran und zog sie in meine Arme.

"Ich liebe dich.", flüsterte ich leise.

"Ich liebe dich auch.", gab sie zurück und drückte sich näher an mich.

Als wir uns wieder voneinander lösten, hatte sie Tränen in den Augen.

"Wie fühlst du dich?"

"Naja. Es wird besser. Wir konnten nichts dafür. Sie ist an etwas erkrankt, was wir nicht verhindern konnten. Zumindest rede ich mir das ein.", antwortete sie mit einem schwachen Lächeln auf den Lippen.

"Und was denkst du wirklich?", hakte ich nach.

"Ich denke, dass ich irgendwas hätte tun müssen. Sie später ins Bett tun. Ich denke, dass ich irgendetwas hätte bemerken müssen."

"Hast du aber nicht. Und weißt du warum?", fragte ich.

Sie schüttelte den Kopf.

"Weil es nicht möglich war. Diese Krankheit bricht plötzlich aus und schlägt schnell zu."

"Es gab Momente, in denen ich den Ärzten die Schuld gab. Sie hätten sie retten müssen. Sie hätten sie nicht sterben lassen dürfen. Das ist schließlich ihr Job. Andererseits rede ich mir ein, dass es so besser ist, weil diese Krankheit auch schwere Behinderungen hervorrufen kann."

Sie sah schüchtern auf ihre Hände und spielte mit ihren Fingern.

"Was verschweigst du mir?", fragte ich, legte meine Hand unter ihr Kinn und zwang sie mich anzusehen.

Hass michWo Geschichten leben. Entdecke jetzt