-60- Teresa

12.8K 708 63
                                    

@Benny - für deine unübertreffliche Hilfe <3

Mit einer leichten Handbewegung leerte er ihn vor uns aus und ich schnappte geschockt nach Luft.

Ein rosafarbener Nuckel und Fotos. Etliche Fotos.

Ich sah mir jedes einzelne genau an. Auf den Rückseiten stand das jeweilige Datum.
Und mein Herz schlug mit jedem Bild heftiger.

Schließlich kam ich zu dem Ergebnis

Der Mistkerl hat mein Baby.

Und diese Tatsache brachte meine Gefühle komplett aus dem Gleichgewicht.
Einerseits die Freude, darüber dass sie lebt und das es ihr anscheinend gut geht.
Und dann die Trauer darüber dass ich ein halbes Jahr ihres Lebens verpasst hatte.

Nikolas sagte kein Wort. Er saß einfach nur stumm und reglos da und hielt ein Bild in den Händen.

"Dafür wird er bezahlen..", flüsterte er und eine einzelne Träne lief über seine Bleiche Wange.

Meine Augen füllten sich erneut mit Tränen und schließlich brach alles aus mir heraus.

Ich merkte nur noch im Unterbewusstsein, wie ich die Treppen nach oben lief und Nikolas meinen Namen rief.

Völlig neben mir Schloss ich mich im Bad ein, rutschte an den Kalten Fliesen nach unten und landete, ein wenig unsanft, auf meinem Hintern.

Mein Körper zuckte mit jedem Schluchzer zusammen und meine Finger zitterten. Doch die Trauer verwandelte sich während des Weinens in Wut.

In Wut auf diese Person, auf Nikolas und auf alle anderen.

Doch am meisten..

Auf mich.

Darauf, dass ich einfach gelernt habe, ohne sie zu leben. Ohne sie weiter zu machen.

Voller Emotionen schlug ich einige Male mit der Faust auf meine Oberschenkel ein und rollte mich dann letztendlich auf den Fliesen zusammen und schluchzte erschöpft vor mich hin.

"Süße.. mach die Tür auf.. wir bekommen unser Baby wieder. Ich gebe ihm alles was er will.", hörte ich nun Nikolas wieder in meine Gedanken vordringen.
Ich setzte mich auf und spritzte mir ein wenig Wasser ins Gesicht und öffnete dann auf schwankenden Beinen und mit zitternden Fingern die Tür.

Nikolas sah schrecklich müde aus. So ausgelaugt.
Ohne lange zu zögern, zog er mich in eine feste Umarmung und drückte mir einen Kuss auf den Hals.

"Wir holen uns unser Baby zurück.", flüsterte er tröstend an meinen Hals.

"Wie denn?" Die Hoffnungslosigkeit in meiner Stimme war unüberhörbar.

"Wir warten auf seine Forderungen."

"Warten..", stellte ich müde fest.

"Ja. Warten."

Der Nachmittag verging schleppend und fühlte sich unreal an. So wie, wenn man in einem schrecklichen Traum gefangen ist und dann in die Aufwachphase gleitet und man sich fragt ob das was sich vor einem Abspielt überhaupt echt ist.

Doch dies war kein Traum. Es war die schmerzhafte und unveränderbare Realität, die mich aufwühlte.

Nikolas brachte die Jungs früher als sonst ins Bett und kaum war er wieder bei mir klingelte das Telefon. Sofort wanderte eine Gänsehaut, an meinem Nacken entstehend, über meinen ganzen Körper.

"Harrow?", begrüßte Nikolas den Anrufer und stellte auf Laut.

"Hallo Nikolas. Ist Teresa bei dir?"

"Ja."

"Gut. Hallo Teresa."

"Hallo.", begrüßte ich den Mistkerl mit zitternder Stimme

"Wie sieht es aus meine Turteltäubchen? Glaubt ihr mir nun?"

"Wir glauben dir dass du sie hattest. Aber nicht dass du sie hast.", stellte Nikolas herausfordernd fest.

"Gut. Was haltet ihr von einem Videochat? In 5 Minuten?"

"Ja!", rief ich sofort etwas lauter und höher als erwartet.

"Gut meine Liebe. Dann bis gleich."

Damit legte er auf. Ich zitterte am ganzen Körper, doch Nikolas reagierte sofort und holte sein Tablet aus dem Arbeitszimmer und meldete sich auf der Plattform an.

Sofort bekamen wir eine Freundschaftsanfrage von 3246585584.

Wir nahmen an und schon bekamen wir einen Anruf von der Person.

"Pünktlich. Sehr schön. Seid ihr bereit?", fragte die selbe Stimme, die wir eben noch am Telefon hatten.

"Ja."

Erst wurde der Ton umgestellt und die Titelmusik einer Kinderserie ertönte. Dann verschwand das Profilbild unseres Gegenübers und der Ladekreis erschien auf schwarzem Untergrund.

Dann war das Bild da. Stark Verpixelt. Aber doch eindeutig. Das Kleine Mädchen saß direkt vor der Kamera und starrte auf den Bildschirm.

Ein Schluchzen entwich mir.

"Mein Bab.."

Dann legte er auf und sofort klingelte das Telefon wieder.

"Und? Glaubt ihr mir jetzt?"

"Was wollen sie?", fragte Nikolas und er hörte sich wirklich stark an.

"Darauf komme ich später zurück. Wichtig ist, dass ihr wisst, dass ich nicht lüge. Gute Nacht."

Das wars, damit legte er auf.

Die darauffolgenden Stunden erlebte ich in einer Art Trancezustand. Ich sah mir die Fotos immer wieder auf Neue an.

Alle.

Immer und immer wieder.

Ich saß bereits im Bett und Nikolas war gerade im Bad, als ich mir ein Bild etwas genauer ansah.

Isabelle saß in einem Stühlchen und ihr Gesicht war von oben bis unten voll mit Tomatensoße. Sie grinste und man sah zwei weiße Zähnchen zwischen dem Rot aufblitzen. Doch das Eigentliche, was gerade meine Aufmerksamkeit auf sich zog, war die alte Standuhr im Hintergrund.

Wir saßen immer noch in dem Restaurant und er erzählte immer noch über sein Leben.

Sein Hund hieß Spider. Er wuchs bei seiner Mutter auf. Er war allergisch gegen Äpfel.

Mittlerweile waren wir bei seiner Oma angekommen.

"Als meine Großmutter starb, vermachte sie mir eine wunderschöne, alte Standuhr, die schon seit mehreren Generationen im Besitz unserer Familie war. Sie hat goldene Verzierungen unmittelbar unter dem Ziffernblatt auf der Holzverkleidung. Sehr edel und sehr wertvoll."

Ich betrachtete das Foto in meinen Händen genauer. Da waren sie.

Sofort sprang ich auf und lief ins Bad.

"Nikolas. Ich weiß jetzt wer Isabelle entführt hat."

Ich erzählte ihm von meinem Gedankensprung: "James war es. Wenige Wochen nachdem ich in deiner Firma angefangen hatte, war ich mit ihm in einer Mittagspause aus."

"Ich erinnere mich."

"Da hat er mir von der Uhr erzählt."



Hass michWo Geschichten leben. Entdecke jetzt